Die Ausgangsvoraussetzungen im Versandhandel für Lebensmittel sind ambivalent. Zum einen winkt mittelfristig ein Milliardenmarkt für die Player, die sich rechtzeitig positiv in Szene setzen können. Amazon hat angekündigt, mit seinem Fresh-Konzept schon in den nächsten Wochen in Berlin starten zu wollen. Exklusiver Partner ist DHL.
Zum anderen hat das Versandkonzept gerade in Deutschland mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen. In den Großstädten, wo traditionell die meisten Early Adopter zu finden sind, ist die Versorgung mit Supermärkten gut. Die Ladenöffnungszeiten haben sich verlängert. Und natürlich ist das System Lebensmittelversandhandel mit viel Misstrauen behaftet. Stimmt die Qualität der Frischware ohne direktes, haptisches Einkaufserlebnis? Kommt die Lieferung so pünktlich und vollständig, dass sich der geneigte Haushaltsvorstand in seiner Planung darauf verlassen kann? Gemessen an einem Gesamtvolumen von 169 Mrd. Euro (BVE) war der Online-Handel mit etwas mehr als einer Mrd. Euro (bevh) in Deutschland trotz guter Wachstumsraten von rund 25 Prozent letztes Jahr noch sehr zurückhaltend. In anderen europäischen Ländern geht der Anteil eher in Richtung fünf Prozent.
Content gegen Vorurteile
Ein Anbieter, der in diesem Markt möglichst schnell Fuß fassen will, kämpft also an zwei Fronten. Einerseits muss er den Boden bereiten und die Verbraucher aufklären. Andererseits möglichst viel von der Aktivierung auf das eigene Angebot fokussieren. Eine komplexe Kommunikationsaufgabe, die über klassische Werbemittel schwer zu erfüllen sein dürfte, und wenn, dann ziemlich teuer. Genau dafür wurde Content Marketing erfunden. Und inzwischen tummeln sich alle großen Verlagshäuser auf diesem Markt und bieten den werbungtreibenden Kunden unterschiedliche Formen der Unterstützung an. Die Großverlage werfen ihr gesamtes Leistungsportfolio in die Waagschale und das besteht eben nicht nur aus der Herstellung von interessanten Inhalten, sondern auch aus deren Verteilung im hauseigenen Veröffentlichungsnetzwerk, dem externen Mediazukauf und technischen Dienstleistungen wie beispielsweise der Suchmaschinenoptimierung. Bei Burda Forward in München entwickelt man derzeit sogar ein Selbstbedienungssystem für die Advertiser. Der Lebensmittelversender AllYouNeedFresh – eine DHL-Tochter – entschied sich für eine Zusammenarbeit mit dem Brand Studio von Bild. Das Paket beinhaltete drei unterschiedliche Inhaltskonzepte, die speziell für die drei ausgewählten Publikationen Bild.de, Stylebook.de und Techbook.de ausgearbeitet wurden.
Native Advertising auf Bild.de
Auf Bild.de arbeitete die Kampagne zum Beispiel gegen die gängigen Vorurteile wie: „Lebensmittelversandhandel ist teuer“ an. Die „7 größten Mythen über den Lebensmittelhandel“ war die zentrale Geschichte, die auf Bild.de als Native Advertising platziert wurden. Die Anmutung der Geschichte ähnelt den redaktionellen Produkten, Die Kennzeichnung als „Anzeige“ war aber deutlich im Header zu sehen.
Auf Techbook.de sprach man unterdessen eine junge, moderne Zielgruppe aus der Perspektive der Innovation an. „Warum Siri unsere Einkäufe erledigt“ oder „So kaufen wir in der Zukunft ein“ lauteten die Schlagzeilen. AllYouNeedFresh verfügt über einen Service, bei dem man dem Anbieter per Whatsapp ein Foto eines Rezeptes schickt und man erhält den vorgefüllten Warenkorb als Link zurück. Diese Funktion läßt siuch in einem derart passenden Umfeld einfach erklären.
Einen dritten, komplett anderen Ansatz wählte man für Stylebook. Hier inszenierte man eine Influencer-Kampagne mit Pamela Reif. Das attraktive Model hat allein auf Instagram 2,9 Millionen Follower. Ihr Thema im Rahmen der Kampagne war die gesunde Ernährung in Kombination mit Fitness-Tipps und natürlich jeder Menge Fotos. Mittendrin zwei Rezeptvideos von AllYouNeedFresh.
Auf journalistische Inhalte setzen
Alle drei Inhaltsvarianten wurden im kompletten Publikationsnetzwerk mit redaktionellen Teasern beworben. Das ist natürlich der Charme des Konzepts. Leser von Artikeln werden auf andere interessante Themen im Bild-Universum hingewiesen. Das ermöglicht recht präzises Kontext-Targeting und steigert nebenbei die Verweildauer. Darüber hinaus hat das Brand Studio aber auch mit Seeding gearbeitet. Als Trafficlieferanten wurden Facebook und Google identifiziert. Auf Facebook sorgten Sponsored Posts für mehr Reichweite und für Google wurden SEO-Maßnahmen aufgesetzt. Eine davon sind die Amplified Mobile Pages (AMP), das ist eine spezielle von Google empfohlene Seitenspezifikation, die vor allem die Ladezeiten für den mobil surfenden Nutzer in Grenzen halten soll. AMP-Seiten werden bei mobilen Suchen tendenziell höher gelistet, als zum Beispiel Seiten im Responsive Design. Ist letzteres nämlich nicht optimal aufgesetzt, tragen die Seiten häufig viel zu große Bilder und Videos mit sich, und die Ladezeiten werden unnötig verlängert. Zu guter Letzt wurde noch eine Re-Targeting-Kampagne aufgesetzt. Sobald ein User eine der Brand-Stories gesehen hatte, wurden passende Display-Ads ausgeliefert. Einige davon landeten nicht im Shop von AllYouNeedFresh sondern auf deren eigenen Content-Seiten namens „Magazin“.
Die Ergebnisse
Insgesamt erzielte die Kampagne fast eine Viertelmillion Aufrufe. Im Durchschnitt blieben die Nutzer 102 Sekunden bei der Geschichte und erzeugten somit in Summe 400 000 Minuten Aufmerksamkeit. Daraus resultierte ein deutlicher Anstieg der Markenbekanntheit in der Zielgruppe um 45 Prozent. Auch die grundsätzliche Bereitschaft, frische Lebensmittel im Versandhandel zu kaufen, stieg deutlich an (48 Prozent). Besonders interessant sind aber die effektiven Umsatzeffekte. Die Conversionrate der Zielgruppe, die die Kampagne gesehen hatte, lag im Vergleich zur Kontrollgruppe um das Doppelte höher. Freilich schweigt sich AllYouNeedFresh über die absoluten Werte aus, dennoch bleibt der Effekt signifikant. Auch die Warenkorbgröße und die Wiederkaufquote stiegen um jeweils etwa ein Viertel an. Der „inhaltlich vorbereitete“ Käufer hat offensichtlich eine andere Erwartungshaltung.
So komplex ist Content-Marketing
Unter Strich zeigt die Kampagne, wie komplex Content-Marketing heute gedacht werden muss, um erfolgreich zu sein. Ein paar gute Inhalte auf irgendeiner Landeseite reichen nicht. Ein solcher Ansatz skaliert auch nicht, er muss individuell entworfen und stetig optimiert werden. Spannend wäre zu wissen, was eine mit ähnlichem Budget ausgestattete Standard-Kampagne an Effekten erzielt. Kurzfristig könnte die Wirkung ökonomisch vergleichbar sein. Langfristig hat der spezifische Content-Ansatz viel Kraft.