Herr Økland, als Trendforscher wagen Sie den Blick in die Glaskugel. Was sehen Sie auf den Handel in den nächsten Jahren zukommen?
Ståle Økland: Es zeichnet sich ab, dass die Veränderungen noch viel umfassender sein werden, als es anfangs erschien. Zunächst waren wir von Verdrängungswettbewerb in einzelnen Segmenten ausgegangen, jetzt wird deutlich, dass sich das gesamte Handelssystem ändert.
Die Kunden werden also auf Dauer alles online kaufen.
Nein, keineswegs. Dem Kunden ist es letztlich egal, wo er kauft. Es geht um den Mehrwert. Klar ist, dass er praktisch alles im Internet bekommt und meistens günstiger, als im stationären Handel. Mit Preis und Sortiment kann der Handel auf Dauer nicht mehr punkten. Er muss das durch andere Leistungen ersetzen, die online nicht verfügbar sind. Gleichzeitig werden wir aber auch eine Konsolidierung im Online-Handel erleben. Auf Dauer funktioniert der Handel ohne Gewinne nicht.
Woran machen Sie eine Konsolidierung im Online-Handel fest?
Schon jetzt beobachten wir in Norwegen und zum Beispiel auch in Deutschland, dass die Nachfrage nach Büchern im stationären Handel konstant bleibt. Bücher sind eine der Produktkategorien, die zuerst vom E-Commerce betroffen waren. Wenn nun eine Stagnation eintritt, deutet das darauf hin, dass es Elemente im Kaufprozess gibt, die offline besser funktionieren als online. Die Kunden entscheiden das recht emotionslos. Aber natürlich wird der Wettbewerb insgesamt härter und der stationäre Handel schwieriger.
Was ist der Schlüssel für den Handel, um zu überleben?
Den Kunden besser zu verstehen. Und zwar den Kunden von heute mit seinem veränderten Mediennutzungsverhalten, seiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne, seiner geringen Preistoleranz. Ich denke die wichtigste Disziplin, in der der stationäre Handel punkten kann, ist Service. Kombiniert man das zum Beispiel mit den Effizienzgewinnen aus Multichannel und der Digitalisierung der Ladenfläche, dann hat der Handel Qualitäten, die man erst mal schlagen muss. Stationäre Händler könnten ihren Kunden zum Beispiel dabei helfen, online in deren Shop einzukaufen und damit virtuell das Sortiment verlängern.
Stichwort Digitalisierung der Ladenfläche: Beacons haben nicht das geleistet, was man sich davon versprochen hat.
Das stimmt, aber es ist auch immer noch früh. Beacons scheitern derzeit an mangelnder Nutzerakzeptanz der nötigen Apps oder an einer schlechten digitalen Ausleuchtung der Ladenfläche. Das sind Kinderkrankheiten. Das Internet of things wird den Handel nachhaltig verändern. Was passiert mit der Handelswerbung, wenn der Kühlschrank seine Milch selbst bestellt? Oder schauen Sie sich Apple an: Das ist kein Hardwareanbieter mehr, das ist eine Plattform. Die Idee von Apple Pay ist ja nicht, eine weitere Zahlmethode anzubieten. Es geht darum, dass Apple zum Beispiel Käufe über unterschiedliche Händler hinweg in einer Rechnung bündelt. Das wäre für den Kunden sehr bequem. Im Moment leidet der Handel darunter, dass qualifiziertes Personal fehlt. Die brauchen die gleichen Onlineexperten, die vielleicht lieber bei Google oder Facebook arbeiten, um den digitalen Wandel zu beschleunigen.
Aus Ihrer Sicht ist der Handel also gar nicht gefährdet?
Doch. 30 Prozent der Läden werden bis 2020 schließen, weil sie den Wandel nicht schaffen. Dann könnten zwei Szenarien eintreten. Das eine ist, dass durch die Insolvenzen Ladenflächen frei werden, die Mieten sinken und sich kleine, innovative Händler wieder Innenstadtlagen leisten können. Das andere Szenario ist, dass zum Beispiel große Marken mit Flaggship-Stores diese Flächen aufsaugen. Beides wird die Innenstädte verändern, aber nicht ausbluten lassen. Problematischer wird es, glaube ich, für die dezentralen Shopping-Center. Die lebten bislang von der Bündelung der Einkaufsmöglichkeiten. Das kann das Internet besser.
Viele Gemeinden versuchen immer wieder mit lokalen Shopping-Portalen zu punkten. Ist das eine Erfolg versprechende Strategie?
Das kann schon spannend sein, wenn man die Bedürfnisse der Kunden richtig versteht. Aber wir sehen heute sehr viele unterschiedliche Modelle. Ich denke, dass solche Ansätze dann überleben, wenn sie in der Lage sind, den Kunden ein Kauferlebnis zu vermitteln, dass es online so nicht gibt. Wenn sich spannende, kleine Läden gemeinsam präsentieren und dem Kunden zeigen, dass er auf engem Raum viel Individuelles, Besonderes findet, dann kann das funktionieren.
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