Organisch ins Shopping-Glück? 

Bei Instagram und anderen Plattformen wird es immer schwerer, mit organischen Inhalten Conversion-Erfolge zu erzielen. Doch es gibt noch Beispiele, wie man über Social Media ohne Ads erfolgreich sein kann. 
Social shopping: Shopping Pinterest
Mit dem Feature „Ideas for you“ clustert Pinterest Produkte zu bestimmten Suchbegriffen. (© Pinterest)

Viele Marken haben sich ihre Bekanntheit über Social Media aufgebaut. Das ist eine Binsenweisheit. Umso erstaunlicher, dass viele von uns angefragte Unternehmen sich zu ihren aktuellen Social-Strategien nicht äußern wollen. Schaut man genauer hin, sind vor allem die organischen Reichweiten und, ganz konkret, die Conversions ein Problem: Ohne Influencer*innen oder klassische Social Ads wird es immer schwerer Reichweite zu generieren, die dann zu Verkäufen führt. Schaut man in die öffentlich einsehbaren Werbebibliotheken bei Meta zeigt sich: Die wenigsten Marken kommen ohne Anzeigen aus, große Marken haben im Gegenteil oft unzählige verschiedene Ads im Portfolio.  

Der Fokus von Instagram liegt gleichzeitig nicht zentral auf Shopping: Der separate Shopping-Tab wurde beim Netzwerk schon vor einiger Zeit wieder abgeschaltet. Wohl, weil Nutzende nicht zentral für das Shopping-Erlebnis in dem Netzwerk unterwegs sind; Shopping ist vielmehr ein Bedürfnis unter vielen, das im Feed befriedigt werden soll.  

Pinterest: Lean Forward zur Conversion 

Wie komme ich als Marke zu Conversions, am besten ohne große Ad Spendings? Entscheidendes Tool dafür sind vor allem die richtigen Kanäle. Sehr gut funktioniert beispielsweise Pinterest, wie deren deutscher Managing Director Martin Bardeleben erklärt. 55 Prozent der Nutzer*innen kommen zum Shopping zu Pinterest – ganz oft in Lean-Forward-Haltung. Sie suchen also aktiv nach Produkten und Pinterest gelingt es dabei sehr gut, vergleichbare Produkte darzustellen und den Step zum Kauf möglichst kurz zu halten: „Viele Händler und Marken haben ihre gesamten Kataloge bei uns gelistet”, erklärt Bardeleben. Man sehe viele Marken, die mit einer organischen Strategie sehr erfolgreich seien. 

Gerade die aktive Suche der Nutzenden sieht Bardeleben als bedeutend an: „Das unterscheidet uns ganz stark von anderen Plattformen. Dadurch wird die User Journey viel explorativer als bei klassischen E-Commerce-Anbietern. 96 Prozent der Suchen sind unbranded.” Menschen seien also im Entdeckungsmodus und nicht auf eine konkrete Marke festgelegt. Gerade für unbekanntere Marken bietet das eine Chance. Auch Produkt-Launches funktionieren laut Bardeleben besser als auf anderen Plattformen. 

Dass Pinterest im Vergleich zu den riesigen Playern zu klein sei, dem widerspricht Bardeleben: „Auf Pinterest lässt sich durchaus relevante Reichweite erzielen. Die Zahlen von Nielsen zeigen 19 Millionen Unique Visitors pro Monat. Das sind mehr als 35 Prozent der deutschen Internetnutzenden.” Pinterest sei somit für fast alle Branchen relevant. Für komplexe B2B-Themen dürfte Pinterest allerdings nicht der optimale Ort sein. 

Viele Händler, darunter etwa Ikea, haben ihr gesamtes oder den Großteil ihres Sortiments bei Pinterest gelistet. (© Screenshot Pinterest)

Live-Shopping: Drei Millionen Umsatz ohne Werbung 

Dass die Zukunft des Social Shoppings dennoch ganz anders aussehen wird, meint Alexander Lischke, der Gründer von Bellbyrd: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Social Commerce den E-Commerce ablösen wird.” Damit meint Lischke konkret: Live-Shopping, also digitale Shopping-Shows. Lischke sieht dabei große Vorteile gegenüber den klassischen E-Commerce-Shops wie denen von Zalando: „Ich sehe den Content direkt in meinem Feed und ich erlebe das Produkt viel unmittelbarer.” 

Und dazu braucht es nicht zwangsläufig Ads: „Wir haben im vergangenen Jahr mit einer Marke aus dem Mittelstand drei Millionen Euro Umsatz im Live-Shopping gemacht – alles über native Ausspielung. Da wurden also null Euro für Ads ausgegeben,” erklärt Lischke, dessen Unternehmen nach eigenen Angaben auch schon für Marken wie Mac und Yves Saint Laurent gearbeitet hat. 

In Europa sei das Thema Live-Shopping noch ein Wachstumsmarkt, während es in Asien und Amerika längst explodiert sei. Doch Wachstum sei möglich, auch auf unerwartetem Terrain: “Wir sehen große Potenziale und das interessanterweise auch auf Facebook. Wir haben zuletzt eine Show mitbetreut, die auf 120.000 interaktive Kommentare kam.” Wer ein Thema konstant bespielt, kommt damit laut Lischke konstant auf fünfstellige Views und vierstellige Kommentarzahlen. 

Entscheidend sei dabei vor allem die Frage, auf welchen Kanälen man sich bewegt. Gerade für jüngere Marken sind die Potenziale auf Facebook nicht so hoch. Für die könnte wiederum Twitch interessanter sein. „Am besten funktioniert das Social Shopping tatsächlich über die eigene Website, weil wir da die Macht über die Technologie haben”, so Lischke. „Ich kann problemlos Produkte direkt am Stream zum Warenkorb hinzufügen.” Natürlich sind mithilfe von Social Media deutlich höhere Reichweiten möglich. 

Kein Tele-Shopping 2.0 

Wie oben bereits erwähnt, hat der Meta-Konzern seine spezifischen Shopping-Funktionalitäten vor einiger Zeit eingestellt. Es gäbe aber andere Lösungen, erklärt Lischke: „Bei Facebook oder Instagram ermöglicht ein Plugin es beispielsweise, dass die Nutzer*innen Braunerpulli1 als Kommentar schreiben und dann landet ihr Pulli direkt im Warenkorb.” 

Mit Tele-Shopping will Lischke das Live-Shopping aber nicht verglichen sehen: „Ich kann mit den Menschen interagieren und direkt auf ihre Fragen reagieren. Die Nutzenden sind Teil der Show. Wir sind Entertainment, bringen Spielchen ein, manchmal sind auch Prominente wie Álvaro Soler in solchen Shows. Deswegen ist Live-Shopping auf keinen Fall Tele-Shopping 2.0.” 

Wichtiger als Prominente oder Influencer*innen sei Konstanz: Mindestens wöchentliche Shows über eine längere Zeit, dazu möglichst gleichbleibende Gesichter. Am Thema dranzubleiben lohne sich, wie Lischke erklärt: „Wir schaffen in den Livestreams bis zu 90 Prozent Engagement Rate. Fast jede*r macht also mit! Und gleichzeitig liegt die Conversion Rate im Schnitt bei 33 Prozent. Im Vergleich zum normalen Social-Bereich ist das eine Verzehnfachung.” Dazu kommt: Die Leute verstehen die Produkte besser, dadurch sinke die Retouren-Quote deutlich. 

Wenn Lischke damit recht hat, dann dürfte er mit seiner Prognose über den anstehenden Boom des Live-Shoppings recht behalten. Und er beweist damit: Rein organische Erfolge sind durchaus möglich. Natürlich wird die Zahl der Conversions mit Ad Spendings immer steigen. Aber auch ohne Ads und Influencer*innen lässt sich mit den richtigen Mitteln durchaus relevante Reichweite erzielen. 

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.