Nur jeder fünfte große Online-Shop ist barrierefrei

Nur ein Fünftel der meistbesuchten Webshops in Deutschland ist in Teilen barrierefrei. Das ist das Ergebnis des zweiten Testberichts, den die Aktion Mensch und Google am Dienstag in Berlin vorstellten.
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Die Tastaturbedienbarkeit ist beim Thema Barrierefreiheit essenziell. (© Unsplash)

Die digitale Infrastruktur für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung ist noch immer mangelhaft. Das zeigt ein Testbericht der Aktion Mensch in Zusammenarbeit mit Google und der Stiftung Pfennigparade. Am Dienstag wurde in Berlin der zweite Testbericht zur digitalen Barrierefreiheit von Online-Shops in Deutschland vorgestellt. Die von Aktion Mensch und Google durchgeführte Untersuchung zeigt gravierende Defizite auf.

Nur ein Fünftel der 71 meistbesuchten Webshops ist in Teilen barrierefrei. Für Unternehmen bedeutet dies, dass dringend Handlungsbedarf besteht, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, die ab dem 28. Juni 2025 in Kraft treten.

Im Vergleich zum ersten Test im Juni 2023 zeigt sich keine Verbesserung. Damals erfüllte ebenfalls nur ein Viertel der getesteten Shopping-Portale das Basiskriterium der Tastaturbedienbarkeit. Für die etwa 7,8 Millionen Menschen mit Behinderungen in Deutschland bedeutet dies, dass sie weiterhin auf erhebliche Hürden beim Online-Shopping stoßen.

Online-Shops bergen viele Stolpersteine

Die Ergebnisse des Testberichts basieren auf Tests, die geschulte Personen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen durchführten und die die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) fachlich begleitete. So stellt die Tastaturbedienbarkeit für viele Menschen mit Behinderungen eine essenzielle Voraussetzung, um digitale Angebote nutzen zu können. Fehlende Kontraste beeinträchtigen die Lesbarkeit von Texten und das Erkennen wichtiger Symbole. Zudem führen unlogische Tab-Reihenfolgen oft dazu, dass Nutzer mit Behinderungen Schwierigkeiten haben, durch die Webseiten zu navigieren und Produkte auszuwählen.

Ein weiteres Hindernis sind eingeblendete Inhalte wie Banner oder Cookie-Overlays, die den Hauptinhalt der Webseite verdecken und schwer zu schließen sind. Der Testbericht zeigt auch, dass die meisten der getesteten Webseiten keinen sichtbaren Tastaturfokus bieten. Dies erschwert es Nutzenden mit eingeschränktem Sehvermögen zu erkennen, welches Element sie gerade ausgewählt haben.

„Das ist betriebswirtschaftlicher Unfug“

Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, hob die Wichtigkeit von Barrierefreiheit hervor. „Barrierefreiheit ist das Betriebssystem für die Demokratie.“ Nicht nur deshalb müssten Unternehmen für Barrierefreiheit auf ihren Plattformen sorgen. „Es für mich wichtig zu sagen, dass Unternehmen unprofessionell sind, wenn sie Homepages haben, die nicht barrierefrei sind.“

Unternehmen, die bereits jetzt in die Barrierefreiheit ihrer digitalen Angebote investieren, werden nicht nur rechtlichen Anforderungen gerecht, sondern sichern sich auch Wettbewerbsvorteile und verbessern die Kundenzufriedenheit. Die Zeit bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen im Juni 2025 sollte genutzt werden, um die notwendigen Anpassungen umzusetzen und somit die digitale Teilhabe für alle Menschen zu gewährleisten. „Unternehmen geben viel Geld aus, um neue Käuferschichten zu erreichen. Wenn Online-Shops nicht barrierefrei sind, dann ist das betriebswirtschaftlicher Unfug“, so Dusel.

Ab dem 28. Juni 2025 müssen Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anbieten. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der EU-Richtlinie zur digitalen Barrierefreiheit (European Accessibility Act – EAA), die in Deutschland durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt wird. Unternehmen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, riskieren Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro.

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.