Für die deutschen Autobauer könnte diese Entwicklung trotz aller heutigen Gewinne morgen zum Problem werden, denn nach dem Jahr 2021 fordert die EU-Kommission in ihrer Regulierung deutlich CO2-ärmere Neuwagen.
Bereits im Jahre 2009 hatte sich die Europäische Union verpflichtet, die Treibhausgasemissionen in der EU bis zum Jahre 2020 um 20 Prozent gegenüber dem Stand des Jahres 1990 zu reduzieren. Ein wichtiges Teil des Programms ist die Verringerung der CO2-Emissionen aus dem Pkw-Verkehr, der im Jahre 2012 etwa 12 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in der EU verursachte.
Stärkeres Süd-Europa hat die CO2-Emissionen verbessert
Durch diese Verordnung wurde eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen bei Neuwagen erreicht. So lag im Jahr 2014 die CO2-Emission des in der EU-verkauften Neuwagen bei 123,4 Gramm CO2/Kilometer. Der Zielwert wurde damit deutlich vor dem Jahr 2015 unterschritten. Dagegen erreichten die im Jahr 2014 in Deutschland zugelassenen Neuwagen lediglich einen CO2-Ausstoß von 132,8 CO2/Kilometer. Die deutliche Verbesserung in Europa ist überwiegend auf die mittlerweile wieder verkaufsstärkeren Südländer zurückzuführen. Dort werden überwiegend kleinere Fahrzeuge gekauft, während in Deutschland der SUV-Trend und billigerer Treibstoff die Verbesserungen bremst. Die EU-Regulierungsmaßnahme hat die gesetzten Ziele deutlich vor dem gesetzten Zieldatum 2015 erreicht. Getrübt wird diese positive Bilanz allerdings durch zwei Faktoren. Einerseits spiegelt die Messmethode für CO2-Emissionen nach dem sogenannten NEFZ (Neuer europäischer Fahrzyklus) nicht den realistischen Alltag-CO2- Verbrauch wieder, sondern misst „zu optimistisch“. Mit einem neuen Messverfahren, dem WLTP-Test (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure), soll dies zukünftig verbessert werden. Die Verhandlungen zur Umsetzung des WLTP sind EU-weit noch nicht endgültig abgeschlossen. Erwartet wird, dass bis zum Jahr 2017 mit der Einführung des neuen Messverfahrens gerechnet werden kann. Der zweite Faktor, der die schöne Bilanz trübt, ist die Entwicklung der sogenannten alternativen Antriebe. Die EU-Regulierung konnte nicht dazu beitragen, dass sich der Anteil dieser alternativen Antriebe verbesserte. So wurden in den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 als auch im Jahr 2014 mehr als 98 Prozent aller Pkw-Neuwagen in Deutschland entweder als reine Benziner (50% Marktanteil) oder Diesel (48% Marktanteil) zugelassen.
Niedrige Treibstoffpreise wirken kontraproduktiv auf Klimaziele
Im Mai 2014 betrug der durchschnittliche Preis pro Liter Dieselkraftstoff an deutschen Tankstellen 1,25 Euro. Dies entspricht etwa dem Preis des Jahres 2010. Deflationiert man die Dieselpreise mit dem Verbraucherpreisindex für Deutschland, ergibt sich für den Mai 2014 ein deflationierter Dieselkraftstoffpreis von 100,2 Euro pro Liter. Dies liegt leicht unter dem Preis des Kraftstoffes des Jahres 2006. Mit anderen Worten, Dieselkraftstoffe kosten „deflationiert“ im Jahre 2015 genauso viel wie zehn Jahre zuvor. Für Autofahrer ist das „Preis-Paradies“, das deutliche Wirkung auf das Nachfrageverhalten nach Neuwagen zeigt. Ausgelöst durch die niedrigen Treibstoffpreise hat sich das Nachfrageverhalten der Neuwagenkäufer zugunsten klimafreundlicherer Fahrzeuge geändert. Der Trend zu den sportlichen Geländewagen (SUV) wird deutlich verstärkt, während alternative Antriebe „verkümmern“. Vier Einzelergebnisse lassen sich zusammenfassen.
Erstens: Neuwagenkäufer lassen die Hybride-, Plug-In Hybride und Elektroautos der Autobauer links liegen. Pro Modell haben die deutschen Autobauer im Jahr 2014 monatlich nur 14 Fahrzeuge an „echte“ Endkunden – also ohne Eigenzulassungen – verkauft. Zur Einschätzung dieser Zahl mag der Vergleich mit den Verkäufen des VWs Golf in der Diesel-Version in Deutschland hilfreich sein. Vom Golf Diesel wurden im Jahr 2014 monatlich 6.028 Fahrzeuge verkauft. Dabei sind Eigenzulassungen des Herstellers und der Händler nicht berücksichtigt.
Zweitens: Mit billigem Treibstoff steigt der Wunsch nach höhere PS-Leistung der Neuwagen. Mittlerweile beträgt die Motorstärke des Durchschnitts-Neuwagen in Deutschland 143 PS.
Drittens: Durch billigen Treibstoff setzt sich der Boom der SUV in einem bisher nicht gekannten Maße fort. In diesem Jahr wird nach unserer Prognose erstmals die Zulassungsgrenze von 600.000 SUV erreicht werden. Damit wäre fast jeder fünfte Neuwagen ein sportlicher Geländewagen.
Viertens: Das zögerliche Verhalten, Elektrofahrzeuge und oder Plug-In Hybrid-Fahrzeuge zu kaufen, wird verstärkt. Bei Preisen konventioneller Kraftstoffe, die auf dem Niveau des Jahres 2005 liegen, verkümmert jeder Anreiz, lokal emissionslose Fahrzeuge zu kaufen. Für die deutschen Autobauer ist dieser Trend nicht ohne Risiko, denn ab dem Jahr 2022 brauchen die deutschen Hersteller, die größerer Fahrzeuge verkaufen, die Plug-In Hybride zur Erfüllung der von der EU-Kommission gesetzten CO2-Vorgaben (vgl. Abb. 1).
Ergebnis 1: Hybrid- und Elektro-Modelloffensive der Deutschen ohne Wirkung
Am ernüchternsten fällt die Bilanz der Neuwagenverkäufe bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen der deutschen Autobauer aus. Von den Fahrzeugen der Marken Audi, BMW, Ford, Mercedes, Opel, Porsche und VW wurden im Jahre 2014 insgesamt 1,879 Millionen PKW in Deutschland neu zugelassen. Darunter waren 8.463 Fahrzeuge mit Hybrid-, Plug-in Hybrid- oder reinem Elektroantrieb. Ein Teil der Fahrzeuge lassen die Hersteller auf sich selbst zu – also etwa Testwagen oder Fahrzeuge für Mitarbeiter – oder es sind Zulassungen von den Händlerbetrieben. Zieht man diese sogenannten Eigenzulassungen ab, verbleiben 4.814 Zulassungen auf Privatkunden oder Unternehmen, also „echte“ Neuwagen- Verkäufe.
Deutsche Autobauer verkaufen pro Modell monatlich nur 14 Pkw mit Hybrid-, Plug-In Hybrid- oder Elektroantrieb an Endkunden Preisgünstiger Treibstoff macht Hybrid, Plug-In Hybrid und Elektroautos für Autokäufer zu Ladenhütern. Der Dieselantrieb hatte bei den deutschen Autobauern im Jahr 2014 einen Anteil von 55%, sprich 1,033 Millionen Diesel Pkw standen 8.463 Hybrid-, Plug-in, Hybrid und Elektro-Fahrzeugzulassungen gegenüber. Einige Beispiele von Verkäufen an Plug-In Hybriden illustrieren die Lage. So hat VW vom Modell Golf GTE – die Plug-In Version- seit der Einführung 2014 bis Ende Februar 2015 in Deutschland knapp 900 Fahrzeuge in die Zulassung gebracht. Mehr als 800 Fahrzeuge davon – also 91 % waren Eigenzulassungen. Beim E-Golf, also der rein Batterie angetriebenen Golf-Version, wurden von 2014 bis Ende Februar 2015 etwas mehr als 1.200 Fahrzeuge neu zugelassen, davon 62% Eigenzulassungen. Nicht viel besser ist die Bilanz des Audi A3 Plug-In Hybrids. Seit der Einführung im Jahre 2014 bis Ende Februar 2015 wurden von dem Fahrzeugmodell in Deutschland 675 Fahrzeuge zugelassen, davon waren 571 Eigenzulassungen, also 85%. Es sind also nicht „echte“ Kunden-Nachfragen, welche die Steigerungsraten bei den Neuzulassungszahlen bei Plug-In Modellen generieren.
Nicht viel besser sieht es bei dem ersten Modell der Plug-In Technik, dem Opel Ampera, aus. Vom Opel Ampera wurden in den letzten 14 Monaten – also bis Ende Februar 2015 – gerade 119 Fahrzeuge zugelassen, davon 64% Eigenzulassungen. Und auch bei Porsche wachsen die Plug-In Träume nicht in den Himmel. Seit Anfang 2014 bis Ende Februar 2015 wurden 201 Panamera Plug-In Hybrid zugelassen, davon 65% Eigenzulassungen.
Ergebnis 2: PS-Zahlen steigen weiter
Seit 1995 bewegen sich die PS-Zahlen der Neuwagen in Deutschland mit Ausnahme eines Jahres 2009 nach oben. Im Jahr 2009 galt die sogenannte Abwrackprämie, die einen Boom nach Kleinwagen auslöste. Während im Jahr 2012 mit 137 PS und im Jahr 2013 mit 137 PS die PS-Zahlen stagnierten, haben die Neuwagen im Jahr 2014 mit 140 PS und in den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 mit 143 PS sich deutlich nach oben bewegt. „Gerundet“ steigen die PS-Zahlen um jeweils 3 PS von 2013 auf 2014 und 2014 auf 2015. Dies ist nach dem „Aufholprozess“ nach 2009 bis 2012 eine deutliche Steigerung. Es scheint, als treibt der preisgünstige Treibstoff die Nachfrage nach Neuwagen mit höherer Motorleistung.
Ergebnis 3: Verstärkter Boom der sportliche Geländewagen SUV
Mittlerweile sind 18,8% aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw sportliche Geländewagen. Im letzten Jahr kamen knapp 550.000 SUV neu auf Deutschlands Straßen. In diesem Jahr bewegt sich die Zahl der SUV-Neuwagenzulassungen in Richtung 600.000. Zwar werden vermehrt die sogenannten Kompakt-SUV verkauft, aber es gilt der Zusammenhang, dass der SUV aufgrund seiner Größe mehr Treibstoff verbraucht als die vergleichbare Limousine oder der vergleichbare Stufenheck. Der zusätzliche Treibstoffverbrauch einer SUV-Variante gegenüber etwa der vergleichbaren Stufenheckvariante liegt in der Größenordnung von 25 Prozent. Da das SUV-Segment in Deutschland boomt und die SUV derzeit im Schnitt mit 27PS höher motorisiert sind als der „Durchschnitt-Neuwagen“, steigen mit den wachsenden SUV-Zulassungen auch die PS-Zahlen.
Ergebnis 4: Alle alternativen Antriebe „verkümmern“
Das Bild der alternativen Antriebe im Automarkt ist mehr als ernüchternd. Klammert man Toyota und Lexus sowie die Zulassungen der Autobauer auf sich selbst aus, dann wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres in Deutschland 1,1% aller Neuwagen als alternative Antriebe – sprich nicht Diesel und Benzin – neu zugelassen. Pkw-Neuwagen mit Gasantrieb – also Flüssiggas (LPG) und Erdgas (CNG) – machen 0,4% der Neuwagen-Zulassungen in Deutschland aus. Der Trend ist rückl.ufig, obwohl neue Modelle, wie etwa bei VW der Passat oder Golf angeboten werden – freilich zu hohen Preisen.
2014 wurden pro Monat 10 Fahrzeuge pro Gasantrieb-Modell zugelassen
So wurden im Jahr 2014 im deutschen Automarkt 125 unterschiedliche Modelle an Erdgas- und Flüssiggas-Fahrzeugen angeboten. Insgesamt kamen 14.446 Fahrzeuge mit Gasantrieb, überwiegend Bi-Fuel, neu in den Markt. Monatlich haben die Autobauer im Jahr 2014 damit pro Modell lediglich 10 Fahrzeuge verkauft. Es wird deutlich, dass auch diese Verkaufsbilanz enttäuschend und nicht tragbar defizitär ausfällt. Nicht viel besser sieht es mit Hybriden und Elektroautos aus. Mittlerweile sind 59 unterschiedliche Fahrzeugmodelle (Hybrid-, PLUG-In Hybride, Elektro) von allen Automarken in Deutschland im Angebot. So hoch war die Angebotsvielfalt in diesem Segment noch nie. Im Jahr 2014 wurden pro Fahrzeug-Modell 281 Fahrzeuge zugelassen trotz der profilierteren Toyota-Modelle. Auch in den nächsten Monaten muss hier mit Stagnation gerechnet werden. Billiger Dieseltreibstoff erschwert deutlich die Markteinführung der sogenannten Plug-In Hybriden.
Fazit: Niedrige Treibstoffpreise belasten den Umstieg in nachhaltige Mobilität
Billiger Treibstoff läßt den Automarkt in alte Muster zurückfallen. Alternative Antriebe verkümmern, Fahrzeuge mit hohen PS-Zahlen und große Autos – sprich SUV- stehen verstärkt auf der Shopping-Liste der Kunden. Für die deutschen Autobauer ist das eine risikoreiche Entwicklung. Bis zum Jahre 2022 müssen sie Plug-In Hybride und Elektroautos in größerem Umfang verkaufen, um die von der EU vorgegebenen CO2-Ziele zu erreichen. Neben den geschilderten Effekten verstärkt der preisgünstige Treibstoff ein der EURegulierung immanentes Wettbewerbsproblem. Konzerne, die in allen Fahrzeugklassen anbieten, wie etwa der VW-Konzern, haben nach dem Jahr 2022 die Möglichkeit, strenger CO2-Auflagen bei den Premiummarken des Konzerns – also etwa Audi oder Porsche – leichter ausgleichen zu können als reine Premiumhersteller wie BMW oder Mercedes. Ein großer leistungsstarker SUV kann dann bei Porsche durch mehrere Skoda-Kleinwagen in seiner CO2-Wirkung für die EU-Regulierung balanciert werden. Bei BMW oder Daimler ist dieser Ausgleich weniger möglich. Daher wird man gezwungen zu sein, einen höheren Anteil an kostentreibenden Plug-In Hybrid- Fahrzeugen zu vermarken. Dies wirkt sich direkt auf die Gewinn-Vergleichssituation der Gruppen aus. Pooling-Möglichkeiten oder der Zukauf etwa von CO2- Einsparungen von anderen Konzernen wird eher eine theoretische Möglichkeit darstellen. Der preisgünstige Treibstoff hat damit erhebliche Konsequenzen auf die nachhaltige Mobilität und den Wettbewerb im Automarkt. So schön der niedrige Benzin- und Dieselpreis für die Autofahrer auch ist, so schlecht ist für die Entwicklung zu einer nachhaltigeren Mobilität. Der Autokäufer fällt mit billigem Benzin und Diesel in alte Verhaltensmuster zurück.