Mutti Tomaten: Der stille Nachhaltigkeits-Held

Der italienische Tomatenriese Mutti achtet seit der Gründung im Jahr 1899 auf Nachhaltigkeit. Dennoch ist Klimaschutz in der Kommunikation des Unternehmens nicht das Thema Nummer eins. Was steckt dahinter?
Mutti Tomaten
Über 700.000 Tonnen Tomaten verarbeitet Mutti jedes Jahr. (© Mutti Pomodoro)

Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte – in diesem Fall die Tomaten. Denn während Frankreich und Spanien noch darüber debattieren, wer die besseren Tomaten anbaut (Frankreichs frühere Umweltministerin Ségolène Royal hatte im Februar spanische Tomaten pauschal als „ungenießbar“ bezeichnet – öffentlich im Fernsehen), freuen sich auf Italiens Feldern schmackhafte Pomodori auf die nächste Ernte. Im Norden reifen saftige Datteltomaten heran, im Süden aromatisch-zarte San Marzano, in Apulien süße Cherrytomaten und in Parma wächst die fruchtige Sorte Rotondo di Parma.  

Etwa 700.000 Tonnen der roten Ernte landen jährlich in den Dosen, Gläsern und Tuben von Mutti, dem Tomatenspezialisten aus Montechiarugolo bei Parma. In dem Familienunternehmen dreht sich seit Ende des 19. Jahrhunderts wirklich alles um das gesunde Fruchtgemüse. Seit einigen Jahren möchte Mutti auch in Deutschland bekannter werden. Das Besondere: Während andere ihr Marketing mit vollmundigen Nachhaltigkeitsversprechen ankurbeln, Greenwashing verboten wird und ein Siegel das nächste jagt, setzt Familie Mutti schon seit der Gründung vor etwa 125 Jahren auf den Schutz von Ressourcen und Umwelt. Im Unternehmen sieht man das als so selbstverständlich an, dass es nicht an die große Glocke gehängt wird.  

Der Fokus ist ein anderer: die Tomate selbst. „Wir kommunizieren keine Versprechungen, sondern handeln erst und kommunizieren dann das, was wir getan haben“, erklärt Zsuzsa Gosztola. Gosztola ist Marketingmanagerin für Nord-, Mittel- und Osteuropa bei Mutti. Für sie ist Nachhaltigkeit kein Marketingthema, sondern „vielmehr ein konsequentes Engagement, das sich in unserer täglichen Arbeit widerspiegelt“.  

Familie Mutti betreibt Wechselwirtschaft seit 1850 

Lange vor der Gründung des Unternehmens im Jahr 1899 setzte Giovanni Mutti bereits um 1850 auf Wechselwirtschaft, um den Einsatz von chemischen Düngemitteln so gering wie möglich zu halten. Alle Entscheidungen und Aktivitäten des Unternehmens seien von Nachhaltigkeit geprägt. 1999 sei man der erste gewesen, der die Produkte als “Certified Integrated Production”, also eine Produktion, die sich an Kriterien des Umweltschutzes orientiert, auszeichnete. Seit 2010 arbeitet Mutti mit dem WWF Italien zusammen, um den Wasserverbrauch zu verringern. Seit 2016 ist die gesamte Kette vom Anbau der zu 100 Prozent aus Italien stammenden Tomaten bis zur Verarbeitung mit der Norm „ISO 22005“ für die Rückverfolgung von Lebensmitteln zertifiziert. Dazu kommen Investitionen in Technologie, Bildung und die technische Unterstützung von Landwirten und landwirtschaftlichen Organisationen, nachhaltige Anbaumethoden und Produktion.  

Etwa 80 Prozent des in der Produktion verbrauchten Wassers werden wiederverwendet, der Strom kommt aus durch die italienische Sonne bestens gefütterten Solarzellen. Aussortierte Tomaten werden zu Tierfutter – „so geht keine Tomate verloren“, freut sich Gosztola. Seit 2000 verleiht das Unternehmen jedes Jahr den „Pomodorino d’Oro“-Award, die „goldene Tomate“ für Landwirte. Der Preis steht für verantwortungsbewusste Entscheidungen und entsprechendes Handeln, schreibt Mutti auf der Webseite. Die Entscheidungen beträfen jedes Glied der Lieferkette. Sie zielten darauf ab, die besonderen Qualitäten der einzelnen Regionen zur Geltung zu bringen und zugleich das Land und die Menschen vor Ort zu achten. 2022 konnten sich Luca Zavaroni und etwa 60 weitere Landwirte über die Auszeichnung freuen. Einige von ihnen gewinnen den begehrten Award immer wieder.   

Grande Amore zwischen dem Chef und den Tomaten 

Tomaten sind Leidenschaft – und darum geht es auch im TV-Spot des Unternehmens. Francesco Mutti, seit 1994 an der Spitze der Firma, hat nämlich eine besondere Beziehung zu Tomaten: „Keiner liebt Tomaten so sehr wie ich!“, sagt er stolz im Werbespot. Es geht darin um Geschmack, um Pomodori und Amore – und weniger ums Klima. „Wir möchten die Verbraucher für Tomaten begeistern, ihnen zeigen, was für vielseitige und nahrhafte Früchte sie sind und wie sie für Geschmack, Leichtigkeit und Spaß beim Kochen sorgen“, erklärt die Marketingmanagerin ihre Strategie im deutschen Markt. TV, digitale Touchpoints, Social Media, Influencer und Maßnahmen am Point-of-Sale helfen dabei. Von 2017 bis 2023 hat Mutti nach eigenen Angaben in der Kategorie der Tomatenprodukte am meisten in Werbung investiert und seine Bruttoausgaben um das Fünffache erhöht. 2023 lagen die Bruttoinvestitionen bei einem zweistelligen Millionen-Euro-Budget.  

Als zentrale Werte in der Kommunikation nach außen bezeichnet die Marketingmanagerin: Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Zuverlässigkeit. Nachhaltigkeit sei intrinsisch im Wertesystem verankert. Angaben wie „CO2-neutral“, „grün“ und „umweltfreundlich“ findet man bei Mutti zwar wichtig, aber nur, „wenn sie durch konkrete Maßnahmen gestützt werden und die Verbraucher nicht in die Irre führen“. Man bevorzuge die Kommunikation des eigenen Engagements durch konkrete Initiativen. Zsuzsa Gosztola bringt es auf den Punkt: „Wir glauben, dass Taten lauter sprechen als Worte.“ Taten – und natürlich: Tomaten. 

(jag, Jahrgang 1980) ist freie Autorin und in der Marketingwelt zuhause. Seit ihrem Studium begeistert sie das Thema, denn es steht einfach nie still! Was heute ein Trend ist, kann übermorgen Standard sein – oder wieder weg vom Fenster. Als waschechte Münchnerin ist sie ihrer Heimat natürlich (mit Ausnahmen in Frankreich und Regensburg) treu geblieben: #schönstestadtderwelt!