Von Frank Roselieb
Die Lufthansa ist mit einem gewaltigen Reputationspolster in die Krise hineingegangen. Auch, weil sie ihre Premium-Marke in den vergangenen Jahren sehr konsequent auch auf ihre Low-Cost-Tochter Germanwings übertragen hat. Wer beispielsweise in eine Germanwings-Maschine steigt, wird neben der Tür mit „Germanwings – Lufthansa Group“ begrüßt. Das Statement schafft Vertrauen. Auch daher kam nach dem Absturz der Verdacht, hier sei Billig-Technik mit Billig-Piloten im Einsatz, in den allermeisten Medien gar nicht erst auf.
Lufthansa mit Glaubwürdigkeitszuschuss
Lufthansa hat diesen Glaubwürdigkeitsvorschuss auch in der Krisenkommunikation und beim Krisenmanagement konsequent erfüllt: Zum einen hat das Unternehmen nach dem Absturz sehr zeitnah und präzise informiert, sich konsequent von Spekulationen distanziert und auch Informationen von sich aus preisgegeben, die im Zweifel selbstbelastend sein können – beispielsweise zur Auszeit des Co-Piloten während der Ausbildung. Zum anderen folgten den Worten von Lufthansa-Vorstand Carsten Spohr und Germanwings-Chef Thomas Winkelmann auch konsequente Taten – beispielsweise die Absage der 60-Jahr-Feier der Lufthansa. Die Marke wird also auch für einige Zeit ganz bewusst „low profile“ gehalten. So soll es sein. Es gibt Unternehmen, die solche Kollateralschäden an der Marke langfristig ohne größere Blessuren überstehen: etwa Toyota. Der Autohersteller stand lange für nahezu pannenfreie Autos. Dieses Bild wurde 2010 durch den Rückruf mehrerer Millionen Fahrzeuge in Nordamerika massiv erschüttert. Doch der Vertrauensverlust war nur von kurzer Dauer, im US-Brandindex hat Toyota schnell wieder zugelegt.
#indeepsorrow: Kleine Gesten, statt große Worte
Von der Krisenkommunikation der Lufthansa können andere Markenartikler im Kern drei Dinge lernen:
Erstens lebt gute Krisenkommunikation bei Premiummarken entscheidend von der Macht der Bilder. Gerade in frühen Phasen einer Krise liegen selten verlässliche Informationen vor, so dass sich jedes Wort zuviel im Nachgang auch als falsch erweisen kann. Kleine Gesten bewirken daher viel mehr als große Worte. So haben Lufthansa und Germanwings nach dem Absturz zügig die Firmenlogos in den Graumodus gesetzt und mit dem Hashtag #indeepsorrow in nur einem Wort eigentlich alles zum Krisenfall gesagt.
Zweitens hat die Lufthansa mit Carsten Spohr einen perfekten Markenbotschafter platziert – Pilot, Ingenieur, zwanzig Jahre im Unternehmen, knapp 50 Lebensjahre alt und mit ersten grauen Schläfen. Mehr Glaubwürdigkeit in Krisenzeiten geht kaum. Auch die Co-Präsenz des eher spröde wirkenden Germanwings-Chef Thomas Winkelmann zeigt, dass die Entscheidung, auf das Alphatier Spohr zu setzen, richtig war.
Und drittens hat die Lufthansa, die in Krisenzeiten stets knappen Ressourcen exakt bei der richtigen Zielgruppe platziert – nämlich bei den Angehörigen. Sofort wurden Care-Teams an die beiden Flughäfen und den Unglücksort entsandt, kostenlose Trauerflüge für Verwandte und Freunde der Absturzopfer angeboten – ohne Wenn und Aber – zügig finanzielle Hilfe gewährt. Die Angehörigen wurden damit unfreiwillig selbst zu Markenbotschaftern, die noch in Jahren von der guten Betreuung bei diesem tragische Ereignis berichten werden.
Mehr zu dem Thema, wie Experten das Verhalten von Lufthansa und Germanwings nach dem Flugzeugabsturz einordnen, und welche Konsequenzen die Katastrophe für ihre Marken hat, erfahren sie in der neuen Ausgabe der absatzwirtschaft 05/2015 mit dem Titel: „Die Katastrophe als Grenzerfahrung am Fall Germanwings: Fünf Experten über Krisenmanagement zwischen Schock und Strategie“