Galten Google, Apple oder Facebook in früheren Digitalisierungsprozessen als King, so erscheint der in Seattle beheimatete Webkonzern Amazon für Filialketten und Discounter wie King Kong – ein übermächtiger Angreifer, der den Markt nachhaltig verändern und erobern könnte.
Sicherlich wurde der Lieferdienst Amazon Fresh zunächst verkannt und von Einzelhandelprofis eher belächelt. Doch wer seit Längerem verfolgt hat, wie der frühere Buchversender seine Logistik aufgerüstet und perfektioniert hat, der ist kaum überrascht, dass Amazon auch hier Ernst macht. Die ersten Pilotprojekte in Metropolen laufen bereits und liefern neben frischen Lebensmitteln auch ohne Ende Daten. Noch lernt der globale Handelsgigant im Feldversuch, doch es dürfte nicht lange dauern, bis Amazon auch hier einen neuen Standard definiert und Supermärkte wie Tante-Emma-Läden um die Ecke zu bringen droht.
Amazon macht’s möglich
Im Kern revolutioniert der ebenso genialische wie akribische Webkaufhaus-Gründer Jeff Bezos die Beziehung der Branche zum Kunden – der kommt nicht mehr in den Laden, stattdessen kommt der Laden zum Kunden. Dafür braucht es ein überlegenes, auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenes Lieferkonzept und obendrein eine Technologie, die auch kühne Visionen wie den Einsatz von Drohnen in den Bereich des Denkbaren rückt. Der lautlos vom Himmel heranschwebende Einkaufswagen ist keine Utopie mehr, Amazon macht’s möglich. Aus Sicht der Wettbewerber vielleicht schon allzu bald.
Für die Wettbewerber, die den übermächtigen Rivalen lange nicht auf der Rechnung hatten, sind solche Szenarien alarmierend. Ihnen bleibt kaum Zeit, sich auf die neue Shoppingwelt vorzubereiten. Nun scheint die Schockstarre überwunden. Gerade die Marktführer rüsten um und auf. Wie sich eine ganze Branche gegen die neue Konkurrenz stemmt und dabei unter Veränderungszwang bisweilen erstaunlich kreativ agiert, erzählt unsere Titelgeschichte. Wir lernen: Druck von außen ist der wirksamste Antrieb für Innovation.