Herr Rahn, Marken nutzen Social Media weiterhin als Megaphon und nicht als Kanal zur Kundenansprache und -bindung. Welche Tipps können Sie Marken für eine gelungene Kundenansprache und -bindung via Social Media geben?
RAFAEL RAHN: Soziale Medien leben vom Austausch und der Interaktion zwischen Marke und Fans. Das Geheimnis erfolgreicher Social-Media-Arbeit lässt sich auf zwei Themen reduzieren: Strukturen und Content. Zunächst muss ein Unternehmen Strukturen schaffen und Mitarbeiter bzw. externe Experten für die Betreuung der sozialen Kanäle abstellen. Deren Aufgabe ist, die sozialen Kanäle aktiv zu bespielen, die Reaktionen und Kommentare lesen und darauf zeitnah reagieren. Bei einem positiven Post sollte das Unternehmen sich bei dem User bedanken, entweder über ein Emoji und einen kurzen Kommentar. Auf Kritik sollte authentisch, individuell und verantwortlich reagiert werden. Hier lautet die Maxime, einen direkten Kontakt zum Kunden suchen, zum Beispiel über eine Direct Message, und das Problem klären. Ist das Problem gelöst, belohnen das einige Kunden damit, dass sie sich nochmals lobend beispielsweise auf Facebook äußern und sich für die schnelle Reaktion und Hilfe bedanken.
Was sind die größten Fehler, die Marken auf Twitter, Facebook & Co. begehen?
Neben den Strukturen ist der Content wesentlich für einen erfolgreichen Social-Media-Auftritt. Social-Media-User wollen kein Zaungast sein, sie wollen Teil einer Community sein. Laut unserer Analyse nutzt leider der Großteil der Unternehmen die eigenen Social-Media-Kanäle, um über News zu berichten, ohne jedoch auf die Interessen und Erwartungen der Community einzugehen. Das ist einer der Kardinalsfehler bei Social Media. Die oberste Maxime von Social-Media-Content lautet, dass die Inhalte für die Zielgruppe relevant sein müssen und zu einer Reaktion und Mitgestaltung animieren sollen. Relevant heißt, dass die Posts unterhaltsam, interessant, kurios sind oder einen Mehrwert bieten. Bei der Wahl der Formate sollte neben Text ein aussagekräftiges Bild, eine Animation oder ein Video den Nutzer in den Bann ziehen.
Kommen wir mal zu Fakten: 17 Prozent der US-Unternehmen setzen immer noch auf HTTP. Warum ist das negativ zu bewerten, welche Auswirkungen hat HTTP auf die Sicherheit und Suche?
HTTP war lange Zeit das Protokoll, das für alle Websites verwendet wurde. Allerdings weist es erhebliche Sicherheitslücken auf. Deshalb wurde HTTPS als sichere Version seines Vorgängers entwickelt. Die Aktivierung von HTTPS führt dazu, dass die gesamte Kommunikation zwischen einem Browser und einer Website verschlüsselt und damit sicherer ist. Darüber hinaus ist HTTPS ein Ranking-Signal für Google und beeinflusst, wie und wo eine Website über die Suche gefunden wird. Seit Oktober 2017 wurden bei allen Suchanfragen über Google Chrome Sicherheitswarnungen auf Websites ohne HTTPS angezeigt und die entsprechenden Seiten heruntergestuft. Insofern beeinträchtigt das Fehlen von HTTPS die Geschäftsperformance von Unternehmen, denn es verringert die Sicherheit der Website für Besucher und wirkt sich negativ auf das SEO- und Suchranking aus.
Schema Mark-Ups werden nahezu gar nicht genutzt, obwohl 93 Prozent der Online-Aktivitäten mit einer Online-Suche beginnen. Können Sie kurz erläutern, was Schema Mark-Ups sind und wie sie eingesetzt werden sollten?
Schema Mark-Ups basieren auf einem semantischen Vokabular von Tags, die einer HTML-Website hinzugefügt werden können, um die Lesbarkeit einer Website für Suchmaschinen zu verbessern und dadurch die Darstellung der Seite auf der Search Engine Results Page zu verbessern. Die großen Suchmaschinen arbeiten viel smarter, wenn ihnen Daten strukturiert zugeführt werden. Dies geschieht unter anderem durch die Kategorisierung von Elementen auf einer Website beispielsweise mithilfe von sameAS. Dadurch können leicht andere Websites oder Plattformen identifiziert werden, die das jeweilige Unternehmen ebenfalls repräsentieren. Schema Mark-Ups sorgen auf diese Weise für mehr Tiefenschärfe bei der Websuche. Darüber hinaus wird angenommen, dass sie sich positiv auf das Ranking der Direktsuche auswirken und so zu einer Verbesserung der Sichtbarkeit beitragen.
Der Einsatz von Tag-Management (Schlagwortverwaltung) ist uneinheitlich und deutlich ausbaubar. Wie sieht das Tag-Management im Idealfall aus?
Im Idealfall verwendet ein Unternehmen einen Tag-Manager wie beispielsweise den Adobe Tag Manager, Tealium oder Google Tag Manager. Dieser kann sicherstellen, dass alle Analysen für ein Unternehmen zentral ausgeführt werden. Außerdem ermöglicht die Installation eines Tag-Managers auf einer Website es den Marketingverantwortlichen, Tags einzuführen, um bestimmte Kampagnen oder Aktivitäten zu evaluieren, ohne dass Code direkt auf der Website installiert oder Unterstützung durch einen Webentwickler angefordert werden müssen.
Unternehmen reagieren auf Kundenanfragen nicht in dem Maße, dass es zu einem positiven Kundenerlebnis führt. Können Sie ein paar Beispiele für Reaktionen nennen, die zu einem negativen und positiven Kundenerlebnis führen?
Unsere Analyse zeigt, dass nicht alle Unternehmen ein aktives Community-Management betreiben. Das heißt, auf Anfragen und Kommentare wurde nur selten innerhalb von 24 Stunden reagiert. Wenn ein Kunde oder ein Interessent Kontakt mit einem Unternehmen aufnimmt, erwartet er eine zeitnahe Antwort. Diese sollte nicht länger als einen Werktag dauern. Für unsere Studie haben wir die Unternehmen über Chat, Telefon und über soziale Medien kontaktiert. Insgesamt haben die US-Unternehmen deutlich die Nase vorne. Sie boten mehrere Möglichkeiten an, um mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten. Zudem reagierten sie über sämtliche Kanäle hinweg deutlich schneller als europäische und asiatische Unternehmen. Die positiven Beispiele stammen zumeist von Unternehmen, die einen starken Fokus auf Consumer-Produkte haben. Bei den europäischen Unternehmen fällt auf, dass überwiegend Social Media als Kanal angeboten wird und Chat- oder einer Call-Me-Back-Funktion noch in der Minderheit sind.
Zum Gesprächspartner: Rafael Rahn ist Deutschland-Chef der auf integrierte Kommunikation spezialisierten Kommunikationsagentur LEWIS. Er hat mehr als 20 Jahre Erfahrung als Kommunikationsexperte und beriet u.a. Marken wie o2, Siemens, Amazon oder Audi. Vor seiner Tätigkeit bei LEWIS arbeitete Rahn bei Siemens und Bertelsmann. Neben seiner Tätigkeit bei LEWIS ist Rahn auch Dozent an der DEPAK sowie an der Steinbeis Hochschule.