Herr Professor Dueck, warum fühlen sich Kunden von Unternehmen hintergangen?
GUNTER DUECK: Na, weil bei „Sale“ nicht das drin ist, was drauf steht. Die Flugpreise sind Glücksache, die Markenartikel bekommen nicht die besten Testnoten, und beim Kündigen von Handyverträgen fällt manchen Providern plötzlich ein, alles zum halben Preis weiterliefern zu wollen. Ich habe mal ein Weltspartagangebot bekommen, welches schlechter war als normal… man muss als Kunde jetzt überall aufpassen. Doch das will ich eigentlich nicht.
Verfolgen wir ein falsches Menschen- oder Kundenbild?
Da wir von unserem Job her wissen, dass wir den Kunden übers Ohr hauen, erwarten wir das als Kunde auch, dass wir nicht ernst genommen werden. Und dann werden wir immer geiziger. Nicht weil wir etwa geizig sind, sondern weil wir uns hintergangen fühlen.
Die Unternehmen haben sich sozusagen die geizigen Kunden herangezüchtet?
Genau. Das ist die Akerlof-Spirale. Die Unternehmen bieten weniger und dann wollen natürlich die Kunden weniger bezahlen. Dann müssen die Unternehmen ihren Service nach unten anpassen, weil sie sonst keinen Gewinn mehr machen. Und am Ende kommt etwas heraus, was keiner will – weder die Unternehmen noch die Verbraucher. Auf diese Weise sind sie in ständigem Misstrauen und Kampf.
Aber es wird doch so viel wie nie über Ethik, Transparenz, Vertrauen und Nachhaltigkeit gesprochen und geschrieben …
Ja, wir diskutieren darüber, aber da ist eine große Verlogenheit. Ich kenne das aus vielen Managementveranstaltungen: Mitarbeitern wird auch gerne suggeriert, dass man sich um Probleme kümmert. Wenn ein Mitarbeiter beispielsweise in einem Strategie-Meeting anspricht, dass im eigenen Unternehmen viel über den Kunden gesprochen wird, aber tatsächlich zu wenig für ihn getan wird, ist eine gute Antwort vom Boss dann, die ich wirklich schon genau so erlebt habe: „Das ist ein guter Punkt, den Sie da ansprechen. Das bewegt uns wirklich sehr! Wir haben gerade gestern Nacht noch von drei bis um fünf Uhr genau diesen Punkt diskutiert und wir werden demnächst wirklich echte Aktionen vorschlagen.“ Dann denkt der Mitarbeiter: „Wow, von drei bis fünf Uhr, die machen sich wirklich Gedanken“, und ist beruhigt. Möglicherweise wird dann sogar ein „Chief Irgendwas Officer“ berufen, aber de facto passiert nichts.
Gibt es Unternehmen, die das durchbrechen können?
Häufig sind das Unternehmen, wo es einen Menschen gibt, der dieses Gesamtheitliche selbst verkörpert und ganzheitlich für das Unternehmen denkt. Wie Tom Watson von IBM, einst Steve Jobs bei Apple, Susanne Klatten bei BMW, Marc Zuckerberg bei Facebook oder Götz Werner bei dm. Wenn solche Menschen dann nicht mehr da sind, funktioniert es eher nicht mehr.
Welche Chance haben Unternehmen ohne so einen Firmenchef?
Das Problem ist bekannt: Fokus!! Man muss die ganze Energie des Unternehmens auf die Straße bringen (so formulieren das die da oben), am besten sogar in die richtige Richtung. Denken Sie an den Fußball, da sieht man es deutlich. Und jetzt – in Zeiten des Umbruchs – muss fast jedes Unternehmen die Richtung ändern, vielleicht sogar wechseln. Genau das fällt oft ohne einen echten Willen sehr schwer. Ein charismatischer Chef kann da ein Glücksfall sein – es geht wohl auch anders, aber eben nicht ohne Willen.
Gunter Dueck ist Referent auf dem Marken-Gipfel 2016 am 15. März in Düsseldorf.