Zwischen Big Business und grünem Aktivismus 

Der Deutschen Nachhaltigkeitspreis braucht eine Reform. Auch für Klimakonferenzen werden neue Formate gesucht. Unternehmen hingegen innovieren ganz von allein.
Deutscher Nachhaltigkeitspreis
Nach der Verleihung des 17. Deutschen Nachhaltigkeitspreises wurde Kritik gegenüber dem Veranstalter laut. (© Imago)

Es rummst gewaltig in der grünen Marketing-Community. Anlass war die Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises (DNP) Ende vergangener Woche, bei der 100 „Vorreiter der Transformation“ geehrt wurden. Nachdem im Spiegel ein kritischer Artikel erschienen war, sagten die Naturkosmetik-Marken Weleda und Börlind ihre Teilnahme öffentlichkeitswirksam ab. Der Affront schlug in den sozialen Medien hohe Wellen. Ein Posting von Weleda-Chefin Tina Müller, in dem sie den DNP-Organisatoren Intransparenz und Kommerzialisierung vorwarf, erhielt (Stand Mittwochmorgen) über 5000 Likes. Ein Vorwurf von mehreren: zu hohe Gebühren. Ein weiterer: unklare Kriterien bei der Auswahl der Preisträger*innen. 

Das wollen die Verantwortlichen nicht auf sich sitzen lassen. DNP-Initiator Stefan Schulze-Hausmann betont seine guten Absichten. Der Stiftungsverein, der hinter dem DNP steht, verweist auf die Unabhängigkeit der Jury und auf faire Kostengestaltung für kleine Unternehmen. Auch für sie gibt es Beifall auf Social Media. Wer hat recht? 

Der Imageschaden jedenfalls ist gewaltig. Zumal es in der Diskussion längst um mehr geht als um die Frage, ob der DNP ein Marketingtool im Dienst einer guten Sache ist oder ein Format für finanzkräftige Unternehmen. Verhandelt wird das große Thema Glaubwürdigkeit – die Frage, wie authentisch das grüne Engagement von Unternehmen ist.  

Der Spagat zwischen Idealisten und Pragmatikern konnte nicht gutgehen 

Wie oft im Leben, hilft ein Blick zurück. Als der DNP vor 17 Jahren gegründet wurde, waren nachhaltige Geschäftsmodelle eine Nische. Die Auszeichnung sollte Idealisten belohnen und dadurch auch andere zur umweltfreundlichen Unternehmensführung motivieren. Die Nische ist immer größer geworden, der DNP auch – ohne sich im Spannungsfeld zwischen Aktivismus und Big Business neu zu verorten.  

„Wachstumsfalle“, schrieb jemand auf LinkedIn. Höchste Zeit, sich ehrlich zu machen und das langjährige Erfolgsmodell zu reformieren. Warum nicht unter Einbindung von Kritiker*innen wie Tina Müller? Wenn jemand weiß, wie man sich neu erfindet, dann doch die frühere Douglas-Managerin

Mammutkonferenzen bringen wenig und schaden dem Klima 

Neue Formate wünschen sich viele auch für die großen internationalen Umweltkonferenzen. Nachdem schon der Klimagipfel COP29 in Baku kaum Fortschritte brachte, scheiterten am Wochenende die Verhandlungen über ein weltweites Plastikmüll-Abkommen. Auf Kompromisse, Einsicht und guten Willen zu setzen wie 2015 beim Pariser Klimaabkommen, reicht heute offenbar nicht mehr aus.  

Zumal diejenigen, die blockieren, kaum Nachteile haben – Ölexporteur Aserbeidschan, mit der Präsidentschaft der COP29 betraut, konnte sich bei ausbleibendem Ergebnis sogar des Beifalls seiner Kunden sicher sein. Wo sind die Alternativen zu den ineffektiven Großveranstaltungen, die noch dazu jede Menge CO2 produzieren? Es gibt in der Marketing-Community so viele kluge Eventspezialist*innen. Macht doch mal ein paar Vorschläge! 

„Walking on Sunshine“: Begehbare Solarpanele 

Wenn auch die internationale Politik wenig Ergebnisse bringt – bei vielen Unternehmen ist der Wille zu umweltfreundlicher Innovation ungebrochen. Die spanische Firma Onyx Solar hat begehbare Solarpanele entwickelt und in einem PR-Stunt – Überschrift: „Walking on Sunshine“ – auf einer Dachterrasse in Manhattan ausgelegt.  

Ein Quadratmeter Photovoltaik ist mit 400 Kilogramm belastbar, in New York stellen sie im Sommer Tische und Stühle drauf. Oben Picknick, unten Stromproduktion – charmante Idee. Funktioniert angeblich 30 Jahre. Und danach? Könnten die Panele ausgewechselt werden, sagt die Firma. Oder als Boden ohne Zusatzfunktion einfach liegenbleiben. 

Obi rettet lädierte Topfpflanzen – Ergebnis „maximal positiv“ 

Baumarkt Obi wiederum teilt mit, Topfpflanzen mit Abschlag zu verkaufen, die zu lange im Regal standen und bislang entsorgt wurden. Die „Rettungsaktion“, bei Lebensmitteln gang und gäbe, hat auch in diesem Bereich Vorteile für alle: Der Baumarkt senkt Abfallquote und Entsorgungskosten, Kund*innen freuen sich über einen Rabatt.  

Warum erst jetzt, möchte man fragen, doch besser spät als nie. Der Pilotversuch in 14 Märkten, zusammen mit der Organisation Too Good To Go, läuft seit Anfang Oktober. Das aktuelle Zwischenergebnis ist laut Obi „maximal positiv“. 

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.