Unsere Praktikantin Marlene hatte gerade ihren letzten Tag bei uns. Zugegeben, das ist jetzt erst mal unspektakulär. Spannend ist, was sie als Nächstes vorhat: Sie wird einen Master in „Zukunftsdesign“ absolvieren. Keine Ahnung, wie das bei euch war, als ihr euren Karrierepfad gewählt habt. Jules Eltern konnten noch nicht einmal mit „Medienwissenschaft“ etwas anfangen und fragten noch im fünften Semester, was sie denn jetzt eigentlich noch mal genau studiere. Hätte sie „Zukunftsdesign“ studiert, ihre Eltern hätten es sich irgendwohin tätowieren müssen, um sich nicht wiederholt lächerlich zu machen.
Die Erkenntnis, dass etwas Abstraktes wie „die Zukunft“ designt werden kann, ist ziemlich frisch und im allgemeinen Verständnis unlogisch. Wird Zukunft nicht von selbst? Brauchen wir nicht schlaue Leute und ihre Prognosen, um uns angemessen auf sie vorzubereiten? Ein Büro im Metaverse bauen, falls das mal ein relevanter Absatzmarkt wird? Die Kinder zum Chinesisch-Kurs schicken, um ihnen in einer Welt mit zwei Weltmächten einen Vorsprung zu verschaffen? Ja klar, so kann man das schon machen. Doch es geht auch anders.
Wer etwas auf sich hält, verzichtet auf halbseidene Prognosen
Wer als Zukunftsforscher*in heute etwas auf sich hält, weiß, halbseidene Prognosen aus der Glaskugel kommen nicht gut an. Nach ein paar Jahren bekommt man alles, was sich als falsch herausgestellt hat, wieder aufs Brot geschmiert. Aus diesem Grund erkennen wir heute an, dass die Zukunft komplex ist. Dass es verschiedenste mögliche, wahrscheinliche und plausible „Zukünfte“ gibt, die sich zwar in Trends entwickeln, letztendlich aber nur durch unser passives oder aktives Zutun konkretisieren. Paradoxerweise funktioniert das nicht so wie in anderen gestalterischen Berufen. Als Architekt*in kann man ein ganzes Stadtviertel auf dem Reißbrett planen. Zukunftsdesign ist eher kleinteilig. Wenn wir eine bestimmte Variante von Zukunft erschaffen wollen, brauchen wir in unterschiedlichsten Lebensbereichen entsprechende Impulse, sogenannte „schwache Signale“, die wir in ihrer Häufigkeit und Intensität steigern können, sodass letztendlich eine für uns wünschenswerte Entwicklung verstärkt wird. In diesem sehr praktischen Sinne ist „Zukunftsdesign“ also nah dran am Aktivismus. Um das für aktivistische Zwecke zu nutzen, müssen wir uns natürlich nicht alle mit Marlene an der Uni einschreiben. Vor allem müssen wir uns bewusst machen, wie all unsere individuellen „schwachen Signale“ für eine bessere Welt zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken. Und dann, auch wenn es manchmal frustrierend ist und die Welt sich in die entgegengesetzte Richtung zu entwickeln scheint, weitermachen!
Jule und Lukas Bosch sind partner in life, crime & business – und kurzum als Business-Aktivist*innen tätig. Sie beraten Unternehmen zu Transformation und Nachhaltigkeit.