Kennen Sie das: Der CFO tritt zur Tür herein und sagt „Wir müssen mehr verkaufen – machen Sie was!“? Tja, und nun? Was machen Sie? Sie erinnern sich an einen Zeitungsartikel, den Sie neulich gelesen haben. Dort schreibt Ruchir Sharma, Chief Global Strategist bei Morgan Stanley, dass in 43 von 150 von ihm untersuchten Ländern die Volkswirtschaft zwischen 1950 und 2010 um durchschnittlich mindestens sieben Prozent pro Jahr gewachsen ist. Sieben Prozent – eine gewaltige Zahl. Deutschland hat in den letzten 20 Jahren zwischen null und vier Prozent geschafft.
Die Frage: Welche Bedingungen lagen da vor?
Antwort: 35 dieser Länder waren Autokratien!
Daimler und Apple passen sich an
Egal, nichts wie hin! Solch ein Wachstum kann ja jeder gut gebrauchen. Ob das auch klappt, ist zunächst eine Frage der „angebrachten“ Haltung. Daimler hat wegen seiner Werbebotschaft unter Zuhilfenahme des Dalai Lama in China kräftig Prügel eingesteckt und letztlich klein beigegeben (beigeben müssen?).
Apple hat Funktionen seines als Festung gelobten iPhones abgeschaltet, da „Mainland China“ findet, dass damit staatliche Sperren umgangen und die Hongkonger Proteste organisiert werden. Hier machen nämlich andere die Regeln. Nicht die Unternehmen und schon gar nicht das Volk. Auf die aktuelle politische Situation übertragen heißen die „Wachstumsmacher“ Bolsonaro, Putin, Erdogan oder Xi Jinping.
Schlussfolgerung? Naja, „Weg mit der Kanzlerin – für mehr Wachstum“ wäre ja wohl hoffentlich nicht die Lösung! Wir wollen „nur“ mehr verkaufen. Und trotzdem lohnt sich ein Gedanke über den Umgang mit solchen Märkten.
Alternative: Mit Haltung verkaufen
Die Kernfrage lautet: Können Sie künftig alle Märkte bedienen? Oder müssen Sie sich entscheiden? Zwischen China und den USA? China und Taiwan? Zwischen den USA und Russland? Letzten Endes ist die Frage auch: Wollen Sie Diktaturen bedienen? Möchten Sie die „Zielgruppe Autokratien“ bedienen? Oder verkaufen Sie mit Haltung – konsequent und weltweit? Vielleicht dann doppelt so viel wie heute, in den Demokratien dieser Welt?
Falls Sie doch nicht anders können oder wollen … warum sitzt dann Ihre Marketing-Abteilung nicht mal für ein halbes Jahr in Shenzhen oder Istanbul? Dann wird schnell klar, wie der Hase läuft.
Viele Unternehmen haben schon „Ja“ gesagt. Zum Beispiel solche aus der Automobilindustrie. Nach einer Meldung der „Financial Times“ vom September beträgt allein der in China erzielte Anteil am gesamten Gewinn von BMW und Daimler mehr als 30 Prozent, von VW fast 40 Prozent und bei Audi sind es sogar über 40 Prozent. Sicher ist auch allen klar: Sobald das Zentralkomitee findet, dass Ringe oder Sterne ab sofort nicht mehr zu China passen, dann kommt vor dem Fall nicht erst Hochmut, sondern der Fall tritt sofort ein. Und zwar mit solcher Wucht, dass auch wir in Deutschland uns warm anziehen müssen.
Kleineres Wachstum ist nachhaltiger
Stichwort Abhängigkeiten: Huawei beispielsweise liefert mehr als 5G. Dieser Telekommunikationsausrüster ist bereits ein ganzheitlicher Automobilzulieferer, der in China Pflichtprogramm ist. Warum? Weil er alles liefert – komplett. Alles für selbstfahrende Autos. Alles! Vorsicht also bei Bosch, Schaeffler und Continental!
Ruchir Sharma hat übrigens auch herausgefunden, dass jene Staaten, die sich der Demokratie als Staatsform bedienen, in puncto Wachstum vielleicht weniger sexy sind – jenes ist dafür dann aber nachhaltiger.
Behalten wir also die Kanzlerin und kehren lieber vor der firmeneigenen Tür. Die Tür, in der der CFO bald mal wieder mit seiner eingangs erwähnter Frage steht.
Lassen Sie uns rebellisch – mit Freiheit und Vollgas – die Welt prägen!