Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2019 ist die Arbeitszeiterfassung ein zentrales Thema in deutschen Unternehmen. Spätestens seit dem BAG-Urteil 2022 ist sie nicht mehr von deren Agenda wegzudenken. Doch wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus? Und wie kommt die Zeiterfassung bei den Arbeitnehmer*innen an? Protime, Anbieter von Workforce Management Lösungen, hat über Yougov eine Studie dazu in Auftrag gegeben. Konkret untersuchte diese die Einstellungen und Erfahrungen von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen in Bezug auf das moderne Zeitmanagement.
Knapp jede*r Dritte mit traditionellen Methoden
Die Mehrheit der Befragten erfasst ihre Zeiten digital. Die Methoden der digitalen Zeiterfassung variiren aber. Während 41 Prozent Systeme auf dem PC oder Laptop nutzen, verwenden 12 Prozent mittlerweile Apps. Knapp ein Drittel (29 Prozent) hält immer noch an traditionellen Methoden fest. 15 Prozent bevorzugen dabei die Excel-Tabelle, während 14 Prozent auf Zettel und Stift setzen.
Nach Einschätzung von Protime bergen diese traditionellen Erfassungsmethoden potenzielle Nachteile: Sie ließen mehr Raum für Unstimmigkeiten, da manuelle Eingaben anfälliger für menschliche Fehler seien – zum Beispiel es durch falsche Einträge oder fehlende Dokumentation. Zudem würden sie weniger Einblicke bieten, da automatisierte Berichterstattung fehle. Dies erschwere die Analyse von Daten und behindere fundierte Entscheidungen. Auch seien manuelle Aufzeichnungen schwer nachvollziehbar und es sei schwieriger, den Überblick über Arbeitszeiten und -aktivitäten zu behalten. Nicht zuletzt führten sie zu ineffizienteren Prozessen. Die manuelle Erfassung von Arbeitszeiten und -aktivitäten sei zeitaufwändig und könne den Arbeitsfluss unterbrechen – was letztendlich die Produktivität beeinträchtige.
Trotz Gesetz: 18 Prozent erfassen Arbeitszeit nicht
Nahezu die Hälfte der Befragten (47 Prozent) hätten ihre Arbeitszeit bereits vor 2021 erfasst hat, noch bevor dies gesetzlich vorgeschrieben wurde. Ein Viertel (20 Prozent) begann 2022 mit der Erfassung, möglicherweise als direkte Reaktion auf die gesetzlichen Vorgaben. Trotz dieser gesetzlichen Richtlinien geben 18 Prozent der Befragten an, ihre Arbeitszeit nicht zu erfassen.
„Dies könnte auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, wie beispielsweise unzureichende Ressourcen oder Unterstützung seitens des Unternehmens bei der Implementierung von Zeiterfassungssystemen“, schreibt Protime zur Studie. Zudem könnten einige Befragte nicht vollständig über die Vorteile der Zeiterfassung informiert sein, oder einige Unternehmen hätten möglicherweise noch nicht den Schritt zur Modernisierung vollzogen.
Einführung Zeiterfassungstools: Gen Z besonders skeptisch
Mehr als ein Dritten (35 Prozent) der Befragten zeigt sich aufgeschlossen, was die Einführung von Zeiterfassungstools angeht. Unter den Befragten äußerten 31 Prozent Bedenken bei der Integration in den Arbeitsplatz und 20 Prozent der Befragten erwähnten, dass sie sich über einen etwaigen Widerstand der Mitarbeitenden gegenüber Veränderungen sorgten. Unsicherheiten bezüglich der Kosten (8 Prozent) und andere Gründe wie Datenschutz, Privatsphäre, Kontrolle, zusätzlicher Aufwand und Gewohnheit spielen laut Studie eine weniger bedeutende Rolle.
Die Gen Z (57 Prozent) zeige den Untersuchungen zufolge zu Beginn die größte Skepsis hinsichtlich der Integration der neuen Tools in bestehende Arbeitsprozesse. Ebenso die Millennials mit 44 Prozent. Bei Gen X zeigen sich 42 Prozent und bei den Babyboomern 62 Prozent aufgeschlossen.
Mehrheit findet Zeiterfassung vorteilhaft
Der Yougov-Befragung zufolge empfindet knapp jede*r Dritte Zeiterfassungstools als sehr effektiv bei der Überstunden- und Stressreduktion. Fast 60 Prozent der Befragten sehen Zeiterfassung generell als vorteilhaft an. Jede*r Fünfte findet, dabei dass Zeiterfassung dabei hilft, die Produktivität und Effizienz zu verbessern.
Knapp 70 Prozent der Gen Z betrachten die Maßnahmen als vorteilhaft, bei den Millennials sind es 66 Prozent. Zusätzlich zeigt sich, dass jüngere Generationen die Wirksamkeit von Zeitmanagement-Tools bei der Reduzierung von Stress und Überstunden tendenziell höher einschätzen als ältere Generationen. Zum Beispiel finden fast 40 Prozent der Gen Z und der Millennials die Zeitmanagement-Tools ihrer Arbeitgeber*innen sehr effektiv im Vergleich zu etwa 25 Prozent der Generation X und einem Fünftel der Babyboomer. Insgesamt seien die Babyboomer und Generation X zurückhaltender: 47 Prozent der Generation X betrachten die Maßnahmen als vorteilhaft. Bei den Babyboomern sind es 46 Prozent.
Protime kommentiert, die erhöhte Wertschätzung für die Work-Life-Balance in der Gen Z im Vergleich zu früheren Generationen könnte die positivere Einstellung gegenüber Zeiterfassungstools erklären. Sie würden möglicherweise eine direkte Verbindung zwischen effektivem Zeitmanagement, der Reduzierung von Überstunden und Stress sowie einer verbesserten Work-Life-Balance erkennen.
Über die Studie
Im Rahmen der Studie wurden im Zeitraum vom 23. Mai bis 29. Mai 2024 2.048 Beschäftigte befragt. Ziel war es, die Einstellungen und Erfahrungen von Einzelpersonen in Bezug auf Zeitmanagement und -erfassung im Arbeitsumfeld zu untersuchen. Die Umfrage wurde mittels Online-Interviews mit Teilnehmer*innen des YouGov Panel Deutschland durchgeführt.
Protime ist ein Anbieter von Lösungen für Zeiterfassung, Arbeitszeitplanung und Zutrittskontrolle für Unternehmen. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen rund 510 Mitarbeitende.