Herr Tarragona, scheinbar versteht jeder etwas anderes unter Native Advertising und Content Marketing. Wie lautet Ihre Definition?
Beide Begriffe meinen im Grunde das Gleiche, allerdings wird die Bezeichnung „Content Marketing“ eher von Werbekunden, „Native Advertising“ eher von den Werbeträgern verwendet. Insofern verwende ich meist den Begriff „Native Advertising“. Wir verstehen darunter, kurz gesagt, dass der Kunde nicht nur eine definierte Anzeigenfläche bucht, sondern mit seinen Inhalten ein – klar gekennzeichneter – Teil unseres Angebotes wird.
Was für eine Rolle spielt Native Advertising mittlerweile für die Zeit-Verlagsgruppe?
Der Anteil nativer Werbung ist in den letzten Jahren auch bei uns immer größer geworden. Die größte Bedeutung im Werbemarkt hat allerdings nach wie vor die „klassische“ Werbung, auch wenn der Markt zuletzt nicht mehr so dynamisch gewachsen ist wie in der Vergangenheit. Das hängt zum einen mit der größeren Basis, zum anderen mit der zunehmenden Diversität des Marktes zusammen. Letztlich sind die verschiedenen Werbeformen aber auch nicht wirklich trennscharf, da auch eine native Buchung in der Regel im Paket mit klassischer Media verkauft wird.
Täuscht der Eindruck, dass auf Zeit Online eher klassische Anzeigen ausgespielt werden – während sich auf Campus Online und ze.tt eher native Anzeigen finden? Kommt Native Advertising bei den Jüngeren besser an?
Im Grunde liegen alle Angebote bei dem Thema gleich auf, auch wenn der Kunde auf ze.tt mehr Möglichkeiten hinsichtlich nativer Werbung zur Auswahl hat. Generell gibt es Ressorts bzw. Umfelder, die schon immer stark im Bereich Native Advertising waren, zum Beispiel die Reise, in der sich seit jeher Tourismus-Zentralen oder Fremdenverkehrsämter mit entsprechenden Inhalten präsentieren. Aber ich glaube auch, Werbetreibende adressieren gerade die junge Zielgruppe gerne mit nativen Formaten in passenden Umfeldern. Soziale Medien wie Facebook fördern natürlich diesen Trend.
Doch Native Advertising erntet auch viel Kritik – von Schleichwerbung ist die Rede.
Bei uns gibt es strenge Regeln im Umgang mit Native Advertising. Eine der wichtigsten ist die klare und eindeutige Kennzeichnung, die fest in unserem „Code of Ethics“ verankert ist. Wir sagen zum Beispiel, dass auf Zeit Online sowohl die Inhalte des Kunden als auch alle hinführenden Maßnahmen im redaktionellen Umfeld mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet sein müssen. Auf ze.tt verwenden wir den in der Zielgruppe der jungen Nutzer geläufigeren Begriff des „Sponsored Posts“. Darüber hinaus unterscheiden sich werbliche Inhalte auf zeit.de auch durch abweichende Schriftarten oder Hintergrundfarben von unseren redaktionellen Inhalten.
Andere Medien sind wesentlich schamloser im Umgang mit Native Advertising – und generieren dadurch im Zweifel mehr Klicks als Sie …
Für uns ist unsere Marke und wie die Nutzer diese wahrnehmen der Schlüssel zum Erfolg. Diese Markenwahrnehmung zu gefährden, würde uns die Existenzgrundlage entziehen. Wenn wir anfangen würden, werbliche und redaktionelle Inhalte fahrlässig zu vermischen – in der Hoffnung, dass es der Kunde es nicht bemerkt und wir vielleicht ein paar Euro mehr vom Werbekunden bekommen – dann würden wir unser eigenes Grab schaufeln.
Also Qualität wahren und mit offenen Karten spielen?
Genau. Ich finde, man muss sich nicht dafür schämen, werbliche Inhalte in seinem Angebot zu integrieren, zumal auch diese Geschichten sehr spannend für den Nutzer sein können. Er muss nur jederzeit erkennen können, ob die Geschichte von unserer Redaktion oder einem Kunden geschrieben wurde.
Welche Do’s und Dont’s gibt es noch bei Native Advertising?
Entscheidend ist vor allem die ausdrückliche Kennzeichnung. An der stören sich übrigens in den allermeisten Fällen auch die Anzeigenkunden nicht, im Gegenteil. Außerdem sollte man bei nativen Inhalten den gleichen Qualitätsstandard ansetzen wie bei seinem eigenen redaktionellen Angebot. Die Texte, die Bilder und das Layout müssen auf dem Niveau des Titels liegen, auf dem geworben wird, sonst funktioniert das Ganze nicht. Die Nutzer sind schließlich eine gewisse Qualität gewohnt und diese fordern sie auch an dieser Stelle ein.
Wird Native Advertising irgendwann die klassische Werbung ablösen?
Nein, das glaube ich nicht. Native Advertising ist ja erstmal gar nicht so wahnsinnig neu, wenn es um die integrative Darstellung von Werbebotschaften geht. Einzig die Mediennutzung hat sich grundlegend verändert. Es ist zum Beispiel wichtiger geworden, die Nutzer sowohl auf der Homepage als auch über Facebook mit nativen Formaten abzuholen. Aber es gibt natürlich auch Kampagnen, bei denen Native Advertising der falsche Ansatz ist. Wenn ich ein neues, wenig erklärungsbedürftiges Produkt möglichst schnell einer großen Menge von Menschen bekannt machen möchte, dann sollte ich auf klassisches Branding setzen. Wenn ich dagegen auf Sonderangebote in meinem Shop hinweisen will, dann muss ich abverkaufsorientierte Formate wählen. Native Advertising lohnt sich vor allem, wenn das Produkt erklärungsbedürftig ist, oder ich eine Geschichte darum erzählen will, um eine emotionale Bindung aufzubauen. Es wird die klassische Werbung daher nicht ablösen, aber zunehmend ergänzen.
Stichwort Mediennutzung. Ist Native Advertising auf mobilen Geräten erfolgreicher?
Ja, ich denke schon. Wenn ich auf einem Gerät werbe, bei dem der Inhalt per se bildschirmfüllend angezeigt wird, dann ist Werbung von vorneherein besser in den Storystream integriert. Verbunden mit der hohen Nutzungsintensität der Geräte wird das Thema hier noch weiter an Bedeutung gewinnen.
Natürlich spielt – auch in Bezug auf native Ads – die Ansprache der Zielgruppe eine entscheidende Rolle. Wie gehen Sie damit bei Zeit Online, Campus Online und ze.tt um?
Wir setzen bei unseren Angeboten sehr auf eine authentische Ansprache der jeweiligen Zielgruppe. Da gibt es naturgemäß Unterschiede zwischen Zeit Online und beispielsweise ze.tt. Diese unterschiedliche Tonalität sollte sich natürlich auch ein Anzeigenkunde bei seinen nativen Inhalten zu eigen machen. Alles andere würde irritieren.
Aber wo liegt der Unterschied zwischen Campus Online und ze.tt? Die Leserschaft dürfte im gleichen Alter sein.
Das ist richtig, die Zielgruppe ist in Teilen die gleiche. Allerdings wollen wir auch nicht grundsätzlich unterschiedliche Menschen mit den Angeboten adressieren, sondern –gegebenenfalls auch die gleichen Menschen – in unterschiedlichen Situationen abholen: Campus Online ist die Anlaufstelle bei allen Fragen rund um das Thema Studium. Ze.tt dagegen ein inhaltlich breiteres Nachrichtenangebot speziell für junge Menschen.
Ihre Leser werden mit der Zeit älter, entwickeln neue und andere Interessen. Wollen Campus Online und ze.tt mit den Lesern altern – oder sollen sie irgendwann zum „erwachsenen“ Zeit Online wechseln?
Eher letzteres. In der Markenwelt der Zeit holen wir die Leser schon sehr früh ab und begleiten diese idealerweise durch das ganze Leben: Angefangen bei Zeit Leo über Zeit Online und die Zeit bis zu Zeit Geschichte. ze.tt wird sicherlich nie ein Senioren-Portal werden, sondern immer eine jüngere Zielgruppe ansprechen.
War das Werbepotenzial auch ein Grund, die Portale in Zielgruppen aufzuteilen?
Ja, wobei die Aufteilung wie gesagt nicht so sehr unterschiedliche Zielgruppen adressieren, sondern eher unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen soll. Und das gilt sowohl für die User als auch für die Anzeigenkunden. Anders gesagt, ist das ein bisschen wie mit Schuhen. Auch wenn ich in diesem Moment nur ein Paar trage, besitze ich doch zur gleichen Zeit verschiedene Modelle, aus denen ich je nach Situation eines auswähle. Und wir bieten mit unseren Angeboten immer das richtige Paar für jede Situation.
Das diesjährige Motto der dmexco lautet „Digital is everything, not every thing is digital“. Wie interpretiert das die Zeit-Verlagsgruppe?
(lacht) Das ist für uns sogar relativ einfach zu beantworten. Die „Digitalisierung“ in einem Verlag beschränkt sich ja nicht auf die Webseite oder die Apps, sondern natürlich sind auch die Bereiche betroffen, deren Fokus auf der gedruckten Zeitung liegt, zum Beispiel durch digitale Produktionsprozesse oder ein professionelles Online-Marketing. Umgekehrt: Nicht alles ist digital, natürlich nicht. Man muss sich nur den anhaltenden Erfolg der gedruckten Zeit vor Augen führen, um den zweiten Satz zu verstehen.