Zehntausende Werber*innen bald arbeitslos?!

David+Martin wirbt für Arbeitslosigkeit, OpenAI-Chef Sam Altman für bedingungsloses Grundeinkommen – und die Deutschen glauben, dass KI immer nur die Jobs der anderen bedroht.
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Wird künstliche Intelligenz ein Leben im Überfluss für alle bereiten? (© Imago)

Na das ist doch mal eine Headline, die in den Text reinzieht: Zehntausende Werber*innen bald arbeitslos?! Denkt man die neue Kampagne der Kreativschmiede David + Martin zu Ende, könnte genau das bald passieren. Denn die Werber*innen werben neuerdings für Arbeitslosigkeit und fordern möglichst viele Unternehmen zur Nachahmung auf. Die Kampagne lautet: #BesserArbeitslosAlsKinderlos.

Besser was? Sie haben richtig gelesen. Tatsächlich mischt sich David + Martin jetzt genau so gemeinsam mit The Female Company in die Debatte um die geplanten Elterngeld-Kürzungen ein. Sie fordern ihre Mitarbeiterinnen (und Mitarbeiter) auf: erst Kündigen, dann Kind kriegen, dann Arbeitslosgengeld kassieren. „So bleiben sie sozial- und krankenversichert, bekommen aber bis zu 2.400 Euro Arbeitslosengeld statt bis zu 1.800 Euro Elterngeld“, schreibt Martin Eggert auf LinkedIn. Und damit sich die Kolleginnen und Kollegen nicht voller Zukunftsangst in die Arbeitslosigkeit stürzen, unterschreibt ihnen David + Martin „direkt bei Kündigung einen Vertrag zur Wiedereinstellung“. So bekommen sie Arbeitslosengeld plus garantierter Rückkehrsicherheit.

Genau genommen müsste die Kampagne also gar nicht #BesserArbeitslosAlsKinderlos heißen, sondern #BesserMöglichstVielArbeitslosengeldAlsWenigBisGarKeinElterngeld. War wohl aber nicht so griffig.

Möglichst viel rausholen als Debattenbeitrag

Immerhin: David + Martin selbst betont, dass die Kampagne „kein Lösungsvorschlag“ sei, sondern ein „Aufruf an die Bundesregierung, notwendige Einsparungen durch Abschaffung des überholten Ehegatten-Splittings zu erzielen – und Elterngeld und Kindergrundsicherung gesamtheitlich neu zu denken.“ Ein Thema also, bei dem die Emotionen gerade ziemlich hochkochen – weil es dabei um so viel Grundsätzliches geht: Subvention patriarchalischer Rollenmodelle, zu sinken drohende Geburtenrate bei Akademikerinnen, weitere Spaltung der Gesellschaft, Schüren von Sozialneid, Vorwürfe von unersättlicher Raffgier der Besserverdienenden und zunehmender Abgehobenheit der Eliten.

Wie zielführend es in diesem Kontext ist, wenn Werber*innen für #BesserArbeitslosAlsKinderlos werben beziehungsweise für größtmögliche Einkommensoptimierung auf Kosten der Arbeitslosenversicherung, muss jede und jeder für sich selbst entscheiden.

Nach ChatGPT bringt Altmann jetzt Worldcoin

Ob Sam Altmann die Idee von David + Martin als mega Innovation oder als mega schwäbische Kleingeistigkeit ansehen würde, wissen wir leider nicht. Ich persönlich würde tippen, dass die Idee dem OpenAI-Chef und ChatGPT-Macher schlichtweg komplett wumpe ist. Denn Altman hat Größeres vor, wesentlich Größeres. Mit seinem neuesten Projekt Worldcoin, ein Mix aus Kryptowährung und via Irisscanner hinterlegter persönlicher ID, der sogenannten „World-ID“, will Altmann nicht weniger als Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt neu denken.

Im Interview mit dem Handelsblatt sagt er: „Wir leben in einer Welt, in der künstliche Intelligenz sehr mächtig wird. Der Wohlstand in der Welt wächst rasant (…) In solch einer Welt ist ein bedingungsloses Grundeinkommen eine großartige Idee, die wir ausprobieren sollten. Wenn Künstliche Intelligenz ermöglicht, dass wir im Überfluss leben können, dann sollte dieser Wohlstand uns allen gehören.“

Wie genau die Verteilung aussehen und vor allem woher genau die Gelder für das bedingungslose Grundeinkommen kommen sollen, lässt Altmann leider offen. Vermutlich aber eher nicht aus der Arbeitslosenversicherung.

Jobverlust durch KI? „Eher Unwahrscheinlich“

Aber bis Altmann so weit ist, fließt – wie man so schön sagt – noch viel Wasser den Rhein hinunter. Und wir können uns derweil ganz in Ruhe anschauen, was die Deutschen gerade so denken über die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf ihr Arbeitsleben. Laut der soeben erschienene Ipsos Global Advisor Studie gehen 40 Prozent davon aus, dass sich der Arbeitsmarkt durch KI verschlechtern wird. Für ihren eigenen Arbeitsplatz aber sind sie weitaus optimistischer: 53 Prozent halten es für unwahrscheinlich, dass sich ihr Arbeitsplatz in den nächsten fünf Jahren verändern wird, satte 71 Prozent halten es gar für unwahrscheinlich, dass KI in den nächsten fünf Jahren den eigenen Arbeitsplatz ersetzen wird.

Das nenne ich doch mal eine positive Nachricht zum Schluss, woher auch immer dieser Optimismus kommen mag.

In diesem Sinne: Eine positiv gestimmte Woche und bleiben Sie gut drauf!

ist seit mehr als 20 Jahren Journalistin, spezialisiert auf Marketing, Medien, New Work und Diversity. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei “Horizont”, schreibt seit 2014 als freie Autorin für diverse Wirtschafts- und Fachmedien und liebt es, als Dozentin für Fachjournalismus und Kommunikation junge Menschen für die Branche zu begeistern. Privat muss es bei ihr sportlich zugehen – am besten beim Windsurfen oder Snowboarden.