Herr Krachten, entspricht die Resonanz auf die ersten Videodays den Erwartungen?
CHRISTOPH KRACHTEN: Klar, wir sind ausverkauft. Wir haben 6.000 Tickets verkauft. Das ist, gemessen am Einzugsbereich, sogar mehr als in Köln. Das zeigt, dass Berlin das braucht. Unser sehr junges Publikum kann eben nicht immer einfach so mal nach Köln reisen.
Es sind sehr wenige Marken auf dieser Veranstaltung präsent. Ist das so gewollt?
Wir haben Adidas, die Telekom, Canon, Pelikan, YouTube, Thomas Henry und Kare Design. Wir sind schon recht gut ausgestattet, aber da ist noch mehr drin.
Wie wird die YouTuber-Szene von der Werbeindustrie wahrgenommen?
Sie wird wahrgenommen, aber da ist sicher noch mehr möglich. Die TKPs mögen für einen YouTuber ordentlich sein, aber im Marktvergleich sind sie viel zu niedrig, gemessen an dem hohen Engagement zwischen YouTuber und Fans. Es hat sich aber schon deutlich etwas verändert. Wir reden mit vielen Agenturen wie OMD, Ogilvy, Mediacom oder Jung von Matt. Noch aber rühmen sich viele Unternehmen mit den geringen Reichweitenkosten, die sie ausgehandelt haben. Das ist für die schön, bildet aber den tatsächlichen Wert nicht ab.
Spürt man noch Vorurteile im Markt?
Ich weiß, das Fernsehvermarkter in ihre Präsentationen gewalttätige YouTube-Videos packen und zeigen, dass da Werbung vorher läuft. Das ist nicht fair. Ich kann als Werbekunde sehr genau steuern, wo meine Werbung läuft und wo nicht. Wer nur mit Schrot schießt, darf sich über schlechte Platzierungen nicht wundern. Das betrifft vor allem auch programmatische und Auktions-basierte Aussteuerung.
Die positive Kehrseite der Medaille ist aber, dass Coke oder Saturn sehr große Branded Channels machen, weil sie wissen, dass die junge Zielgruppe für sie sehr interessant ist. Das setzt Zeichen, und es kommen weitere in Kürze hinzu.
Wer sind derzeit die angesagten Größen, die auch für Marken interessant sein könnten?
Dat Adam natürlich, obwohl die sich nicht als YouTuber sehen, sondern als Musiker. Die Lochis machen tollen Content und BullshitTV, trotz des Namens. BullshitTV hat schon mit Toyota zusammen gearbeitet und ich mache demnächst etwas Eigenes mit Renault für die Formel E.
Das bringt uns zur Person Christoph Krachten. Sie haben Mediakraft verlassen, nach dem einige YouTuber ausgestiegen waren und schwere Vorwürfe gegen den Stil der Zusammenarbeit und die „Knebelverträge“ erhoben haben. Was führte letztlich zur Trennung von Mediakraft?
Wir haben unterschiedliche strategische Auffassungen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Diese Generalkritik an Netzwerken ist doch völlig überzogen. Wenn Friedrich Küppersbusch sagt, die Vertragsgestaltung erinnere ihn an die Bodenreform in der DDR 1953, was eine praktische Enteignung war, dann sind aber alle Verträge der Öffentlich-Rechtlichen und Privatsender „Gulag-Verträge“, denn da gibt man als Künstler und Produktionsfirma, wie die von Herrn Küppersbusch, ja die kompletten Rechte ab. Der Regelvertrag mit Netzwerken hat eine Laufzeit und danach fallen die Rechte wieder an den Künstler zurück. Zeigen Sie mir das bei einem Vertrag mit einem TV-Sender!
Dennoch muss es Christoph Krachten weh getan haben, zu sehen, dass sich einzelne YouTuber ausgenutzt und ungerecht behandelt fühlten.
Der Markt konsolidiert sich, jeder findet seine Rolle, das sind Geburtswehen. Auf Dauer wird es definitiv darum gehen, wie gut ein Netzwerk in der Lage ist, seine Künstler zu betreuen und natürlich, wie diese den Markt sehen. Die Lochis oder BullshitTV sind unglaublich klar in dem, was sie wollen. Natürlich gibt es auch Beispiele, wo es eben nicht funktioniert.
Wenn man sich unter dem Publikum umhört, dann scheint es, als wäre Y-Titty ein wenig abgenutzt. Verbrennen YouTuber schneller?
Nein, das glaube ich nicht. Eintagsfliegen gibt es auch in der Musik. Es gibt auch welche, die sich länger halten. Das hängt natürlich auch davon ab, ob man mit der Zielgruppe wächst. Es ist eine der größten Herausforderungen auch fürs Netzwerk, eine Karriere strategisch und nachhaltig zu planen.
Die YouTuber investieren aber sehr viel Persönliches und Herzblut. Das ist per se weniger wandlungsfähig.
Nein. Es ist authentisch. Genauso ist es auch im Fernsehen: Stefan Raab ist authentisch, Thomas Gottschalk auch. Das kann sich schon entwickeln und über die Jahre auch verändern. Wichtig ist, dass die YouTuber ein redaktionelles Kanalkonzept haben, das überlebensfähig ist. Es ist so, wie im Fernsehen auch.
Welches Potenzial hat YouTube im Bereich Journalismus?
Extrem großes. Auch in der jungen Zielgruppe gibt es ein wahnsinniges Informationsbedürfnis. Mein Kanal beispielsweise hat eine Zuschauerschafft von 18 bis 34 (Clixoom: 320 000 Abonnenten), es kommen also auch ältere Zielgruppen hinzu.