Die Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft sind vielfältig wie lange nicht: Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Klima- und Energiekrise, Globalisierungsdebatte, digitale Transformation, struktureller Wandel der Arbeitswelt, Fachkräftemangel. Auf der anderen Seite bieten New-Work-Modelle wie New Leadership, Homeoffice, Remote Work, flexible Arbeitszeiten, Jobsharing oder agile Prozesse neue Chancen für Organisationen, sich als attraktive Arbeitgeber*innen zu positionieren – und so zukunftsfähig zu bleiben.
Inwiefern sich verschiedene Führungsstile und Unternehmenscharakteristika in Zeiten von New Work verändert haben, ist unklar. Um mehr darüber herauszufinden, haben wir gemeinsam mit ANXO Management Consulting eine branchenübergreifende Befragung aufgesetzt. Diese wurde am 27. Juni 2022 gestartet. Daten wurden bis einschließlich 27. Juli 2022 erhoben. Unsere Fragen danach, was sich in ihren Unternehmen, Beratungen und Agenturen geändert hat, wurden am Ende von 138 Führungskräften und Mitarbeiter*innen aus Marketing und Vertrieb beantwortet.
Am stärksten waren Personen aus Unternehmen mit 10 bis 50 beziehungsweise mit 1001 bis 10.000 Mitarbeiter*innen vertreten. 77 Prozent der Befragten gaben an, eine Führungsposition innezuhaben, wobei Männer hier mit 53 Prozent gegenüber Frauen (9 Prozent) überrepräsentiert waren. Knapp zwei Drittel stammen aus dem werbetreibenden Sektor (65 Prozent), die restlichen 35 Prozent zählen sich zum Dienstleistungssektor. Große Einigkeit bestand bei den Teilnehmenden darüber, dass der Führungsstil einen nachhaltigen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen hat. Neben 77 Prozent, die voll und ganz zustimmten, waren es 20 Prozent, die eher zustimmten.
Einfluss von Führung auf Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen
Große Einigkeit bestand bei den Teilnehmenden darüber, dass der Führungsstil einen nachhaltigen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen hat. Neben 77 Prozent, die voll und ganz zustimmten, waren es 20 Prozent, die eher zustimmten.
Die Frage nach der Zufriedenheit lässt sich heute aber nicht mehr so beantworten wie früher. Der Wandel der Arbeitswelt fordert auch von Führungskräften neue Fähigkeiten. Dass sich Führung in einer analogen und digitalen Welt unterscheidet, dem stimmen 69 Prozent der Befragten zu. Ein Beispiel: mehr Freiheiten für Mitarbeiter*innen. Auf diesen und weitere Aspekte müssen Führungskräfte eingehen. Dass dieser Trend durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde, finden 64 Prozent der Befragten.
Aus psychologischer Sicht ist es übrigens ganz normal, dass rund ein Drittel der Führungskräfte (32 Prozent) einen Kontrollverlust fühlt. New Work löst allerdings bei 68 Prozent keinen tatsächlichen Kontrollverlust aus.
Mehr Verantwortung und Vertrauen
Was also muss konkret passieren, was wird wichtiger? Führungskräfte müssen in der Lage sein, Verantwortung abzugeben (82 Prozent) und – noch zentraler – ihren Mitarbeiter*innen zu vertrauen (92 Prozent). Bei Letzterem liegt der Anteil derjenigen, die voll und ganz zustimmen, bei 57 Prozent. Dem Mitarbeitenden mehr Freiraum für die Entfaltung der eigenen Fähigkeiten zu geben, wird in Zukunft für Firmen mitunter entscheidend sein.
Doch wie sehr wird dieses Führungsverständnis bereits in der Gegenwart gelebt? Die Fähigkeit, Verantwortung abzugeben und Vertrauen zu schenken, sei extrem unterschiedlich ausgeprägt in den Unternehmen, aber keine Frage der Größe oder Eigentümerstruktur, sagt Ralf Strehlau, Geschäftsführer von ANXO Management Consulting. Und weiter: „Sehr weit in der Entwicklung sind häufig Unternehmen im Bereich hochwertiger Dienstleistungen wie Softwareentwicklung und Beratung, also Unternehmen mit einem hohen Anteil von sehr hochwertig ausgebildeten Mitarbeitenden.“ Eine Ausnahme habe er in der Vergangenheit beobachtet: „Auffällig ist, dass dies weniger ausgeprägt ist bei deutschen Tochterunternehmen insbesondere asiatischer Konzerne, hier liegt die Ursache aber eher in einer mangelnden Vertrauenskultur.“
Flache Hierarchien und agile Organisationsstrukturen
Noch größer als der Einfluss auf die Gestaltung von flachen Hierarchien wird der Einfluss auf agile Organisationsstrukturen eingeschätzt. 82 Prozent der Befragten stimmen zu, dass eine schnellere Kommunikation und dynamische Abstimmungen in Zeiten von New Work an Bedeutung gewinnen, beim Trend zu flacheren Hierarchien sind es immerhin 64 Prozent.
Das Managen von Organisationen, die ortsunabhängiges Arbeiten befürworten, wird weniger als Problem eingeschätzt (55 Prozent) als die Entstehung, Prägung und Weiterentwicklung einer Unternehmenskultur (60 Prozent). Wie aber kann es gelingen? „Agiles Arbeiten und Strukturen sind gestaltende Elemente zur Etablierung einer Unternehmenskultur. Also Instrument zur Entwicklung einer Kultur. Schwierig wird die Entwicklung und Etablierung einer Unternehmenskultur aber durch das virtuelle oder ortsunabhängige Arbeiten“, sagt Unternehmensberater Strehlau. Das Vorleben einer Kultur im gemeinsamen persönlichen Zusammenarbeiten sei ein wichtiger Erfolgsfaktor. Deutlich habe man dies während des Lockdowns in der Corona-Zeit erlebt. Er sagt weiter: „Neue Mitarbeitende und insbesondere Praktikant*innen haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ihnen das persönliche Zusammenarbeiten fehlte und weder das Arbeiten im Unternehmen noch die Kultur erlebt wurde.“
Führungsstile in Zeiten von New Work
Bevor wir gleich näher auf die Ergebnisse mit Blick auf die Führungsstile eingehen, noch ein Hinweis vorneweg: Wir gehen davon aus, dass Führungskräfte alle vier Führungsstile mit einer unterschiedlichen Intensität und Gewichtung nutzen, dabei mindestens einen präferierten Führungsstil haben und keiner per se besser oder schlechter ist als ein anderer.
Die vier Führungsstile
Definition nach Armin Trost, Professor für Human Resource Management an der Hochschule Furtwangen
- Boss … tritt eher leitend auf und kann durch die Hierarchie seine/ihre Mitarbeiter*innen zur Durchführung nach Plan ermuntern.
- Coach … verbessert die Leistung der Mitarbeiterinnen, indem er/sie ihnen viel Freiraum gibt und sie zu neuen Ideen anregt.
- Befähiger … stellt die Handlungsfähigkeit der Mitarbeiter*innen sicher, indem er/sie alle Ressourcen bereitstellt.
- Partner … arbeitet gemeinsam mit seinen/ihren Mitarbeiter*innen in Projekten auf Augenhöhe, sodass die Verantwortung geteilt wird.
Selbst- und Fremdwahrnehmung des Führungsstils
Führungskräfte besitzen in der Regel einen natürlich präferierten Führungsstil, allerdings wollen sich Führungskräfte dies häufig nicht eingestehen. Das erkennt man daran, dass Eigen- und Fremdbild oft nicht miteinander übereinstimmen. Das wird besonders deutlich bei den Führungstypen „Boss“ und „Coach“. Als „Boss“ sehen sich selbst nur fünf Prozent der Befragten, umgekehrt stufen sie ihre Vorgesetzten mit 37 Prozent als solchen ein. Auch beim „Coach“ klaffen Selbst- und Fremdbild weit auseinander: Mitarbeitende nehmen diesen Führungsstil bei ihren Vorgesetzten weniger als halb so oft wahr (22 Prozent), wie sie sich selbst als Führungskraft einschätzen (59 Prozent).
Ein wichtiger Hinweis mit Blick auf unsere Studie: Einige Teilnehmende gaben vier gleich stark ausgeprägte Führungsstile an. Hier besteht Aufklärungs-, Handlungs- und Trainingsbedarf, so das Team bei ANXO Management Consulting.
Kooperative und coachende Führungsstile rücken in Zeiten von New Work in den Fokus. Während 91 Prozent dieser Aussage zustimmen, geben 73 Prozent an, die Führungsstile „Coach“, „Befähiger“ und „Partner“ für effektiver zu halten.
Unterschiede zwischen “Boss” und kooperativen Führungsstilen
In einer weiterführenden Detailanalyse wurden bei einigen Antworten signifikante Unterschiede zwischen Führungskräften mit „Boss“-Stil, also einem direktiven Führungsstil, und solchen mit eher kooperativem Stil festgestellt. Zwei Beispiele: Führungskräfte mit „Boss“-Stil empfinden ortsunabhängiges Arbeiten mehrheitlich als Last (54 Prozent). Im Vergleich: Bei den zur Kooperation neigenden Führungskräften sind es 22 Prozent. Ebenso empfinden diese agile Organisationsstrukturen als immer bedeutender werdend (91 Prozent), während die Mehrheit der „Bosse“ dadurch einen Macht- und Kontrollverlust fürchtet (59 Prozent).
Laut ANXO zeigen eine Vielzahl an Projektarbeiten mit Mandant*innen und die daraus gewonnenen Erfahrungen, dass sich die Prägung einer Unternehmenskultur durch ortsunabhängiges Arbeiten deutlich schwieriger gestaltet und in Phasen hoher Unsicherheiten ihre Vermittlung erschwert wird. Nur Führungskräfte mit „Boss“-Stil bewerten den Einfluss von Ortsunabhängigkeit auf die Unternehmenskultur mehrheitlich als hinderlich (82 Prozent). Nach Einschätzung der Beratung unterschätzt die Gruppe der Führungskräfte mit anderem Stil die erschwerten Bedingungen (hier stimmen 46 Prozent eher oder voll zu). Strehlau warnt: „Kooperative Führungstypen haben nicht immer im Auge, dass es auch Mitarbeitende gibt, die eine enge Führung benötigen und erwarten, beziehungsweise dass Arbeitssituationen und -plätze dies auch bedingen.“
Während es also auf der einen Seite Offenheit gegenüber den Anforderungen von New Work braucht, darf gerade in Krisenzeiten, wie denen, die wir aktuell erleben, ein anleitender Führungsstil nicht unterschätzt werden. Insbesondere wenn es um Nachwuchskräfte geht.