Wolfgang Grupp: „Ich mache, was vorteilhaft fürs Unternehmen ist“

Der schwäbische Textilhersteller Trigema war der erste in Deutschland, der Kleidung nach dem Cradle-to-cradle-Prinzip produzierte: Er verwendet dafür nur Materialien, die wieder in den Rohstoffkreislauf zurückgeführt werden können. Der Schritt hat sich für das Unternehmen bezahlt gemacht, sagt Inhaber Wolfgang Grupp.
Wolfgang Grupp zwischen seiner Frau Elisabeth und seiner Tochter Bonita auf dem Deutschen Gründerpreis 2018 in Berlin. (© Imago)

Herr Grupp, vor 13 Jahren war Trigema Pionier mit dem Cradle-to-cradle-Prinzip. Haben sich die Erwartungen an Ihre Change-Linie erfüllt?

Wir haben einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben und differenzieren uns am Markt. In unserer Branche kommt es auf Bedarfsweckung an – niemand hat tatsächlich einen Mangel an Textilien. Und Kreislaufwirtschaft ist eine tolle Idee.

In den ersten Jahren belief sich der Umsatzanteil auf weniger als ein Prozent …

Angefangen haben wir mit einem T-Shirt, das gab es in drei oder vier Farben, mehr nicht. Da waren hunderttausend Euro Umsatz schon ein Wort.

Und heute?

Dürften es fünf Prozent sein. Die Change-Linie besteht aus Bio-Baumwolle. Diese Linie liegt im Trend und ist bei uns fester Sortimentsbestandteil. Es gibt viele Kunden, die genau das suchen.

Finden Sie genügend Zulieferer, die Cradle-to-Cradle-zertifiziert sind?

Es gibt sie, wenn auch nicht im Übermaß. Uns fehlt zum Beispiel ein Reißverschlusshersteller.

Das Sortiment ist nicht sehr groß, rund 30 Artikel.

Wir sind beim Design durch das C2C-Prinzip etwas eingeschränkt. Jedes Garn, jeder Knopf muss zertifiziert sein. Deshalb ist das Programm auf Klassiker wie T-Shirts und Sweatshirts ausgelegt.

Die, wenn wir das so sagen dürfen, nicht übermäßig sexy wirken.

Mir wird schon lange vorgeworfen, dass ich nicht so modisch bin. Dafür habe ich in 50 Jahren keine negative Bilanz vorgelegt. Tolle Kollektionen auflegen und dann Insolvenz anmelden wie Gerry Weber oder Strenesse, das ist meine Sache nicht. Ich will Geld verdienen, ich trage Verantwortung. Wir arbeiten mit hundert Prozent Eigenkapital.

Sind andere Unternehmen Ihrem Beispiel gefolgt?

In meiner Branche kenne ich keines. Wir sind ja der einzige, der vollstufig, das heißt vom Garn bis zum fertigen Shirt, in Deutschland produziert. Wenn andere Färberei, Stoffherstellung und Konfektion zum Beispiel nach Indonesien oder China ausgelagert haben, wird es mit der Kontrolle schwierig.

Was müsste passieren, damit aus Cradle-to-cradle mehr wird als ein Nischenmarkt?

Das hängt nicht vom Produzenten ab, sondern vom Verbraucher. In Zeiten des Klimawandels wünscht man sich, dass er mehr Verantwortung übernimmt und eben nicht für 30 Euro von München nach Berlin fliegt oder das zwanzigste T-Shirt für fünf Euro kauft.

Angenommen, die Verbraucher würden in großer Zahl ihre Verantwortung entdecken. Könnten Sie den Bedarf decken?

Ich hatte noch nie ein Problem, wenn die Nachfrage stieg. Gut, das Angebot an Biobaumwolle ist begrenzt. Aber üblicherweise steigt die Nachfrage ja nicht abrupt, sondern nach und nach, und alle können sich darauf einstellen.

Warum ist Öko-Mode so teuer?

Weil die komplette Produktion Auflagen unterliegt: weniger Chemie, mehr Handarbeit. Es fängt bei der zertifizierten Bio-Baumwolle an, die wir bei einem Familienbetrieb in der Türkei kaufen, und geht bis zum umweltschonenden Spezialwaschmittel. Die Stoffe dürfen nicht in den Trockner, sondern müssen manuell aufgehängt werden.

Sie haben einmal gesagt, die Herstellung Ihrer Change-Produkte koste 20 bis 30 Prozent mehr als die konventioneller Ware. Sie verkaufen die Linie aber nur um 8 bis 10 Prozent teurer. Subventionieren Sie sie?

Ich verliere mit ihr kein Geld. Aber wenn die Kosten durch die kleineren Stückzahlen etwas höher liegen – weil die Näherin zum Beispiel schon nach 50 T-Shirts den Faden wechselt und nicht erst nach tausend – muss ich das ja nicht von Anfang an aufschlagen. Wenn ein Autohersteller sein erstes E-Modell auf den Markt bringen, wird er den Preis auch nicht nach den Kosten bestimmen, sondern nach den Absatzchancen. Damit es über kurz oder lang auf die Stückzahlen kommt, die er sich erhofft.

Nun sind Sie mit der Linie schon über zehn Jahre auf dem Markt.

Heute trägt sie ja auch zum Ertrag bei. Ich würde sie nie absetzen. Wir bekommen dadurch Kunden, die sonst vielleicht nicht bei uns kaufen würden. Sie dürfen mich nicht als Sozialsäusler sehen. Ich mache, was vorteilhaft fürs Unternehmen ist.

Nutzen Sie die üblichen Vertriebskanäle oder gibt es die Change-Linie etwa auch in Bioläden?

Ich existiere noch als Produzent, weil ich dem Handel die Stirn geboten habe. Erst den Kaufhauskönigen wie zum Beispiel Hertie oder Karstadt, die, bevor sie in Konkurs gegangen sind, ihre Lieferanten preislich gedrückt haben. Dann hat sich das Spiel bei SB-Märkten und Discountern wiederholt. Da musste ich erkennen, dass ich in einem bedarfsgedeckten Markt auch ein Teil der Handelsfunktion in eigene Hände nehmen muss, um nicht in totale Abhängigkeit zu geraten. So haben wir unsere eigenen Geschäfte, sogenannte Testgeschäfte, eröffnet.

In letzter Zeit machen Öko-Start-ups von sich reden, die Kleidung aus Altkleidung herstellen wollen oder Taschen aus ausgedienten Rettungswesten …

Die Frage ist immer, ob sich das auf lange Sicht rentiert. Tolle Ideen gibt es viele! Man muss sie auch umsetzen können.

absatzwirtschaft+

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(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.