Wo steht das Online-Marketing heute?

Ein Blick auf die Literatur zeigt: Der Begriff Online-Marketing umfasst weit mehr als die Suchmaschinen-Optimierung (SEO). Online-Werber sprechen darüber hinaus von Affiliate-Marketing, Keyword-Advertising, E-Mail-Marketing und Newslettermanagement. Eine einheitliche und klar umrissene Definition des Begriffs Online-Marketing gibt es nicht.

Die einschlägige traditionelle Marketingliteratur bezeichnet oft schon die bloße Existenz der Internetpräsenz eines Unternehmens als Online-Marketing. Andere, traditionelle Werken sprechen von Internet-Marketing. Meistens gilt diese im Rahmen des traditionellen Marketingansatzes nur noch als kleiner Baustein einer Gesamt-Marketingkonzeption, als ein Aspekt der vier großen P’s.

Abbildung 1: DIE EINSATZMÖGLICHKEITEN DES ONLINE MARKETING IM LICHTE DES TRADITIONELLEN MARKETING ANSATZES

Aus heutiger Sicht kann diese Betrachtung aus zwei Gründen nicht mehr aufrecht erhalten werden: In vielen Fällen ist die Internetpräsenz nämlich Kernsäule des gesamten Geschäftsmodells wie einschlägige Beispiele (eBay, Sekretariat24.com, HammerGel.de, Amazon.de) belegen. Es ist deshalb nicht haltbar, die Internetpräsenz und alles, was damit zu tun hat, nur als Bestandteil einer übergreifenden Marketingkonzeption zu betrachten. Übersehen wird ebenfalls häufig, dass moderne Online-Werbeformen in der Mehrheit aller Fälle darauf abzielen, Besucher auf eine ganz bestimmte Internetpräsenz zu lenken. Moderne Online-Werbeformen stehen also nicht isoliert. So würde beispielsweise eine Suchmaschinen-Optimierung oder Keyword-Advertising ohne Internetpräsenz keinen Sinn machen. Gleiches gilt für die Schaltung eines Werbebanners auf einem beliebigen Portal.

Demnach ist die in der Marketingliteratur häufig geführte Diskussion darüber, ob Online-Marketing ein eigenständiger Marketingtyp ist oder im klassischen Marketing subsumiert wird, müßig. Schlussendlich entscheidet die Bedeutung der Internetpräsenz im Geschäftsmodell eines Unternehmens darüber, welche Relevanz Product, Price, Place, Promotion und welchen Grad der Eigenständigkeit Online-Marketing einnimmt, wie einige der folgenden Beispiele zeigen werden. Die Stellung der Internetpräsenz im Geschäftsmodell entscheidet darüber, welche Bedeutung und welchen Anteil das Online-Marketing im Gesamtmarketing-Mix hat. Die Stellung von Online-Marketing im Gesamtmarketing-Mix hängt demnach indirekt von vielen Faktoren ab wie: Zielgruppe des Unternehmens, angebotene Produkte/Dienstleistungen, Lebenszyklus, Reifestadium und anderen mehr.

Die Definition von Online-Marketing sollte nach bisher Gesagtem daher lauten: „Online-Marketing sind Maßnahmen oder Maßnahmenbündel, die darauf abzielen, Besucher auf die eigene oder eine ganz bestimmte Internetpräsenz zu lenken, von wo aus dann direkt Geschäfte gemacht oder angebahnt werden können.“ Es ist naheliegend, dass Online-Marketing zumeist im Umfeld des Internet stattfindet. Der Vorteil ist, dass die Internetpräsenz, also das erste Ziel von Online-Marketing, nur einen Klick entfernt ist. Per oben genannten Definition sind aber auch Maßnahmen, die nicht im Umfeld des Internet stattfinden und dennoch darauf abzielen, Besucher auf eine ganz bestimmte Internetpräsenz zu lenken, dem Online-Marketing zuzuordnen: beispielsweise ein Flugzeug, das ein Transparent mit der Aufschrift „www.sekretariat24.com“ hinter sich herzieht. Dies wäre ein crossmedialer Ansatz, bei dem von dem einen zum anderen Werbemittel sozusagen „verlinkt“ wird.

Abbildung 2: DEFINITION VON ONLINE MARKETING

Anhand zweier konkreter Beispiele soll nun deutlich gemacht werden, dass Online-Marketing durchaus eine sehr eigenständige Stellung haben und dass ihm eine übergeordnete Bedeutung im Gesamt-Marketing-Mix eines Unternehmens zukommen kann. Bewusst wurden für beide Beispiele kleine Unternehmen ausgewählt, damit der Grad der Komplexität, was die Einordnung in den Gesamt-Marketing-Mix angeht, zunächst gering ist. Dabei liegen den Beispielen zwei völlig verschiedene Geschäftsmodelle zu Grunde. Im ersten Fall basiert das gesamte Geschäftsmodell auf der Internetpräsenz. Im zweiten Fall ist die Internetpräsenz lediglich einziges Instrument der Kommunikationspolitik im Marketing-Mix.

Abbildung 3: MARKETING MIX DES SEKRETARIAT24.COM

www.Sekretariat24.com bietet zu 100 Prozent Schreibdienstleistungen auf digitaler Datenbasis an, das heißt die Kunden senden über das Internet digitale Sprachdateien (DSS, MP3 oder anderes hoch komprimierendes Dateiformat). Die Schreibkräfte beim Sekretariat24.com tippen die Sprachdateien (Diktate) ab und senden das Ergebnis in Form von Word-Dateien an die Kunden zurück. Alle Prozesse sind über das Internet abgebildet und laufen verschlüsselt ab, so dass eine hohe Datensicherheit gegeben ist. Die Internetpräsenz nimmt demnach aus mehrerlei Blickwinkel eine zentrale Rolle im Geschäftsmodell ein. Die Zielgruppe muss über das Internet erreichbar sein, um die Dienstleistung des Serkretariat24.com in Anspruch nehmen zu können. Demzufolge ist der Marketing-Mix des Sekretariat24.com sehr stark Online geprägt, wie die vereinfachte Darstellung in Abb. 5 zeigt. Das kommunikationspolitische Instrumentarium fußt ausschließlich auf Online-Marketing. Der Online-Marketing-Mix stützt sich auf sechs Säulen mit unterschiedlich starker Ausprägung. Die folgende Abbildung veranschaulicht den Sachverhalt.

Abbildung 4: ONLINE-MARKETING-MIX DES SEKRETARIAT24.COM

Das Unternehmen www.Sekretariat24.com hat in den letzten Jahren ein solides und kontinuierliches Wachstum erfahren. Es arbeitet profitabel, was nicht zuletzt an der kosteneffizienten Ausgestaltung der Werbemaßnahmen durch die ausschließliche Nutzung von Online-Marketing liegt. Dass eine 100prozentige Konzentration auf Online-Marketing auch bei Geschäftsmodellen zum Erfolg führt, die nicht auf dem Internet basieren, zeigt das folgende Beispiel.

www.Reiterhof-Eifel.de ist ein Ferienbetrieb, der primär Reiten für Kinder in der Nähe eines Naturschutzgebietes in der Eifel anbietet. USP des Familienbetriebs ist die enge Betreuung der Kinder in den Reiterferien. Es sind immer nur vier Kinder gleichzeitig auf dem Reiterhof. Im Angebot sind Tagesaufenthalte, Wochenendaufenthalte und einwöchige Aufenthalte. Bis zur Entwicklung eines Marketingkonzeptes, welches auf kommunikationspolitischer Ebene ausschließlich auf Online-Marketing basierte, war der Familienbetrieb nicht profitabel.

Abbildung 5: VEREINFACHTE DARSTELLUNG DES MARKETING-MIX DES REITERHOF-EIFEL.DE

Die Auslastung lag lediglich bei 20 Prozent.Obwohl das Geschäftsmodell nicht unbedingt prädestiniert für Online-Marketing ist, wurde dennoch eine Strategie entwickelt, die 100% auf Online-Marketing setzt. Die Hauptgründe hierfür lagen in der geringen zur Verfügung stehenden Belegungskapazität in Kombination mit Budgetrestriktionen. Zunächst wurde ein Internetauftritt konzipiert und umgesetzt und anschließend ein Online-Marketing-Mix definiert, der sich auf drei Säulen mit unterschiedlich starker Ausprägung stützt, nämlich SEO, Keyword-Advertising und Online-Werbung. Im Ergebnis waren vier Monate später alle Ferientermine und viele Wochenendtermine von Reiterhof-Eifel.de ausgebucht. Und zwar für das komplette Kalenderjahr 2005. Das Familienunternehmen arbeitet nun mit einer Auslastung von etwas über 90 Prozent hoch profitabel.

Autor:

Erwin Lammenett ist Firmengründer und Geschäftsführender Gesellschafter des
Aachener Internet-Agentur team in medias GmbH (www.inmedias.de). Er ist außerdem Lehrbeauftragter der Fachhochschule Aachen und Buchautor.

eingestellt am 24. September 2005