Wirtschaftsflaute und Budgetdruck waren nach Ansicht der Marktanalysten ebenso an einer Desillusionierung nach dem Boom beteiligt wie enttäuschte Erwartungen an CRM-Systeme (Customer Relationship Management). Die Diskrepanz zwischen der Macht reiner Technologie und dem Umsetzen von CRM-Strategien – darunter die erfolgreiche Einbeziehung der Mitarbeiter und das Schaffen merklichen Kundennutzens – erweist sich in der Praxis meist als problematisch. „Die Krise der CRM-Branche ist die Krise der lauten Töne“, sagt Claus Droemer, kaufmännischer Geschäftsführer des Germeringer Herstellers Regware GmbH, über die Stimmung am Markt nach dem Abflauen des Hypes.
Nachdem die Probierphase von CRM vorüber ist und die ärgsten Flops der Early Birds verarbeitet, bleibt abzuwarten, ob der Mittelstand das bisher vorsichtig beäugte Thema stärker in den Fokus nimmt. „Gerade mittelständische Unternehmen haben die Chancen von CRM erkannt“, berichtet Droemer. „Kleinere Unternehmen vermeiden implizit die Fehler der Konzerne, die sich mit der Projektkomplexität schwer tun. Sie gehen schon aufgrund ihrer eingeschränkten Ressourcen schrittweise vor – die beste Strategie, um CRM nachhaltig umzusetzen“, so Droemer, dessen 1988 gegründetes Unternehmen zu den ältesten Anbietern am Markt zählt und rund 70 Prozent seines Klientels im KMU-Bereich verortet.
Software ist kein Allheilmittel
Als wichtigsten Grund, warum viele CRM-Projekte nicht den gewünschten Erfolg bringen, sieht der Regware-Mann die Technikfalle: „CRM ist eine Philosophie und hat mit Software nicht allzu viel zu tun. Software allein kann keine besseren Kundenbeziehungen schaffen“. Erst eine ganzheitliche Orientierung und Einbindung des Managements und aller beteiligten Abteilungen wie Marketing, Service und Vertrieb bilde die Grundlage erfolgreicher Projekte. Schließlich steht nicht nur der Verkauf im Kundenkontakt: Beispielsweise löst der Service ein Problem zur Zufriedenheit des Kunden oder die Buchhaltung klärt kompetent ein Rechnungsproblem. Nur mit einem CRM-System stehen diese Informationen allen Mitarbeitern zur Verfügung und geben ihnen die Möglichkeit, dem Kunden ein geschlossenes Bild zu vermitteln.
Die weitgehende Integration der Informationen aus allen Unternehmensbereichen rührt allerdings an eine empfindliche Problemzone: Nicht selten entstehen Rangeleien zwischen den Abteilungen, weil wohlgehütetes „Herrschaftswissen“ nicht preisgegeben werden soll. Oft wird CRM als Information Overload wahr genommen oder Ängste vorm „gläsernen Mitarbeiter“ geschürt. Hier sind beim Projektmanagement Diplomatie und vor allem überzeugende Argumente sowie Begleitmaßnahmen gefragt – beispielsweise in Form von Schulungen oder der engen Zusammenarbeit mit Power Usern, die den anderen Mitarbeiter Aha-Effekte und Nutzen aus eigener Erfahrung näher bringen.
Auch die sinnvolle Umsetzung von Prozessen ist wichtig. Dabei ist es nach Überzeugung von Droemer nicht zuletzt für Mittelständler entscheidend, mit einem auf die jeweilige Branche spezialisierten Anbieter zusammenzuarbeiten – vorausgesetzt dieser ist langfristig stabil im Markt verankert.
Die Mär von der Mobilität
Zunehmend beliebt sind mobile Lösungen für den Außendienst. Die meisten Anbieter haben eine web-basierte Lösung im Portfolio. Den Datenbankzugriff über Handy halten Experten von den Geräten her allerdings immer noch nicht für ausgereift. Andererseits birgt die neue Technologie große Vorteile bei der IT-Administration – bei 100 Außendienstmitarbeitern ist der Aufwand, lokale Datenbanken zu replizieren und zu warten nicht unbeträchtlich. Einen Trend sieht der CRM-Spezialist beim Einsatz von Handheldlösungen auf PDA, die Online- und Offline-Daten verbinden und einen schnellen Zugriff ermöglichen: Anders als beim Laptop müssen die PDAs nicht langwierig hochgefahren werden, um eine Kundentelefonnummer herauszusuchen.
Das Thema Speicherkapazität haben die Hersteller mittlerweile im Griff, nur bei der Darstellung gibt es noch Grenzen. Besonders geeignet sind solche Lösungen für Anwendungsbereiche, die keinen permanenten Zugriff benötigen, beispielsweise im Key Account Management. State-of-the-Art-Software erlaubt den Zugriff auf Kundenstammdaten, das Termin- und Task-Management, die Kontakt- und Auftragserfassung sowie die Umsatzdarstellung und Buchhaltungsdaten. Genutzt werden die klassischen Mobilfunkprotokolle, UMTS hingegen liegt den meisten Anwendern fern – zu unklar ist die Entwicklung des Endgeräte-Spektrums derzeit.
Laut Meta Group wächst vor allem die Relevanz von analytischem und kollaborativem CRM. Letzteres kommt in der Praxis derzeit kaum vor: die Wunschträume von Channel Integration – der Verzahnung aller Kommunikationskanäle wie Telefon, Internet, eMail, Fax und Papierpost – haben sich bisher als schwer realisierbar erwiesen. Der Handlungsbedarf auf dem Weg zu mehr Kundenfreundlichkeit hingegen bleibt bestehen. Im analytischen Bereich haben heute fast alle Anbieter etwas zur Hand: Die Bandbreite variiert von hinzugekauften Komponenten, Partnerschaften mit den großen BI-Spezialisten (Business Intelligence) wie Cognos oder Business Objects bis hin zu eigenen Lösungen.
Egoismus oder Altruismus
Gretchenfrage bei der Einführung von CRM-Systemen ist laut Droemer: „Wollen wir durch CRM aktiv eine Mehrwertschöpfung für den Kunden erreichen?“ Hier gehen die meisten Unternehmen nicht über Lippenbekenntnisse hinaus. Vor dem Hintergrund des Kostendrucks ging es vielen primär um den ROI – Einsparungen bei den Prozessen und Mitarbeiterkontrolle waren die eigentliche Intention. Dass diese Erwartungen auch durchaus realistisch sind, zeigt eine Studie der IDC, die den ROI von CRM-Projekten untersucht. Immerhin 30 Prozent der Teilnehmer erreichten einen ROI von 500 Prozent.
Ein verbreiteter Ansatz besteht darin, mit CRM-Software durch besseres Management der Kundenbeziehungen einen höheren Ertrag aus der Kundenbasis generieren zu wollen. Ein strategisch falscher Ansatz, meint Droemer: „Kunden lassen sich nicht managen. Das Optimieren der Kundenbeziehung ist etwas ganz anderes“. Acht von zehn CRM-Betreibern verwenden ihre Systeme nicht, um die Beziehung zum Kunden zu stärken, sondern um Kosten zu senken, konstatiert auch der Managementkompass Vertriebssteuerung der Unternehmensberatung Mummert Consulting. Das US-amerikanische Wirtschaftmagazin „Economist“ fand in einer Umfrage heraus, dass neben dem Streben nach längerfristigen Kundenbeziehungen und dem Anliegen, mehr Geld mit den bestehenden Kunden zu verdienen, erst an dritter Stelle daran gedacht wird, die Kundenzufriedenheit zu verbessern. Ob diese Herangehensweise den gewünschten Erfolg bringt, bleibt zu abzuwarten. Doch auf der Suche nach dem Königsweg gilt laut Claus Droemer vor allem eine Regel: „CRM ist ein Lernprozess und lässt sich nicht verordnen“.
Autorin:
Daniela Hoffmann, 35, arbeitet als freie Fachjournalistin für den ITK-Bereich in Berlin.