Wohl niemand möchte „Werbung mit der Gießkanne“, doch Streamingportale treiben die Personalisierung auf die Spitze: „Hat Ihnen dieser Film gefallen? Wollen Sie weitere Filme wie diesen schauen?“ Häufig spielen Netflix und Co. sogar ungefragt den nächsten Trailer ab, von dem der Algorithmus glaubt, er könnte die Zuschauenden für weitere 22 Staffeln in seinen Bann ziehen. Wer sich davon beeinflussen lässt, landet in der Film-Bubble. Täglich grüßt das Murmeltier. Anderer Film, ähnlicher Inhalt.
Ein Personalisierungs-Wahn, wie man ihn von Facebook, X und anderen Social-Media-Plattformen ebenfalls kennt. Wer bestimmte Themen mag, bekommt diese verstärkt angezeigt. Sobald die Software ein Interesse erkennt, wird gnadenlos die Marketing-Maschine angeworfen. Einfalt statt Vielfalt. Monotonie statt Abwechslung. Eine personalisierte Informationsblase, der man sich nur schwer entziehen kann. Was läuft falsch?
Lieber bei den Basics beginnen
Personalisierung wird als Heiliger Gral der Conversion Rate angesehen. Entsprechend oft wird übertrieben. Wie wäre es, einmal nicht stur auf das Individuum zu schauen, sondern bei den Basics zu beginnen? Dort wird noch immer viel zu viel falsch gemacht: Einer aktuellen Analyse von Conversionmaker.ai und AdBubble zufolge verschenkt der Onlinehandel entscheidendes Potenzial bei der Zielgruppenansprache. Bei drei von vier untersuchten Unternehmen stimmten Werbeanzeige und Produktbeschreibungen in weniger als 50 Prozent (!) der Fälle überein. Hier wurde also sträflich am Conversion-Ziel vorbeikommuniziert. Ein Drittel der untersuchten Anzeigen konnte zudem keinem eindeutigen Persönlichkeitstyp zugeordnet werden. Bei den dazugehörigen Landingpages waren es sogar 45 Prozent. Hierfür wurde das OCEAN-Modell (auch bekannt als Big Five) herangezogen, das fünf Persönlichkeitstypen definiert, die auch im Marketing genutzt werden.
Während auf der einen Seite die grobe Personalisierung in große Gruppen vernachlässigt wird, scheint die spitze Personalisierung auf anonymisierten Nutzerprofilen unaufhaltsam voranzuschreiten. Google hat das Drittanbieter-Cookie-Aus für seinen Chrome-Browser auf Eis gelegt, Identity-Anbieter tüfteln an ausgeklügelten Profilierungsmethoden und mithilfe von KI können wir uns mittlerweile persönliche Assistenten erstellen, die unsere Vorlieben besser kennen als wir selbst.
Vielleicht ist die Weihnachtszeit ein guter Zeitpunkt, einmal innezuhalten und sich in seine Kund*innen und Zielgruppen hineinzuversetzen: Möchten Konsument*innen wirklich absolut passgenaue Werbung erhalten, um effizient einzukaufen oder zu konsumieren? Oder wollen Menschen nicht vielmehr überrascht werden, staunen, stöbern und sich vielleicht sogar verlieben – sei es in einen Film, ein Produkt oder eine Marke? Weniger Algorithmus und mehr Begeisterung; ich denke, das wäre vor allem im Weihnachtsgeschäft eine Überlegung wert.
Schon gehört?
Social Media und Digital Video stehen im kommenden Jahr Fokus der Werbetreibenden. Der „Industry Pulse Report 2025“ von Integral Ad Science (IAS) zeigt, dass Social-Videos immer stärker konsumiert werden, was wiederum die programmatische Videowerbung vorantreibt. 43 Prozent der befragten Mediaexpert*innen wollen demnach im nächsten Jahr verstärkt in Digital Video (inklusive Connected TV, CTV) investieren. 73 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich die Werbeausgaben weiter vom linearen Fernsehen ins CTV verlagern.
Doch auch im linearen Fernsehen werden die digitalen Werbemöglichkeiten immer komfortabler: Die d-force – ein Joint Venture von ProSiebenSat.1 und RTL Deutschland – hat neue Targeting-Optionen für Addressable TV-Spots (ATV) gelauncht und die Werbe-Inseln der beiden TV-Häuser flexibilisiert. Das programmatische Spot-Replacement – das unterschiedliche Werbe-Spots für unterschiedliche Zielgruppen ermöglicht – ist neben den etablierten 20-Sekündern nun auch für 15- und 30-sekündige Bewegtbild-Flights möglich.
Für klassische Videoanzeigen im Web können ebenfalls neue technische Möglichkeiten genutzt werden. Tech-Anbieter Adnami hat eine Videostreaming-Technologie entwickelt, die sicherstellt, dass Videoanzeigen nur dann starten, wenn sie sichtbar sind und sofort pausieren, wenn sie das Sichtfeld verlassen. Die tatsächliche Aufmerksamkeit wird dadurch messbar und Werbebudget effizient genutzt.
Ob CTV, ATV oder klassische Videoanzeigen: die technischen Möglichkeiten der Bewegtbildwerbung entwickeln sich momentan in allen Bereichen stark weiter. Das ist ein Thema, das uns auch im Jahr 2025 beschäftigen wird.
Übrigens: Neben Technologien, die uns im kommenden Jahr begleiten, gibt es zahlreiche, von denen wir uns verabschieden müssen. Mashable widmet den ausgemusterten Lösungen eine großen Beitrag. Aber lesen Sie selbst …
In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert!