„Wir predigen Marken immer: Seid bereit für TikTok“

Nikon Europe ist einer der Preisträger der TikTok AdAwards 2023. Was macht eine gute Kampagne auf TikTok aus? Wir haben mit den Köpfen hinter der Kampagne Paulina Schumann, Pascal Fiedler und Jan Nicolas König gesprochen.
Pascal Fiedler (links) und Paulina Schumann sind die Gründer der Agentur Charles & Charlotte. Jan Nicolas König ist der Co-Founder von Odaline. (© Charles & Charlotte/ Odaline)

Nikon Europe hat bei den diesjährigen TikTok Ad Awards den Preis für die Kategorie „Greatest TikTok
DACH“ gewonnen. Die Begründung: Nikon hat es geschafft, mithilfe der Kreativität von Creator*innen die
Markenbekanntheit und Kaufabsicht bei der Gen Z zu steigern. Dazu habe es vor allem eins gehört:
Mut.

Das sagen Jan Nicolas König (Odaline) sowie Paulina Schumann und Pascal Fiedler (Charles &
Charlotte), die die Kampagne verantwortlich zeichneten. Die absatzwirtschaft hat mit den Verantwortlichen über Mut, wichtigen KPIs auf TikTok und Verständnis für die Plattform gesprochen.

Frau Schumann, Herr Fiedler, Herr König, was macht eine gute Marketingkampagne auf TikTok aus?

Fiedler: Man darf nicht mehr davon ausgehen, dass alles von A bis Z durchkontrolliert werden kann.
Man muss als Unternehmen Kontrollverlust einbeziehen. Der Nikon-Case, mit dem wir gewonnen
haben, hat auf diese Weise funktioniert. Es gab nur ein kleines Briefing, nämlich eine Mystery-Box,
die wir den Creator*innen zugeschickt haben mit der Ansage: Mach mal. Die Mission von Nikon ist:
„Enable Creators to tell their story“. Als Marke weißt du nicht, was bei diesem Briefing herumkommt,
aber es gehört Vertrauen dazu, um auf TikTok erfolgreich zu ein.

Schumann: Dazu gehört auch, dass man keine Angst vor einem Shitstorm haben soll. Marken
fürchten sich so sehr vor Reaktionen. Die Größe des Unternehmens spielt dabei keine Rolle, das tun
auch kleinere. Die Frage ist: Wie sehr vertraust du den Creator*innen und wie sehr hast du Bock, Teil
davon zu sein. Viele sind da in der alten Welt stecken geblieben. Aber man muss die Sprache der
Plattform sprechen und mit der Marke spielen.

Ist Angst das größte Problem bei der Zusammenarbeit mit Marken auf TikTok?

König: Ja. Bei unserer Zusammenarbeit mit Jack Wolfskin, Ford und weiteren arbeiten wir eng mit
Creator zusammen. Das ist ein Prozess, den viele Brands nicht gewohnt sind. Auch musst du in
Frequenz, Langfristigkeit und Output investieren. Die Budgets werden nicht größer, aber Brands, die
es verstehen und darauf setzen, hauen in der Woche sechs oder sieben Assets raus. Das schaffst du
nur, wenn du deine Prozesse neu erfindest und dafür brauchst du entweder externe oder interne
Content Creator*innen.

Wie setzt man die richtigen KPIs auf TikTok fest?

König: Wir predigen unseren Marken immer: Seid bereit für diese neue Welt. Der Content Graph auf
TikTok reguliert so, dass nur guter Content auch Reichweite bringt – unabhängig davon, wie groß der
Name der Creator ist. Content, der den Daumen stoppt ist das Unterscheidungsmerkmal auf TikTok.
Nur wenn Marken es schaffen, guten Content zu erstellen, werden sie in der Zukunft bestehen.
Content ist der Differentiator für Markenarbeit auf TikTok.

Fiedler: Ganz viele Marken sehen TikTok als Marketing-Tool. Es ist aber eine Community-Plattform. Es
ist wichtig zu verstehen, dass Unternehmen Dialoge erzeugen und so in der Community etwas
passiert. Zum Punkt KPIs: Wir schauen uns die Hook-Rate an (die Hook-Rate oder Thumb-Stop
rate-Rate wird berechnet, indem die zwei-Sekunden-Videoansicht durch die Impressionen geteilt
wird, Anm. d. Red.), 50 Prozent sind schon gut. Die zweite KPI ist die Hold-Rate, also die ersten sechs
Sekunden geteilt durch Impressions. Wenn es zwischen beiden KPIs eine Kluft gibt, beginnt das
Fragen nach dem Warum.

Verstehen Marken, dass es hier um Sekunden geht?

Fiedler: Marken müssen das verstehen, das ist unsere Aufgabe. Zwar werden TikTok-Videos immer
länger, aber ihre Durchschnittszeit beträgt immer noch 10 bis 15 Sekunden. Hinzu kommt: Hook- und
Hold-Rate sind gut, aber wir müssen weg von Views und Likes.

Schumann: Warum machen Marken TikTok? Nikon hatte den Anschluss an die Gen Z verpasst, sowohl bei der Awareness als auch Consideration. Wir haben uns gefragt: Wie können wir diese Kluft
schließen? Auf TikTok chillt die Gen Z. Neben den On-Plattform-Benchmarks wie Hook-Rate und
Views lassen wir daher auch eine Mafo laufen.

Fiedler: Nur so können wir dem C-Level zeigen, dass die Kampagnen in den Köpfen der Menschen
bleiben. Wir haben vor der Kampagne festgestellt: Die Leute kannten zwar Nikon, aber die
Kaufbereitschaft war sehr gering. Nach der Kampagne sind die KPIs Awareness, Kaufbereitschaft und
Consideration innerhalb von sechs Monaten stark gestiegen.

König: In unserer Mafo konnten wir filtern, welche Menschen Fotografie-Interesse haben, also die
Multiplikatoren, die wir erreichen wollten. Dort waren die KPIs wesentlich höher, weil der
Content-Graph unseren Content noch stärker an diese Menschen ausspielt.

Wie können sich Kampagnen auf TikTok außerdem noch auswirken?

Schumann: Kampagnen zahlen sich auch beim Thema Recruiting aus. Von einer anderen Brand hatte
uns einmal eine Mail von ihrer HR-Abteilung erreicht, die uns mitteilte, dass sie durch eine
TikTok-Kampagne zehn Prozent mehr Bewerbungen von jüngeren Menschen bekommen hätten.

Fiedler: Das ist ein spannender Punkt: TikTok ist ein Cultural Taste Maker. Wenn du nicht auf TikTok
stattfindest, bist du nicht der Platzhirsch deiner Branche. Wenn Marken das nicht checken, verlieren
sie den Anschluss nicht nur bei den Konsument*innen.

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.