Herr Berger, was versteht Toyota unter Content Marketing?
Thomas Berger: Für uns setzt sich Content Marketing aus drei Bestandteilen zusammen. Da wäre zunächst Storytelling. Beim Auto läuft der Kaufentscheidungsprozess üblicherweise über sechs bis zwölf Monate. Da stellt sich eben die Frage: Wie bleibt man als Automarke im Relevant-Set der Kunden, wie hält man die potentiellen Kunden im Engagement? Wir erzählen also zum Beispiel Geschichten darüber, was die Menschen mit unseren Autos erleben.
Zweitens geht es um die konkrete Begleitung des Kaufprozesses. Die Kaufentscheidung beginnt ja nur ganz selten bei der Marke. Wichtiger sind die Lebensumstände, das verfügbare Budget oder bestimmte Leistungsmerkmale, also zum Beispiel die Frage, ob das Surfbrett rein passt oder die beiden Kinder. Die Entscheidungsfindung schwankt permanent zwischen rational und emotional und wir müssen eben versuchen, die richtigen Inhalte zum richtigen Zeitpunkt auf der richtigen Plattform auszuliefern.
Und drittens ist Content Marketing natürlich SEO. Wir bauen gerade die ganze Toyota.de um. Weg vom Fakten-getriebenen, hin zu Storys.
Ist das Toyota-Magazin das redaktionelle Herz?
Berger: Im Automobilbereich konkret noch nicht, aber das kommt. Sehr intensiv arbeiten wir am Magazin der Toyota-Bank. Das sind sehr hochwertige Inhalte mit sehr wenig Fokus auf die konkreten Produkte. Das Magazin liegt in den Filialen aus und steht auch online.
Wenn die Storys online den Mantel eines Magazins haben, steht das dann nicht in Konflikt mit beispielsweise Landingpages, Stichwort Duplicate Content?
Berger: Nein, da achten wir sehr genau darauf. Im Zweifel verlinkt dann die Landing Page mit einem Teaser auf die Magazingeschichte.
Wie autonom sind die einzelnen Länder?
Berger: Die Länder sind weitgehend autonom, sie haben auch sehr unterschiedliche Fahrzeugpaletten. Allerdings gibt es natürlich zentrale, internationale Themen, wie etwa das Thema Hybrid, dass Toyota überall besetzt. Hier haben wir zum Beispiel eine gemeinsame Kampagne zum „Myth-Busting“ gemacht, um die Vorurteile rund um das Thema Hybrid zu bearbeiten.
Wie viel produzieren Sie Inhouse, wie viel durch Agenturen?
Berger: Inhouse haben wir zwei Mitarbeiter in Fulltime, die zum Beispiel die ganze Produktion machen bis hin zum Druck des Magazins. Und dazu kommt noch eine Dame, die Social Media betreut. Wir haben ein ziemlich gutes Digital Asset Management, das macht die Arbeit deutlich leichter.
Seit 25 Jahren ist zudem Saatchi in Düsseldorf unsere Leadagentur, mit denen machen wir monatliche Themenbriefings. Wir dekonstruieren zum Beispiel Themen der Popkultur und versuchen Punkte zu finden, an die wir mit Geschichten andocken können. Wir arbeiten intensiv mit Performics/NewCast zusammen, einer Saatchi-Schwester. Die sind Spezialisten für Native Advertising und produzieren die ganzen Content Specials auch mit Fokus auf die SEO-Wirkung.
Wo finden Sie die Themen?
Berger: Neben proaktiver Trendanalyse und Themen-Souting kommt sehr viel über TintUp zu uns. Das ist ein Aggregator, wo wir z.B. Hashtag-Filter setzen und dann durchsucht der alle möglichen Plattformen und spielt uns die Inhalte zu. Die werden von uns gelesen und entweder setzen wir mit eigenen Geschichten bei den Themen an oder wir spielen diesen Live-Feed direkt über unsere Plattformen aus. Das ist toller user generated content. Wir lieben Tools.
Zum Beispiel Falcon Social: Das ist europaweit unser Werkzeug, um Inhalte von zentraler Stelle auszuspielen. Auch das macht unsere Arbeit deutlich effizienter. Und Syntesio ist das Werkzeug, mit dem wir Social Media monitoren. Hier haben wir übrigens einen Prozess installiert, der direkt zu Sales führt. Die Jungs gehen dann in die Diskussionen und generieren dort Leads.
Lassen Sie uns über konkrete Inhalte sprechen. Wie waren die Erfahrungen bisher mit Aygo Native Advertising bei Huffington Post?
Berger: Extrem positiv. Hier haben wir zum ersten Mal alle Register gezogen und sind auch mit respektablen Erfolg in die Kanäle und ins Seeding gegangen. Insgesamt haben wir für die Launchkampagne zum Aygo rund 5,3 Millionen Euro aufgewendet. Wir haben sehr viel Verbreitung über die sozialen Netzwerke erreicht, auch deshalb, weil wir eben nicht zu sehr auf technische Details eingehen sondern Geschichten erzählen. Denken Sie an den „unsichtbaren Fahrer“, Rita Ora oder den „Pinkel- Aygo“. Bei letzterem haben wir einfach die Reaktionen der Menschen gefilmt. Die Video-Stories haben allein auf Youtube bisher über 3,4 Millionen Views erzeugt.
https://www.youtube.com/watch?v=3lEYZJs1dK8
https://www.youtube.com/watch?v=i3RfwVyz50Q
Ist Native Advertising für Sie ein heikles Thema? Gibt es eine Policy?
Berger: Eine Policy in dem Sinne nicht, aber klar ist, das wir nicht als Uboot unterwegs sein wollen. Das passt nicht zu unserer Marke. Im Gegenteil, wir sprechen Themen sehr direkt an. Klare Kennzeichnung ist Pflicht. Zurzeit befindet sich eine Kampagne in Vorbereitung, mit der wir gezielt die Vorurteile gegenüber der Marke Toyota auf die Schippe nehmen und uns selbst gleich dazu. Wir versuchen gar nicht, das rational zu beantworten.
Aber natürlich haben wir bei den Verlagen offene Türen, weil wir insgesamt ein hohes Mediaspending haben. Da sind wir auch im redaktionellen Umfeld stets gut präsent.
Sind Native Formate wie „Hybrid Animals“ nicht sehr weit weg von der Marke?
Berger: Das ist eine amerikanische Kampagne. Ich war damals noch nicht bei Toyota, aber hier muss man klar zwischen den Märkten trennen. Wir haben insgesamt kein sonderlich jugendliches Image und insofern gehören auch Maßnahmen, die die Marke etwas frischer und fröhlicher dastehen lassen, ebenfalls zum Portfolio. Das war auch schon bei „Nichts ist unmöglich“ so.
Sie erwähnten eingangs, dass Sie Content Marketing am Sales Funnel ausrichten. Wie geht das?
Berger: Zunächst müssen Sie sich ein gutes Bild von der Customer Journey verschaffen. Wir analysieren Suchverhalten, kaufen Studien zu und befragen die Kunden im Handel und über die Website. Dabei stellt man fest, dass die Journey innerhalb bestimmter Altersgruppen recht stabil ist, nur die gewählten Informationskanäle sind andere. Daran werden wir nichts ändern können. Das bedeutet, dass wir die relevanten Informationen auf allen Kanälen passend ausspielen müssen. Auf Flickr haben wir ein ganz anderes Publikum als auf Instagram, aber die Kernbotschaften sind konsistent.
Ein Beispiel: Der Kunde besucht in der Regel zwei Mal den Händler. Einmal ganz zu Beginn. Da braucht er die Haptik, will sich in das Auto setzen. Dann hört der Händler ein halbes Jahr nichts von ihm und – wenn wir Glück haben – kommt der Kunde zum Kaufen wieder. Wir wissen aber, dass er recht zeitnah nach dem Erstbesuch sich über Testberichte weiter informiert und Social Media konsultiert. Hier wollen wir uns ins Spiel bringen zum Beispiel darüber, dass wir direkt auf der Toyota-Website Kundenbewertungen einblenden. Die sind doch viel authentischer als Testberichte.
Sie sprachen von Flickr und Instagram als Kanal, was ist mit Pinterest?
Berger: Es gibt nichts Schlimmeres im Social Web, als wenn man einen Kanal eröffnet und dann nicht sauber bedient, weil die Ressourcen fehlen. Pinterest ist für uns im Moment kein Thema, ich habe in Deutschland noch keine echte Erfolgsgeschichte von Unternehmen gehört.
Wird Content Marketing overhyped?
Berger: Das mag sich jetzt komisch anhören, aber ich finde schon. Jeder hat ja seine ganz eigene Interpretation und da werden mitunter Dinge als Content Marketing beschrieben, die ich nicht dafür halte. Jedes noch so kleine Engagement Ad, jedes Quiz ist inzwischen Content Marketing. Das ist doch quatsch. Als Buzzword ist Content Marketing definitiv overhyped, als Strategie aber zweifellos nicht.
Herr Berger, vielen Dank für dieses Gespräch.
Thomes Berger wird die Content Marketing Strategie im Rahmen der Content Marketing Conference am 4. Und 5. März in Köln präsentieren. Wenn Sie dabei sein wollen, schicken Sie eine E-Mail an cmc@contilla.de. Unter den Einsendern verlosen wir eine Tageskarte für zwei Personen.