Mutige Entscheidungen
„Was uns lange fehlte, war der Mut“, bekennt der Holländer. Der Mut unpopuläre und teils schmerzvolle Entscheidungen zu treffen. Hier ging es MediaMarktSaturn nicht anders, als vielen anderen Großunternehmen. Mut dazu, alte Zöpfe abzuschneiden, wie den ersten Onlineshop, der als Silo parallel zur Filialstruktur existierte. Beide Kanäle kannibalisierten sich eher als voneinander zu profitieren.
Haas zeigte aber vor allem Mut bei wichtigen Personalentscheidungen. Er machte Martin Wild, den damaligen Geschäftsführer von RedCoon zum Chief Digital Officer. „Martin guckt sich heute Dinge an, die für uns die nächsten zwei Jahre irrelevant sind“ beschreibt Haas ohne jegliche Ironie den zukunftsgerichteten Aufgabenbereich von Wild, der – anders als viele Berater – über tiefste eigene Erfahrung im Onlinevertrieb von Technik verfügt.
Im gleichen Jahr stieß Marcus Koch zur Unternehmensführung. Der Konstanzer ist nicht nur einer der ausgewiesenen Experten im Bereich Performance-Marketing in Deutschland, er hat auch jede Menge Erfahrung in Management und Personalführung, durch die Arbeit in seiner eigenen Agentur Goldbach interactive. Koch leitet die Geschicke der Inhouse-Agentur RedBlue.
RedBlue spielt aktuell eine äußerst spannende Rolle im Konzern, weil sie das Image wieder in Richtung Innovationsführerschaft drehen will und vor allem das Thema Beratungskompetenz – das man fast komplett aus dem Blick verloren hatte – neu zu etablieren. Thorsten Eder zum Beispiel war bis 2014 Leiter des digitalen Marketings und verantwortet heute den Gesamtetat von Saturn. In den allermeisten Großunternehmen ist die (budgetäre) Bedeutung von Digital zu gering, um den direkten Karriereschritt in Richtung Marketingleitung zu eröffnen. Nicht so in Ingolstadt.
Und das hat seinen Grund: Eder ist mitverantwortlich für den Aufbau von TurnOn, dem Contentformat, das sich genau auf die Kernkompetenzen eines Technikhändlers zurück besinnt: neutrale Produktberatung, Kuratierung, Tests und HowTos. Das Content-Konzept ist inzwischen so stark, dass RedBlue seit Sommer damit begonnen hat, Werbeformate für externe Kunden zu entwickeln und zu verbreiten. Technik-Publishing als neues Erlösmodell für den ehemaligen „Kistenschieber“.
„Ich wünsche mir mehr Mut von der Politik in Sachen Transformation“, endet Pieter Haas auf dem Handelskongress. „Der Ausbau der digitalen Infrastruktur ist Pflicht, aber aus Sicht des Handels sollte man in Berlin ergebnisoffen über die Sonntagsöffnung nachdenken“, richtet der Topmanager seinen Appell an die künftige Regierung. In Holland habe man beste Erfahrungen gemacht, auch die deutschen Kunden stehen Sonntags jenseits der Grenze an der Kasse. „Und wir haben noch keinen einzigen Mitarbeiter zwingen müssen, sonntags zu arbeiten“.