Florian Sieber (39) und Felix Stork (40) stehen für die neue, junge Generation in der Führung des fränkischen Familienunternehmens Simba Dickie Group. Sieber ist seit drei Jahren Chef und Stork verantwortet das Marketing bei einem der größten deutschen Spielwarenhersteller. Wie sind die beiden in ihre Führungsrollen hineingewachsen, welche Momente des Zweifels gab es und wieso verbinden sie viele positive Erinnerungen mit dem Klicken eines Kofferverschlusses? Wir haben mit den beiden gesprochen.
Herr Sieber, Herr Stork, in welchen Momenten in Ihrem Alltag ist Ihnen der Begriff „Familienunternehmen“ besonders präsent?
Florian Sieber: Das Thema ist bei uns omnipräsent, weil so viele Familienmitglieder im Unternehmen aktiv sind: Meine drei Cousins, meine Frau, mein Bruder ist mittlerweile auch dabei und mein Vater ist nach wie vor präsent. Was das Familienunternehmen ausmacht: Die Themen lassen uns nicht los, wenn wir das Büro verlassen, sondern beschäftigen uns auch zu Hause weiter, ob am Abend oder am Wochenende. Das ist auch nicht schlimm – es ist nun mal unser gemeinsames Unternehmen.
Felix Stork: Es stimmt, wir haben 24/7 mit der Familie zu tun. Ich muss aber ehrlicherweise sagen, dass ich mir nicht immer diesen Gedanken mache: Familie oder nicht? Wir verstehen uns auch im Unternehmen als eine große Familie. Deswegen ist es für mich gar nicht ausschlaggebend, wenn ich mit einem Kollegen oder einer Kollegin spreche, ob die Person ein Familienmitglied ist. Im Endeffekt geht es um die sachliche Auseinandersetzung mit Themen und Projekten.
Ihr Großvater Fritz Sieber hat das Unternehmen 1982 gemeinsam mit Ihrem Vater/Onkel Michael Sieber gegründet. Was bedeutet es für Sie, diese Familientradition fortzusetzen?
Florian Sieber: Wir haben dieses Erbe mit großem Respekt vor denen angetreten, die es aufgebaut haben, also vor unserem Großvater, unserem Vater und auch dem Managementkreis, der mein Vater viele Jahre lang unterstützt hat. Wir können uns sehr glücklich schätzen. Es ist eine tolle Chance, die aber natürlich mit der Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden und ihren Familien verbunden ist. Es bedeutet, dass man auch in schwierigen Zeiten zusammenhält.
Felix Stork: Ich kann nur wenig hinzufügen, vielleicht noch zwei Worte: Stolz und Demut. Es ist nicht selbstverständlich, dass einem das Vertrauen geschenkt wird, so etwas mitzugestalten. Auf der anderen Seite ist es wichtig, sich daran zu erinnern, wo man herkommt. Das Unternehmen war nicht schon immer das, was es heute ist.
Was ist Ihre früheste Erinnerung ans Unternehmen?
Florian Sieber: Mir kommen da zwei prägende Erinnerungen in den Kopf: Einmal die Ferienarbeit im Lager, auch zusammen mit meinen Cousins Felix und Max. Wir haben für einige Wochen im Sommer Holzklötze abgepackt, Pakete etikettiert und versandfertig gemacht. Der zweite Gedanke geht in unseren Showroom (in der Firmenzentrale in Fürth, Anm. d. Red.), der unsere gesamte Produktwelt inszeniert und uns schon als Kinder extrem begeistert hat.
Felix Stork: Ich habe noch eine weitere besondere Erinnerung: Für uns als Kinder war es immer ein Highlight, wenn unser Opa mit seinem Silberkoffer voller neuer – vor allem elektronischer – Spielwaren von seinen Asienreisen zurückkam. Ich höre heute noch das Klicken der Kofferverschlüsse. Das war für uns immer ein vorgezogenes Weihnachten. Wir waren ein bisschen die Stars auf dem Pausenhof, weil wir immer die neuesten Gadgets hatten. Wahrscheinlich hatten wir als erste den Game Boy.
Florian Sieber: Es war ja damals noch ganz anders als heute: Die großen Unternehmen, egal ob es die amerikanischen oder japanischen waren, haben mit ihren Innovationen immer erst ihre Heimatmärkte bedient. Bis die Produkte nach Europa kamen, konnte es schon mal zwei bis drei Jahre dauern.
Wann haben Sie sich entschieden, ins Familienunternehmen einzusteigen?
Felix Stork: Natürlich ist das Thema irgendwo immer mitgeschwungen und kam am heimischen Esstisch ab und an zur Sprache. Aber im Endeffekt wurde von Seite der Familie nie Druck auf uns ausgeübt. Die Entscheidung, ins Familienunternehmen zu gehen, habe ich relativ spät getroffen, während meines Masterstudiums.
Wie kam es dazu?
Felix Stork: Ich habe mich für das Thema Digitalisierung interessiert, und zu dieser Zeit kamen Apps, Social Media und E-Commerce auf. In Kombination mit Vermarktung und Marketing fand ich das sehr spannend. Mein Onkel sagte mir, diese Themen würden auch für unser Unternehmen zunehmend wichtiger und fragte mich, ob ich mir einen Einstieg vorstellen könnte. Weil viele der Themen völlig neu waren, entstand damals so etwas wie ein Start-up im Unternehmen. Ich habe dann Step-by-Step immer mehr Verantwortung übernommen.
Florian Sieber: Ich habe mich etwas früher entschieden. Als ich mich nach dem Abitur für BWL eingeschrieben habe, tat ich das schon mit dem Gedanken im Hinterkopf, danach in der Firma anzufangen.
Ihr Einstieg verlief dann ein Stück weit öffentlichkeitswirksamer als bei ihrem Cousin.
Florian Sieber: Das stimmt. Zunächst haben wir alle nicht in Führungspositionen angefangen, sondern in „normalen“ Jobs hier in Fürth, um das Unternehmen richtig kennenzulernen. Für mich ging es dann schon nach einem Jahr und mit gerade einmal 28 Jahren nach Göppingen, wo ich 2013 die Geschäftsführung von Märklin übernahm. Wir hatten das Unternehmen gerade übernommen.
Sie bekamen also früh die Gelegenheit, sich für größere Aufgaben zu bewähren. Sind Ihnen damals auch mal Zweifel gekommen?
Florian Sieber: Die ersten drei Jahre waren richtig taff. Wir mussten viele Dinge verändern und neue Wege gehen. Das war geprägt von Stress, Arbeit von früh bis spät und wenig Zeit für anderes. Es war anstrengend und nervenzehrend und lief zunächst nicht in die von uns erwünschte Richtung. Da habe ich mir schon Gedanken gemacht, was passieren würde, wenn es nicht klappt. Dann kamen allerdings Tüchtigkeit und Glück zusammen und der Erfolg hat sich eingestellt.
Hätten Sie diese Erfahrungen in diesem jungen Alter auch in einem anderen Unternehmen machen können?
Florian Sieber: Mit Sicherheit nicht. Ich würde heute wahrscheinlich selbst keinen Manager mit meiner damaligen Erfahrung auf eine vergleichbare Position setzen. Das ist, wenn überhaupt, tatsächlich nur in Familienunternehmen möglich. Es kann gut, aber auch schief gehen.
Was kann Familienunternehmen, was ein Konzern nicht kann?
Florian Sieber: Also bei uns ist es die Nähe zwischen der Belegschaft. Das reicht vom Management bis hin zu den Kollegen im Lager oder in der Produktion. Wir haben eine extrem hohe Loyalität und eine extrem geringe Fluktuation, weil die Mitarbeitenden wissen, dass sie sich auf uns verlassen können – und andersherum. Das ist schon eine andere Art von Zusammenhalt, als ich es in einem Konzern erwarten würde. Bei uns ist ein hohes branchenspezifisches Know-how wichtig. Viele unserer Mitarbeiter*innen leben das Thema Spielwaren und sind seit 30 Jahren oder mehr im Unternehmen. Diese Expertise ist ein wesentlicher USP, sie macht uns als Familienunternehmen aus und ist ein Grund für unseren Erfolg.
Sie stehen dennoch, gerade bei der Einstellung von IT-Fachkräften, in einem starken Wettbewerb um Talente.
Felix Stork: Diese Challenge haben wir definitiv. Gerade im Digitalbereich geht es darum, schnell zu handeln. Auch hier haben Familienunternehmen wie unseres einen Vorteil: Die Entscheidungswege sind extrem kurz. Ich kann mit dem Management schnell über ein Thema sprechen und dann entscheiden wir, ob wir ein Risiko eingehen. Dazu muss ich nicht immer erst eine detaillierte Budgetplanung oder einen Businessplan vorlegen.
Florian Sieber: Wir wissen, was die Entscheidungen auf der operativen Ebene wirklich bewirken oder auslösen, weil wir ständig in engem Austausch mit den Leuten sind. Das ist ein großer Vorteil gegenüber Unternehmen, in denen fünf Hierarchieebenen dazwischenliegen und das, was unten gesagt wird, nie oben ankommt.
Die gesamte Spielwarenbranche durchschreitet nach dem Corona-Hoch derzeitig ein Tal. Das geht auch an Ihnen nicht vorbei. Mit welchen Konsequenzen?
Florian Sieber: Natürlich mussten auch wir gewisse Budgets einfrieren, Planungen vertagen und externe Kosten hinterfragen. Wir hatten einen Einstellungsstopp, haben Stellen nicht nachbesetzt und uns von Zeitarbeitern getrennt. Aber bei der Stammbelegschaft haben wir nicht – wie andere – sofort ein Abbauprogramm gestartet und 10 oder 15 Prozent abgebaut. Das ist mir wichtig . . .
. . . ein weiterer Vorteil des Familienunternehmens?
Genau, wir sind auch in schwierigeren Zeiten niemandem Rechenschaft schuldig, sind nicht getrieben von Investoren oder Börsenkursen und müssen keinen Aktionären sagen, wir haben heute Maßnahmen eingeleitet, die morgen wirksam sind. Wir denken und handeln in anderen zeitlichen Zyklen.
Gibt es nichts, um das Sie die großen Konzerne beneiden?
Felix Stork: Manchmal hätte ich gern ihre Marketingbudgets. (lacht) Im Ernst, ich glaube, jede Form eines Unternehmens hat ihre Vor- und Nachteile. Meine Frau arbeitet in einem Konzern, da bekomme ich das eine oder andere mit. Manchmal denke ich, „oh wäre cool, wenn wir das auch hätten“, aber öfter sage ich mir: „Besser ist es, wie es bei uns läuft.“
Was zeichnet die Unternehmenskultur bei Simba-Dickie aus?
Florian Sieber: „Down to Earth“ ist so aus meiner Sicht das Passendste, was wir als Manager vorleben und was wir auch gegenüber unseren Kunden, Lieferanten und Partnern leben. Wir wollen nirgendwo überheblich auftreten, auch wenn wir hier und da sehr erfolgreich sind, aber das lassen wir uns nicht zu Kopf steigen.
Eine Kultur der Offenheit und des Respekts gegenüber allen Mitarbeitenden wurde schon von meinem Vater und unserem Großvater vorgelebt. Dazu gehört sicherlich auch der Teamplay-Gedanke. Wir helfen uns gegenseitig, wenn Not am Mann ist. Da ist sich niemand zu schade, wie in der Corona-Zeit, als das gesamte Management in unserem Lager in Sonneberg mit angepackt hat. Wir haben ein großes gemeinsames Ziel: Spielwaren zu kreieren, die Kinder glücklich machen.
Wie unterscheidet sich Ihr Führungsstil von dem Ihres Vaters oder Großvaters?
Florian Sieber: Ich glaube, in erster Linie durch die Kommunikation: Um die Teams mitzunehmen, müssen wir heute viel mehr erklären, wo wir hinwollen, warum wir welche Maßnahmen dazu ergreifen und wofür wir stehen. Wir haben uns in den vergangenen drei Jahren in diese Richtung bewegt. Wir hatten auch Aufholbedarf bei der Professionalität im HR-Bereich. Werte und Regeln müssen nicht nur gelebt, sondern auch irgendwo niedergeschrieben werden. Das erleichtert gerade neuen Mitarbeitenden den Einstieg.
Oftmals gelingt der Firmenübergang auf die nächste Generation nicht oder zumindest nicht reibungslos. Warum ist es Ihnen gelungen?
Florian Sieber: Mein Vater hat bei seinem Vater erlebt, wie es nicht ablaufen sollte. Unser Großvater hat noch im Sterbebett die Zügel in der Hand gehalten und sich bis zum Schluss dagegen gesperrt, Verantwortung abzugeben. So toll er und das, was er aufgebaut hat, auch waren, dieser letzte Schritt ist ihm nicht gelungen. Darunter hat mein Vater gelitten. Er wollte später nicht den gleichen Fehler begehen, hat sich früher zurückgezogen und die Verantwortung auf mich übertragen. Das war so geplant, aber es geschah dann während Corona zu meiner Überraschung sogar früher als erwartet. Er zieht heute nicht wie andere im Hintergrund die Fäden, sondern unterstützt mich und andere als Ratgeber mit seiner Erfahrung.
Florian, sie haben zwei Söhne, der dritte ist unterwegs. Sollen die auch einmal in ihren Sommerferien ins Familienunternehmen hineinschnuppern?
Florian Sieber: Ich sehe es wie meine Eltern damals: Man sollte schon früh lernen, mit Geld umzugehen, woher es kommt und was man dafür machen muss. Dafür ist so ein Ferienjob sinnvoll. Den können meine Söhne, wenn sie wollen, auch woanders machen. Es ist wahrscheinlich praktisch, wenn sie sie bei uns machen, dann kann ich sie morgens mit rein und abends mit nach Hause nehmen. Wobei, ich weiß nicht, ob sie so lange bleiben dürfen.