„Wir erfinden keine Geschichten, wir finden sie“

Die Agentur Birke und Partner ist auf History Marketing spezialisiert. Dabei vereint sie die Fachgebiete Kommunikation und Geschichtsforschung – was ein Alleinstellungsmerkmal ist. Folge 2 unserer Serie zu Spezialagenturen. 
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Birke und Partner wurde 1993 noch als klassische Kommunikationsagentur gegründet, seit 2007 steht das Thema History Marketing im Vordergrund. (© Olaf Heß)

Manchmal hilft ein Blick in die Vergangenheit, um sich in der Gegenwart zu beruhigen und vor der Zukunft weniger zu sorgen. Im Rückspiegel kann man sich doch meist versichern: Krisen gab es immer, und die Welt hat sich trotzdem weitergedreht. Ein Spezialist für diesen Blick in die Vergangenheit mit Bezug auf Unternehmensgeschichte und -Geschichten ist die Erlanger Agentur Birke und Partner. „Wir erfinden keine Geschichten, wir finden sie“, stellt Co-Geschäftsführer Michael Bantele gleich zu Beginn des Gesprächs klar und als Kernkompetenz des Dienstleisters heraus. Und: „Authentische Geschichten sind immer die besten.“ 

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Co-Geschäftsführer Michael Bantele (43) ist selbst Historiker und ausgebildeter Tageszeitungsredakteur. (© Birke und Partner)

Diese Arbeit sei manchmal auch heikel, schließlich müssten auch Details stimmen. „Wir betreiben echte Forschungsarbeit. Sollte mal jemand anderes zum Beispiel für die Promotion auf die Idee kommen, über das gleiche Thema zu forschen, könnte unsere Recherche von ihm als Grundlage genutzt werden“, sagt Bantele. Das Geschäftsmodell von Birke und Partner beschreibt er so: Wenn man sich Unternehmensgeschichten genauer anschaue, lasse sich enorm viel für eine Marke herausziehen. Das gelte neben Marketing und Kommunikation auch für Bereiche wie Employer Branding oder Vertrieb.  

Unternehmen können Resilienz beweisen 

Mit Blick auf die Eingangsthese wartet der Agenturchef mit einem ungewöhnlichen Ansatz auf: Auch Unternehmen könnten Resilienz beweisen, wenn sie sich für einen transparenten Umgang mit ihrer eigenen Geschichte entscheiden: „Wir helfen ihnen dabei, zu beschreiben, welche Krisen sie schon überstanden haben“, sagt der Fachmann. Das gelte neben globalen Wirtschaftskrisen auch für eigene Unternehmenstiefpunkte.  

„Sie zeigen ihren Mitarbeitenden, Kunden und Partnern: Wir können Krisen meistern, wir sind in der Lage uns zu transformieren und wir sind ein verlässlicher Partner für die Zukunft.“ Bantele spricht in dem Zusammenhang von „wertegetriebener Kommunikation“: Die Werte einer Marke könne man im Idealfall aus ihrer Historie herauslesen. „Wir beweisen aus der Geschichte das, wofür euer Unternehmen oder eure Produkte stehen“, sagt er seinen Kund*innen. 

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In den Kellern ihrer Kunden finden die Mitarbeitenden von Birke und Partner, oftmals in Kartons verpackt und vergessen, kleine Schätze, die sie für die Kommunikation nutzen. (© Birke und Partner)

Als er 2009 bei Birke und Partner angefangen hat, hörte er noch oft solche Sätze von Geschäftsführer*innen: „Was interessiert mich denn Geschichte? Wir sind ein zukunftsorientiertes Unternehmen.“ Er und seine Kolleg*innen mussten viel Überzeugungsarbeit leisten, dass man aus der Vergangenheit viele Geschichten ziehen kann, die man für die Zukunft aufbaut. Mittlerweile gebe es großes Verständnis für das Thema, was sich auch am Wachstum der Agentur zeige. „Es gibt einen großen Markt, denn jedes Unternehmen schreibt fortwährend Geschichte“, so Bantele. 

Kommunikation und Geschichtsforschung unter einem Dach 

1993 noch als klassische Kommunikationsagentur gegründet, haben sich die Franken ab 2007 auf das Thema History Marketing spezialisiert und sich durch die Aufarbeitung und Aufbereitung von Unternehmens- und Institutionengeschichten einen Namen gemacht: Bantele ist an dieser Wegmarke zur Agentur gestoßen. Als Historiker und früherer Tageszeitungsredakteur vereint er in seiner Person auch die beiden Felder, denen sich Birke und Partner verschrieben hat: Kommunikation und Geschichtsforschung. Eine, wie der 43-Jährige sagt, in dieser Ausrichtung äußerst seltene Kombination. Die fränkische Agentur bietet sie unter einem Dach.  

Von den mehr als 30.000 Agenturen in Deutschland, so schätzt der Geschäftsführer, seien gerade mal ein knappes Dutzend relevante History-Agenturen. „Wir sind die einzige Kommunikationsagentur mit dieser Ausrichtung“, so Bantele. Daneben gebe es sogenannte „Geschichtsbüros“, von Historiker*innen gegründet, diese arbeiten in der Regel mit Kommunikationsagenturen als Subunternehmer zusammen. Birke und Partner beschäftigt Historiker, Archivare, Kommunikationsberater, Redakteure, Designer, Web-Entwickler, Filmer. Insgesamt rund 25 Mitarbeitende, dazu kommen noch Freelancer, etwa Spezialist*innen für 3D-Annimation. Treffen die Fachleute aus den unterschiedlichsten Disziplinen in der Kaffeeküche der Agentur aufeinander, „fangen sofort die Gedanken an zu fliegen“, sagt Bantele.  

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Die Mehrheit der Menschen in Deutschland rezipiert laut Bantele Geschichte über das Medium Film, etwa durch Dokumentationen, Spielfilme oder Serien. Entsprechend legt die Agentur mit eigenem Kamera- und Postproduktionsteam einen starken Fokus auf Bewegtbild. (© Birke und Partner)

Es geht immer darum, Geschichte zum Leben zu erwecken. Dabei setzt die Agentur auf alle analogen und digitalen Formate und Medien: Von Büchern und Magazinen über Filme, Serien und Kurzvideos bis zu Blogs, Podcasts und Social Media. Ein weiteres Format bezeichnet Bantele als „Erlebnis“ und meint Ausstellungen und Events. 

Zu den Kunden der Spezialagentur zählen neben Marken wie Puma, Holsten oder BASF auch zwei deutsche Hidden Champions, Netzsch und Baerlocher, sowie traditionsreiche Mittelständler und Familienunternehmen wie Schaeffler, Hirmer oder Staedtler und Institutionen wie die IHK Nürnberg und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten.  

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Neben der reinen Kommunikation baut Birke und Partner auch professionelle Unternehmensarchive auf. Dazu gehören nicht nur Briefe und Dokumente, sondern auch Produkte wie im Fall des Kunden Puma Trikots oder Schuhe. (© Birke und Partner)

Drei typische Anlässe, zu denen Kunden auf den Dienstleister zukommen, sind Firmenjubiläen, Ausstellungen sowie der Aufbau von Unternehmensarchiven und -Museen beziehungsweise die Kommunikation für bestehende Archive. Anders als noch in den Anfangsjahren seien die Geschäftsbeziehungen heute häufiger nicht nur punktuell, sondern bestehen auch über den initialen Auftrag hinaus, etwa wenn ein Kunde auch nach dem Jubiläumsjahr einen historischen Unternehmens-Blog weiterführen möchte.  

Humor und der Retro-Trend 

Birke und Partner profitiert mit seiner Arbeit auch vom aktuellen Retro-Trend. So hat der Dienstleister für Puma ein Archiv aufgebaut und dabei viele interessante Geschichten ausgegraben und erzählt. Basierend darauf habe der Sportartikelhersteller sogar eine eigene Retro-Schuhserie herausgebracht. Dabei ist „Retro“ für Geschäftsführer Bantele gar nicht unbedingt ein neuer Trend: Schon immer seien Menschen in bestimmte Produkte und Marken verliebt gewesen. Ein Konzern wie Coca-Cola mache sich das zunutze und betreibe schon lange klassisches History Marketing: „In wie vielen Wohnzimmern hängen Coca-Cola-Werbeschilder, deren Motive 100 Jahre und älter sind?“, fragt Bantele und liefert die Begründung für den Markenenthusiasmus gleich mit: „Geschichte erinnert uns immer an unsere eigene Kindheit. Es wird sofort emotional.“  

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Der Schuh, in dem Boris Becker 1985 das Wimbledon-Finale gewann. Für den Kunden Puma ist die Unternehmensgeschichte eng mit den Erfolgen der Puma-Sportler verbunden. (© Birke und Partner)

Das gilt auch für das Thema Humor, ein zeitgeistiges Instrument, um Botschaften unterhaltsam an Zielgruppen zu bringen (Stichwort: Infotainment). Der Dienstleister setzt es ein, aber stets bewusst und dosiert: „Wir dürfen nicht vergessen: Wenn wir an der Historie eines Unternehmens arbeiten, arbeiten wir an der DNA dieses Unternehmens“, sagt Bantele. 

Aufarbeitung der NS-Zeit 

Ein Thema, bei dem sich jede Art von Humor verbietet, ist die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Auch damit werden die Erlanger Geschichtskommunikator*innen betraut. Dabei ist es dem Agenturchef wichtig, erneut zu betonen: „Unsere Geschichten haben Fußnoten. Alles ist belegbar. Wir werden niemals Geschichte klittern.“ Transparenz sei das oberste Gebot. „Nichts schreit lauter als ein Schweigen zwischen 1933 und 1945“, ermuntert Bantele eine professionelle Aufarbeitung zuzulassen.  

Wer sich einen Eindruck von der Arbeit der Agentur verschaffen will, kann das dieser Tage im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München. Die Ausstellung „Operation Finale“ über die Ergreifung von Adolf Eichmann basiert auf der gleichnamigen Netflix-Produktion mit Oscar-Preisträger Ben Kingsley. Die zunächst für den US-Markt konzipierte Ausstellung hat Birke und Partner für den deutschen Markt adaptiert. Dafür wurden in Zusammenarbeit mit einem wissenschaftlichen Beirat Inhalte übersetzt und angepasst sowie eine Rahmenausstellung gestaltet. Hier soll gerade die jüngere Generation einen Zugang zur Geschichte finden – und ihre eigenen Lehren für die Zukunft daraus ziehen. 

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Der Familienvater hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.