Martell Beck, bitte fassen Sie Ihre ersten 99 Tage als CMO bei der Deutschen Bahn in einem Satz zusammen.
Die Herausforderungen sind gewaltig.
Welchen Eindruck haben Sie in den ersten Wochen vom Unternehmen gewonnen?
Die DB ist ein Unternehmen im Aufbruch, ein Unternehmen, das verstanden hat, die eigenen Probleme klar zu benennen und auch radikal anzugehen. Das gilt für die Sanierung der Infrastruktur in besonderer Weise. Das gilt aber auch für das betriebliche Funktionieren und die wirtschaftlichen Herausforderungen, um endlich wieder profitabel zu werden. Die Kund*innen stehen hier im Mittelpunkt.
Was hat Sie dabei am meisten überrascht?
Überrascht hat mich, wie ehrgeizig die Ziele gesteckt sind und mit welcher Radikalität Bestehendes in Frage gestellt wird. Das gilt für die Art und Weise, wie gebaut wird, das gilt aber auch für die Geschwindigkeit, wie der Konzern sich im Sinne seiner Strategie “Starke Schiene” transformieren möchte.
Mit welcher Hürde hatten Sie so nicht gerechnet?
Das Unternehmen ist, wie viele andere Unternehmen auch, durch eine Konsenskultur geprägt. Keiner möchte dem anderen wehtun. Das ist sehr verständlich. In Zeiten des Aufbruchs, der dramatischen Veränderung ist das aber eher hinderlich.
Wie unterscheidet sich die Unternehmenskultur bei der Deutschen Bahn von der in Ihren früheren Wirkungsstätten?
Ich denke, so sehr unterscheidet sich die Unternehmenskultur nicht von anderen öffentlichen Unternehmen. Der Druck von außen und die Notwendigkeit, die Dinge zum Besseren zu wenden, unterscheidet sich aber deutlich. So zwingt uns die wirtschaftliche Situation, deutlich härter zu priorisieren. Das schlägt bei vielen auf die Stimmung.
Was waren Ihre ersten Veränderungsmaßnahmen?
Am Anfang steht die Erkenntnis, dass es an Aufmerksamkeit für die Bahn in der Öffentlichkeit nicht mangelt. Wir beherrschen die Schlagzeilen. Zu oft ist die Tonalität und die Wahrnehmung aber negativ. Die Challenge ist es nun, die Wahrnehmung des Unternehmens ins Positive zu drehen. Dazu müssen wir neben dem Beseitigen von betrieblichen Problemen vor allem Markenerlebnisse schaffen, die aufhorchen lassen, die positiv und reichweitenstark sind. Ich denke, im Kern geht es um eine Emotionalisierung der Kund*innen. Hier bündle ich meine Kräfte.
Was waren auf diesem Weg die ersten konkreten Schritte?
Wahrscheinlich würden viele erst einmal die Pferde wechseln, Team und Agenturen tauschen. Ich halte davon nichts. Wir haben schlicht nicht die Zeit, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Wir müssen schnell für die Reisenden wahrnehmbare Ergebnisse schaffen. Deshalb starten wir einen intensiven Austausch mit unseren Kreativagenturen auf der Suche nach großartigen Geschichten und einer sinnvollen strategischen Klammer. Hier geben wir Vollgas, um möglichst schnell sichtbar zu werden.
Welche weiteren Pläne haben Sie für das Unternehmen Deutsche Bahn?
Die beste Idee ist nichts wert, wenn sie nicht gehört wird. Ich glaube, wir müssen mit unseren Botschaften besser durchdringen, müssen schlagkräftiger werden, uns nicht in zahllosen kleinen Aktionen verzetteln. Es braucht den Schulterschluss mit den Geschäftsfeldern, das Vereinheitlichen der Agenda und das Bündeln von Budgets. Nur so können wir die Kraft und Lautstärke entwickeln, die es braucht, um am Markt auch wirklich gehört zu werden.
Wenn Sie sich etwas wünschen könnten: Was soll man einmal über die Kombination Martell Beck und Deutsche Bahn sagen?
Natürlich wünsche ich mir, dass es uns gelingt, das Image der Bahn ins Positive zu drehen, unsere Fahrgäste zu begeistern und den Mitarbeitenden ihren Stolz zurückzugeben. Wenn dazu ein sichtbarer Beitrag gelänge, wäre mein Wunsch erfüllt.
Dieses Interview wurde schriftlich geführt.