Herr Jawanda, was macht die Bluetooth Special Interest Group?
SUKE JAWANDA: Wir besitzen die Marke Bluetooth. Wenn Sie Bluetooth einsetzen wollen, müssen Sie SIG-Mitglied werden. Das kostet nichts, aber sie müssen die Lizenzvereinbarung unterschreiben und wenn Sie Bluetooth-Produkte auf den Markt bringen, fallen Lizenzgebühren an. Die Gründer der SIG waren vor 16 Jahren Motorola, Nokia, Ericsson, Toshiba, IBM, Intel und Microsoft. Der Grundansatz dieser Gründer war: Wir konkurrieren nicht auf der Technologieebene, sondern erst auf der Anwendungsebene oder bei den Produkten.
Wie sehen Sie die Entwicklung von Bluetooth?
JAWANDA: Alles begann mit Headsets für Telefone und kurz darauf ging es weiter mit PC-Maus und Keyboard. Es dauerte rund zehn Jahre, bis die Industrie eine Milliarde Produkte auf den Markt gebracht hatte. Allein dieses Jahr werden es drei Milliarden sein. Wir befinden uns also mitten im Bluetooth-Boom. Das Wachstum kommt nicht mehr von Telefonen, Tablets oder PCs sondern aktuell von Wearables und dem Internet der Dinge. Adidas hat einen Bluetooth-Fußball entwickelt und eine App, die Tipps gibt, wie man den besser schießen kann. Wer hätte vor zehn Jahren an so etwas gedacht?
Das ist aktuell also das „Internet Meiner Dinge“. Größere Infrastrukturen wie Beacons erzeugen eine generelle Konnektivität.
Welche Branche ist aktuell die spannendste?
JAWANDA: Das sind schon die Wearables und Fitness-Tracker. In der Branche gibt es seit geraumer Zeit digitale Technologie von Firmen wie Polar oder Suunto. Inzwischen können sich die Hersteller auf die Konnektivität verlassen und müssen sich nicht selbst darum kümmern.
Die Innovationsgeschwindigkeit ist viel höher geworden. Das aktuelle Thema ist nicht mehr die Konnektivität der Geräte sondern die Austauschbarkeit der Daten selbst zwischen Geräten und Apps verschiedener Hersteller. Apple Healthcare ist ein solcher Ansatz.
Die nächste Branche ist das Gesundheitswesen. Die braucht nur etwas länger, weil sie stark reguliert ist. Und natürlich die Consumer Electronics. Wir sehen vernetzte Zahnbürsten, Spielzeuge und Bettmatratzen. Blumen senden via Bluetooth Signale, wann sie Wasser brauchen. SmartHome ist die nächste Branche, die schnell wachsen wird.
Google veröffentlichte letzte Woche, dass Android L das Betriebssystem der SmartTVs werden wird. Auch Android L kann Bluetooth Smart und somit gibt es im Wohnzimmer ein Gerät, das ständig mit dem Internet verbunden ist und gleichzeitig zu den Objekten in der Wohnung Verbindung halten kann. Denken Sie an Sicherheits- und Überwachungssysteme.
Und was ist mit Beacons?
JAWANDA: Das ist wie gesagt eine andere Kategorie. Zunächst muss man sagen, dass die Implementierung extrem einfach ist, weil alle Smartphones Bluetooth Smart können und die Beacons pro Stück bald nur noch fünf Dollar kosten. Davon ausgehend kann zum Beispiel der Händler damit machen, was er will. Er kann ein Beacon an jedes Regal heften oder nur ein einziges am Ladeneingang benutzen. Er kann digital Bezahlungen annehmen oder bestimmte Produkte bewerben. Als Händler kann ich mich darauf verlassen, dass die Kunden die notwendige Technik dabei haben.
Das Thema Indoornavigation scheint kein wirklich tragfähiges Einsatzszenarium zu sein, mal abgesehen von Einkaufzentren oder Flughäfen.
JAWANDA: Egal, was sie tun, es geht immer nur um eine digitale Verbindung zum Kunden im Laden. Der große Baumarkt macht Indoornavigation damit, der kleine Tante-Emma-Laden könnte plötzlich Paypal-Zahlungen annehmen. Selbst ein Flohmarkthändler könnte Paypal anbieten. Der kleine Händler kann das also alleine machen. Doch darüber hinaus kommen natürlich die Service-Netzwerke ins Spiel. Paypal ist eines auf der Bezahlseite, Payback ist das Loyalty-Netzwerk. Das sind die Aggregatoren und die User laden sich deren App herunter. Oder denken Sie an die vielen Amazon-Händler. Eine Loyalty-App wie es beispielsweise Payback in Deutschland sein könnte, könnte die Kunden auch dazu bringen, die App im Hintergrund laufen zu lassen und ihr die Konnektivität zu erlauben.
Ist Near Field Communication tot?
JAWANDA: Nein. Es gibt Einsatzszenarien, da machen beide Technologien Sinn, zum Beispiel wenn sich zwei Geräte via „Touch-to-pair“ erkennen sollen. Bei den Endkunden ist das aber schwieriger. Es fehlt an Verbreitung von NFC-Geräten und das Konzept sieht kaum eine Änderung im Nutzerverhalten vor. Ob ich mit NFC oder Kreditkarte bezahle, ist im Grunde das gleiche Procedere. Da aber jedes Tablet via Bluetooth Smart zum Point of Sale werden kann, entsteht ein völlig neues Nutzererlebnis. Der Nutzer muss sich nämlich nicht mehr an der Kasse anstellen.
Und wie verifiziert der Security-Mann am Ausgang, dass die Käufe bezahlt sind?
JAWANDA: Ebenso wie im Modehandel, mit kleinen elektronischen Tags, die von dem Mitarbeiter entfernt werden, der die Bezahlung entgegennimmt.
Besonders spannend wird das natürlich, wenn ich drei Wochen später wiederkomme und die App das erkennt. Welches Zubehör braucht der Kunde? Der Laden führt einen 1:1-Dialog mit dem Kunden. So eng war der Retail noch nie am Kunden.
Wie viele Kunden schalten Bluetooth generell ab, zum Beispiel um Strom zu sparen?
JAWANDA: Ich habe keine konkreten Zahlen. Die Tatsache, dass Bluetooth mit WiFi in einen Topf geworfen wurde, war unglücklich. Tatsächlich spart man kaum Strom durch das Abschalten. Die Entwickler der Betriebssysteme werden da gegensteuern, die brauchen das.
Gilt das auch für die Situation im Flugzeug?
JAWANDA: Auch das kommt vom Betriebssystem. Da wird im Flugmodus beides gebündelt, obwohl Bluetooth gar nicht in der Lage ist, Interferenzen zu erzeugen. Immer mehr Fluggesellschaften arbeiten an Bord inzwischen sogar mit WLan. Das Thema ist durch.
Eine letzte Frage noch aus der Werber-Perspektive. Werden wir Plakate sehen, die Bluetooth Smart sprechen können?
JAWANDA: Ja. Da sind gerade sehr spannende Entwicklungen in Gang. Es gibt bereits Firmen, die Schaltkreise auf Papier drucken. Und der Strom für Bluetooth könnte aus kleinen Solarzellen oder durch Induktion kommen. Die britische Firma Novalia hat zum Beispiel ein Poster mit aufgedruckten Musikinstrumenten für Becks entwickelt.
Oder was wäre mit Tablettenpackungen, die auf diesem Weg dem Nutzer mitteilen, ob die tägliche Tablette bereits genommen wurde oder nicht.
Das Gespräch führte Frank Puscher.