Von Johannes Steger
„Bum Bum Bine“ titelte die Bild, „Sab Fab“ nannte sie die britische Sun: Sabine Lisicki ist der Star von Wimbledon, obwohl sie im Finale der Französin Marion Bartoli unterlag. Die erste Deutsche im Wimbledon-Finale seit Steffi Graf – ein historischer Moment. Dem Bezahlsender Sky ließe sich da fast ein hellseherisches Talent nachsagen, denn der sicherte sich die Live-Übertragungsrechte des altehrwürdigen Tennisturniers. Anders als die Öffentlich-Rechtlichen, die auf die Live-Bilder verzichteten. Nachdem Lisicki zuerst Vorjahressiegerin Serena Williams besiegte und dann auch noch ins Finale gelangte, dämmerte es dann wohl einigen bei der ARD. Zweimal machte das Erste letzte Woche Angebote an den Bezahlsender, um das Finale dann doch ausstrahlen zu können. Ohne Erfolg. Wer Lisicki sehen wollte, musste zahlen.
Mediales Dauer-Desinteresse
Der ARD fiel dabei ihr eigenes Desinteresse am Tennissport auf die Füße. Spielen Stars wie Sabine Lisicki, Tommy Haas oder Angelique Kerber, müssen Fans auf Spartensender ausweichen oder sehen gar nichts. Viele Formate wie der berühmte Davis Cup werden gar nicht übertragen. Gerade Vereinen schadet das. Sie brauchen die mediale PR um Nachwuchs zu gewinnen und Talente zu entdecken. Der hannoveraner Trainer Benjamin Bethmann bringt die Verärgerung der Tennisbasis auf den Punkt: „Die Weltmeisterschaft der Damen und Herren wird nicht übertragen, was es in fast keiner Sportart in Deutschland gibt.“
Das ist nicht nur für die Spieler ein Nachteil, der gesamte Tennissport leidet darunter. Denn was keine öffentliche Bühne bekommt, fällt schnell ins Nischendasein zurück. Anders als Fußball hat Tennis keinen Nationalsportcharakter. Das war mal anders: In den 90er Jahren verhalfen die Meisterleistungen von Steffi Graf und Boris Becker dem Sport zu einem gewaltigen Popularitätsschub. Laut Handelsblatt Online zählte der Deutsche Tennis Bund damals rund 2,3 Millionen Mitglieder. Heute sind es zwar immer noch 1,5 Millionen, aber an den Glanz der Neunziger Jahre konnte der Sport nicht wieder anknüpfen.
Hoffnungsträger Sabine Lisicki
Wimbledon lässt wieder hoffen: Lisickis Sieg im Halbfinale verfolgten rund 230.000 Zuschauer. Im Jahr zuvor waren es nur 60.000. Das Finale wollten 590.000 Zuschauer sehen. Gäbe es keine Bezahlschranken, hätte es eine Rekordquote werden können.
Für den Tennissport ist Sabine Lisicki somit ein Glücksfall. Zwar reichte es in Wimbledon noch nicht für die Graf-Nachfolge, endlich aber hat der Sport wieder einen Star und ein Gesicht. Lisicki rückt den Sport ins Augenmerk der Öffentlichkeit. Gerade Vereinstrainer wie Bethmann freuen sich auf die mögliche Entwicklung für den Tennissport: „Es wird spannend zu sehen, welchen Schwung der Erfolg von Sabine Lisicki auf den Tennis in Deutschland haben wird.“ Ihre Popularität könnte damit wieder das Interesse an den anderen Spielern steigern. Auch für den Tennisnachwuchs ist das eine Chance, meint Trainer Bethmann.
Wie ein Sportler zum Botschafter wird
Das Beispiel Lisicki zeigt: Es braucht ein erfolgreiches Beispiel, damit etwas in Gang kommt. Besonders für Spartensportarten ist das extrem wichtig. Denn während die großen Sender Unsummen für den Dauerbrenner und Volkssport Fußball bezahlen, haben es die weniger populären Sportarten häufig schwer. Sie sind meist auf ein Testimonial angewiesen, das anders als bei Werbekampagnen nicht einfach so gebucht werden kann. Denn hier zählt zwar Charisma, aber auch sportliche Glanzleistung.
Dank Sven Hannawald und Martin Schmitt schaffte es beispielweise in den späten Neunziger Jahren das Skispringen zu einer beliebten Sportart in Deutschland. Beide Sportler waren nicht nur erfolgreich, sondern erreichten fast Popstar-Status – Titelgeschichten in der Bravo inklusive. RTL baute die Übertragung zu einem groß umbeworbenen Familienfernsehereignis aus. Auch die Sponsoren ließen dann nicht mehr lange auf sich warten: Die Schokoladenmarke Milka nahm Martin Schmitt unter Vertrag.
Was Martin Schmitt für das Skispringen erreichte, schaffte Jan Ullrich für den Radsport. Als erster und bisher einziger deutscher Radrennfahrer gewann Ullrich 1997 die Tour de France. Damit stiegen nicht nur die Quoten der Öffentlich-Rechtlichen, sondern auch das Interesse der Deutschen für den Profi-Radsport nahm zu. Dieses Kapitel nahm allerdings ein trauriges Ende: Die Aufmerksamkeit zog die einst quotenstarken Tour nur noch durch Doping-Skandale, von dem auch Ullrich betroffen war, auf sich. 2011 entschieden sich dann ARD und ZDF dafür, das Ereignis nicht mehr zu übertragen.
Im Tennis steht das große Comeback vielleicht gerade kurz bevor. Trainer Bethmann erkennt viele talentierte Spieler. Sie brauchen allerdings Raum, ihr Können zu zeigen. Im Idealfall geht die Tennis-Marketing-Erfolgsgeschichte so: Der neue Tennisboom, ausgelöst durch Lisicki, treibt die Menschen in die Vereine, die öffentlich-rechtlichen Sender sichern sich langfristig die Übertragungsrechte großer Turniere und Tennis wird wieder zum Volkssport. ProSiebenSat.1 hat die Chancen erkannt. Im März hat die Mediengruppe mit dem Deutschen Tennis Bund die Plattform „Tennis.de“ und die Spielübertragung auf dem Sender Sat.1 Gold angekündigt.