Wird es ein Paradies, in dem sich jeder alles leisten kann ? Oder führt es zu dem berühmten Sprichwort „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“? Gerät unter dem Druck allgemeiner Unsicherheit und schwächelnder Konjunktur alles in den Strudel einer Entwertung, die auf den ersten Blick aussieht wie ein Schnäppchen und erst im zweiten zur der Ernüchterung führt: Auf Dauer will der Mensch sich selbst verwirklichen und nicht in einem Massenheer von Billig-Käufern untergehen. Siegmund Freud sagt: „Der Mensch spürt nur den Unterschied“. Und jeder Kaufmann hat gelernt, dass der Mensch den Reiz des Andersseins sucht. Ihn treibt der Wunsch nach einer eigenen Persönlichkeit. Das Ich steht im Mittelpunkt. Die Vernunft-Welt der Nur-Preisschlachten ignoriert diese Wünsche, führt zu einem Unentschieden auf niedrigem Niveau.
Die Menschen, die sich bis gestern noch über das Smart Shopping gefreut haben, werden morgen gelangweilt sein, die Lust verlieren. Und schlussendlich Konsumverzicht üben. Ist dieses Eigentor eines aggressiv einander bekämpfenden Handels nicht eindeutig absehbar ? Und warum stürzen sich alle wie die Lemminge trotzdem in diese – um es vorsichtig zu formulieren – unintelligente Form, Geschäfte zu machen? Wenn heute schon im Lebensmittelhandel die Diebstahlsrate höher ist als die Profitrate, dann ist absehbar, wer der Verlierer ist. Und bei nur einem Verlierer wird es nicht bleiben. Wenn die Lust beim Verbraucher weg ist, dann verliert man auch ihn und er wird sich anderen Dingen zuwenden, die ihm den Spaß bringen, den er nun einmal ein Leben lang sucht.
Einverstanden: Zeitgeist, der mit Parolen wie „Geiz ist geil“ oder „Ich bin doch nicht blöd“ angeheizt wird, kann nicht ignoriert werden. Aber während die Wertschöpfung zerstört wird, wäre es doch Zeit, parallel dazu wieder Wünsche zu wecken. Verwöhnung zu ermutigen. Genuss zu zelebrieren. Getreu dem Spruch von Günter Anders ‚In einer Überflussgesellschaft wird nicht mehr das Angebot knapp sondern die Wünsche.“ Zeit also für sanfte Töne, für das Umschmeicheln, für das Begehrlich-machen. Gott sei Dank steckt in jedem Menschen neben der Vernunft noch ein gehöriges Maß emotionaler Sehnsucht und Selbstverwöhnung.
Während wir uns gerade mit dem „Billig-Billig-Billig“-Trommelfeuer über die linke Gehirnhälfte der Menschen hermachen, gilt es, mindestens gleichzeitig der rechten mit ihren Träumen, Wünschen und Sehnsüchten wieder ein bisschen Nahrung zu verschaffen.
Der Kaufmannsgeist in uns müsste eigentlich spüren, dass die Zeit reif dafür ist. Ikea macht es uns doch so schön vor. Wohnst Du noch? Oder lebst Du schon?
Über den Autor: Bernd M. Michael ist Chairman & Ceo Grey Global Europe, Middle East & Africa.