Wie viel Öko-Instinkt braucht eine Marke? 

Superstar Adele hat keine Nachhaltigkeitspositionierung. Das Eco-Label Yumeko verzichtet zugunsten bewussten Konsums auf Einnahmen. Ein Fotograf ist für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert.
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Bands wie Coldplay zeigen, wie nachhaltig Konzerte sein können. (© Unsplash)

In diesem Sommer folgt ein Mega-Event dem nächsten: Fußball-EM in Deutschland, Europa-Tournee von Taylor Swift, Olympische Spiele in Paris… und nun Adele in München. Über die zehn Konzerte des Superstars diskutieren Fans und Fachleute: Nachhaltig oder nicht? Die einen verweisen darauf, dass die Reihung mehrerer Auftritte an einem Standort die Tourneelogistik reduziert; überdies wird das Pop-Up-Stadion komplett wiederverwendet.  

Aber ist das der Punkt? Bis zu 90 Prozent der CO2-Emissionen von Großevents entstehen durch An- und Abreise der Fans, weiß der Hamburger Live-Entertainment-Experte Stefan Lohmann. Für ihn ist Adeles Konzept in dieser Hinsicht ein „Supergau“.  

Viele Anhänger müssten lange Flugstrecken zurücklegen, um ihr Idol live zu sehen und zu hören. „Es ist eine Fehlannahme, dass diese Art der Konzerte – das Publikum kommt zum Künstler – umweltfreundlicher sein könnte als umgekehrt“, sagte er dem Green Wednesday. 

Vorbild Coldplay: Die Band spart 59 Prozent CO2 

Noch irritierender als die Diskussion ist womöglich die Tatsache, dass sich die Sängerin komplett aus ihr heraushält. Im Netz finden sich, abgesehen von einem viele Jahre zurückliegenden Einsatz für eine Charity ihres Ex-Partners, kaum Spuren eines irgendwie gearteten Bemühens um die Umwelt. Nachhaltigkeit gehört offenbar nicht zur Markenpersönlichkeit von Adele. Zeitgemäß ist das nicht – und schade obendrein.  

Bands wie Coldplay zeigen, was möglich ist, wenn diejenigen, die im wahrsten Sinne des Wortes den Ton angeben, ihren Einfluss geltend machen. Die britische Rockgruppe verringerte den CO2-Fußabdruck ihrer Tour um 59 Prozent, etwa durch Partnerschaften mit grünen Reiseveranstaltern, Materialreduzierung oder Batterierecycling.  

Sustainablity-Checkliste kostenlos herunterladen 

Auch Experte Lohmann verweist auf die „großen Chancen, Hunderttausenden von Zuschauern nachhaltige Lösungen erlebbar zu machen“. Mit dem Venture „Sustainable Event Solutions“ engagiert er sich seit Jahren für möglichst ökologische Veranstaltungen; seine Sustainablity-Checkliste – hier kostenlos zum Download – dient unzähligen Manager*innen und Agenturen als Blaupause (offenbar leider nicht denen von Adele). Nun ist Lohmann erstmals für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis (DNP) nominiert. Verdient! 

Fotograf mit Second-Hand-Equipment und Öko-Strom 

Stichwort DNP: Auch wenn es in der Vergangenheit Kritik an der Auswahl der grünen Vorreiter gegeben hatte (2023 wurde die Methodik dann umgestellt): Der Blick auf die Nominiertenkarte lohnt sich. In der Branche „Werbung und PR“ etwa findet sich neben erwartbaren Namen wie The Goodwins oder Green City Solutions auch der von Simon Veith, eines Fotografen. Ein Knipser als Öko-Pionier?  

Ja, denn der Kölner ist der erste gemeinwohl-bilanzierte Fotograf Deutschlands. Arbeitet nur mit geliehenem oder Second-Hand-Equipment, wählt für Jobs das jeweils umweltfreundlichste Verkehrsmittel, nutzt Öko-Strom und betreibt eine grün gehostete Website. Zum Ausgleich unvermeidbarer Emissionen pflanzt er Mangrovenbäume, bisher 6910 Stück. Respekt – nicht zuletzt dafür, als Einzelperson den aufwendigen Prozess der Zertifizierung durchgestanden zu haben.  

Yumeko gegen Spontankäufe: Lieber Kunde, überleg nochmal 

Wo wir schon bei radikalen Schritten sind: Das niederländische Eco-Label Yumeko, spezialisiert auf Bettwäsche und Pyjamas, hat anlässlich des Earth-Overshoot-Days am 1. August sämtliche Online-Shops für 24 Stunden dichtgemacht. Man bitte die Kund*innen, „noch einmal eine Nacht über ihre Kaufentscheidung zu schlafen“, heißt es in der Mitteilung der 2010 als B Corp gegründeten Marke.  

CEO Rob van den Dool will damit zu einem bewussten Konsum aufrufen, denn er findet: „Es gibt keine nachhaltigen Marken. Auch verantwortungsvolle Produkte haben Auswirkungen auf unseren Planeten.“ Der PR-Stunt ist eingebettet in eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie. Alle Achtung. In vielen anderen Firmen ist, wenn’s ans Geld geht, Schluss mit nachhaltig.  

Green-Media-Umfrage: Nur fünf Prozent buchen umweltfreundlich 

Wie auch die Studie „Green Media 3.0“ von Annalect zeigt, einer Tochter der Omnicom Media Group. 77 Prozent der befragten werbungtreibenden Unternehmen finden es zwar wichtig, dass Vermarkter Angebote für grüne Werbemittel machen, und 82 Prozent erwarten, dass sich Medien und Mediaagenturen möglichst klimaneutral aufstellen.  

Aber: Gerade einmal fünf Prozent haben bereits ein umweltfreundliches Werbemittel gebucht. Mit der Zahlungsbereitschaft zugunsten der Umwelt sieht es ebenfalls bescheiden aus: Maximal zehn Prozent Aufpreis wollen die meisten Entscheider*innen akzeptieren. Damit kommt der Planet wohl nicht weit. 

PR-Ratgeber für vegane Produkte erschienen 

Eine vergleichsweise geringe Investition ist der erste deutschsprachige PR-Ratgeber für vegane und nachhaltige Produkte. Autorin Katrin Kasper erklärt, warum man ihn braucht: „Noch immer sorgt in Deutschland allein der Aufruf, man möge weniger Fleisch essen, für Schnappatmung.“ 

Kasper betreibt in Hamburg eine auf fleischlose Kost spezialisierte Kommunikationsagentur. Eine erfolgreiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sei elementar, um Verbraucher*innen von veganen und nachhaltigen Produkten zu überzeugen, findet sie – „und nebenbei die Welt zu verbessern“. 

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.