Denn: Marken sind komplexe Leistungssysteme, keine Ansammlung von Einzelteilen. Ein Nachmacher kann einzelne Leistungsmerkmale abkupfern, das geschichtlich aufgebaute Leistungsvermögen bleibt ihm unerreichbar. Wie immer im Leben, so auch im wirtschaftlichen Wettbewerb: Wenn man sein eigenes Spiel spielt und seine spezifische Leistungsstruktur voll zur Geltung bringt, ist man nicht angreifbar. Wieso?
Weil eine Marke mehrere Schutzräume besitzt. Der wichtigste ist ihr Leistungsmuster. Dieses Herzstück der Marke, das typische Zusammenspiel ihrer Leistungsfacetten, ihre Binnenstruktur, ihre Geschichte ist von außen nicht zu durchschauen – wenn sich die Marke geschlossen hält. Deshalb besteht draußen nur ein Scheinwissen über die kopierten Marken.
Zum anderen ist auch die Oberfläche einer Marke geschützt. Juristisch relevant wird dieser Oberflächenschutz, wenn sie sich selbstähnlich über einen längeren Zeitraum reproduziert hat. Wer hier kopiert, hat schlechte Karten, denn geistiges Eigentum an Leistungspunkten und Gestaltleistungen wird mittlerweile anerkannt. Das Institut für Markentechnik hat in Zusammenarbeit mit Juristen den Schutz der Marke auf die gesamte Gestaltrealität der Marke ausweiten können.
Verlassen Marken allerdings diese beiden Schutzräume, vernichten sie nicht nur ihren Rechtsschutz, sondern auch die für die Kundschaft so wichtigen vertrauten Erfahrungen. Sie irritieren die aufgebauten Positiven Vorurteile und schwächen die Anhänglichkeit ihrer freiwilligen Zahlungsgemeinschaft. Aber auch die Nachahmer schwächen sich, weil sie nur kopieren. So gefährdet Nachahmerei das Wirtschaftssystem insgesamt. Die verfolgte Marke verliert in der Fluchtbewegung ihre Wertposition und der Kopist zerstört durch Qualitätsabrüstung die Arbeitsplätze.
Den Weg aus diesem Strudel kennt nur die Marke. Sie muss ihre Stärken hervorkehren und alle Wertschöpfungsstufen auf Einzigartigkeiten prüfen. Jede in sich verkettete Leistungsstruktur ist einmalig. Es gibt keine zwei identischen Marken-Fingerabdrücke. Unterscheidbarkeit aber ist Voraussetzung für das sichere ästhetische Urteil des Publikums, nicht Gleichmacherei. Nicht mehr die „großen Überschriften“ erzeugen die entscheidende Differenz, sondern die Details, die in den Vordergrund zu stellen sind und das eigene Leistungsversprechen zu einer runden, unverwechselbaren Sache machen.
Über den Autor: Manfred Schmidt ist Vorsitzender des Instituts für Markentechnik Genf