Jack Dorsey hat es derzeit nicht leicht. Das Hin und Her in der Causa Alex Jones hat ihm viel Kritik eingebracht. Erst meckerten die Liberalen darüber, dass der Kurznachrichtendienst rechten Ideologien einen Platz gibt. Konservative Nutzer dagegen sprechen nach der siebentägigen Sperre von Verschwörungstheoretiker Jones von Zensur auf Twitter. Auch US-Präsident Donald Trump nahm sich am Wochenende die großen sozialen Plattformen vor und twitterte: „Social Media diskriminiert republikanische und konservative Stimmen. Laut und klar für die Trump Administration gesprochen, lassen wir nicht zu, dass das passiert”, erklärte er. “Sie schließen die Meinung der RECHTEN, machen aber nichts bei anderen.“ Zensur sei eine sehr gefährliche Sache, hieß es weiter, und unmöglich zu überwachen. In einem Interview mit CNN gab der Twitter-CEO zu, dass sein Unternehmen bislang keine Lösung im Kampf gegen Fake News gefunden habe.
Unterdessen diskutiert das Netz über Alternativen zu Twitter
Allen voran die Open-Source-Software Mastodon wird dabei immer wieder genannt und als beste Option gepriesen. Das von Eugen Rochko aus Jena entwickelte Programm, heißt es auf der Homepage über Mastodon (benannt übrigens nach einem Rüsseltier aus der ausgestorbenen Gattung Mammut), sei eine freie und quelloffene Software. „Es gibt weder Werbung, Monetarisierung noch Risikokapital. Deine Spenden unterstützen direkt den Betrieb und die Weiterentwicklung dieses Projektes.“ Zu den Unterstützern zählen unter anderem Unternehmen wie Stream und Pixiv. Der größte Unterschied zur Konkurrenz aus San Francisco ist, dass sich die Plattform ähnlich wie eine E-Mail dezentral organisiert. Die Idee dahinter: Die Software kann ein Nutzer auf seinem Server installieren und dadurch wird eine Website erzeugt, die dann wiederum prinzipiell wie Twitter funktioniert oder aber man folgt einer Installation, sogenannten Instanzen. Ende Dezember 2017 sollen es rund 3.500 Instanzen gewesen sein, in denen die Nutzer miteinander kommunizieren können. Für gewöhnlich tummeln sich einige hundert Nutzer auf einem Server, größere über 10.000 sind eher selten. Diese Instanzen werden von Freiwilligen betrieben und haben teils spezielle Richtlinien, die von den Betreibern festgelegt werden und um deren Einhaltung er oder sie sich kümmern muss. Die Nutzernamen bestehen aus zwei Teilen: dem eigenen und dem der Instanz, der völlig frei gewählt werden kann. Bei der größten Instanz mastodon.social hieße asw beispielsweise @asw@mastodon.social.
Die Kommunikation verläuft simpel
Nutzer versenden „Toots“, so heißen die Posts, die man als „Boost“ zudem teilen kann. Die Timeline ist anders als bei Twitter chronologisch geordnet und ein Posts kann bis zu 500 Zeichen enthalten. In einem Blogeintrag von April 2017 schrieb der Entwickler von Mastodon: „It isn’t built for selling your eyeballs or analytics to advertisers.“ Rochko betonte, dass er unter „ethischem Design“ nicht den Fokus auf Einnahmen setze, sondern dass „jeder den Code studieren und Verbesserungen vorschlagen kann“. Dies bedeute, dass die Software für Menschen von Menschen gebaut wurde, „unter dem prüfenden Blick anderer Menschen.“ Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Plattform rund 24.000 Nutzer, mittlerweile sind es 1,479 Millionen aktive Accounts, wie eine Statistik zeigt. Demnach sind in der Woche vor dem 19. August allein rund 78.000 neue User hinzugekommen, was auf die Debatte um Alex Jones zurückzuführen ist. Um die Software zu nutzen, gibt es verschiedene Apps wie Amaroq für iOS und Android.
https://twitter.com/seth586/status/1031195133402914821
„Mastodon Is Like Twitter Without Nazis, So Why Are We Not Using It?“, hat Sarah Jeong von Motherboard in einem Artikel im April 2017 gefragt. Indes, zahlreiche Kommentare im Netz mögen zwar ein freies, dezentrales Netzwerk ohne Werbung, Datensammelwut der Betreiber und Hassrede befürworten, allerdings bringt es nichts, wenn in den alternativen Netzwerken kaum Freunde auffindbar sind. Die weilen nämlich weiterhin bei Twitter. Der Reiz, das alte Forum zu verlassen, ist deshalb gering. Ob sich eine Open-Source-Software wie Mastodon in der Breite durchsetzen kann, hängt davon ab, wie viele Nutzer sich von Twitter abwenden und ob bekannte Leute diesen Dienst nutzen. Ein Trumpf von Jack Dorseys Plattform ist nun einmal, dass sich dort Politiker, Journalisten, Kreative und Entscheider weltweit versammeln und somit für Aufmerksamkeit sorgen. Man denke hier nur an Donald Trump, der dem Netzwerk bei aller Kritik enorm viel Beachtung einbringt. Von anderen Kritikern wird zudem der Punkt betont, dass sich derartige Netzwerke so lange schwer tun werden, wie sie bekannte Dienst lediglich kopieren, dabei aber komplizierter zu bedienen sind.
„Wir haben uns nur daran gewöhnt, dass im Internet immer irgendwer alles andere dominieren muss“
Mastodon wäre nicht die erste Alternative zu den großen Plattformen, die trotz medialer Präsenz auch zukünftig ein Nischendasein fristet. Erst Anfang des Jahres gabt es einen Hype um die App Vero, die als das nächste Instagram beschrieben wurde. Von Vero hört man mittlerweile nichts mehr. Tech-Blogger Steffen Voß behandelt in einem aktuellen Beitrag die Vorteile von Open-Source-Software und schreibt zu Mastodon & Co.: „Das Schöne aber ist, dass keiner dieser Dienste ‚das nächste Facebook‘ sein muss. Private, freie Netzwerke müssen nicht die Welt dominieren. Es reicht, wenn sie für die Leute funktionieren, die sie benutzen.“ Kleine Fachforen von Autoschraubern oder Anglern seien nicht zu Facebook gegangen – und von einem Sportverein erwarte auch niemand, dass er der nächste Weltklub werde, ansonsten hätte er versagt. „Wir haben uns nur daran gewöhnt, dass im Internet immer irgendwer alles andere dominieren muss. Gedacht war das mal anders.“