Woran liegt es hauptsächlich, dass Start-ups nicht langfristig den Markt dominieren, oder am Ende doch nicht gegründet werden? Was scheuen Gründer?
Manche fangen gar nicht erst an: In vielen Fällen scheuen potenzielle Gründer den „Leap of Faith“ – also von ihren gut bezahlten 9-to-5-Jobs hinein zu einem Start-up-Leben voller Unsicherheiten zu wechseln, erklärt Felix Gessert, Gründer und CEO von Baqend, einem Anbieter von Cloud-Backend-Lösungen. So gut eine Gründungsidee auch ist: Sie steht und fällt mit der Ausführung durch das Team – aber natürlich auch mit der Finanzierung. „Ohne zumindest einen Prototyp oder erste Ergebnisse vorweisen zu können, ist es schwierig, Frühphasen-Investoren zu überzeugen. Und so bleibt ambitionierten Gründern oft nur das Bootstrapping – die Finanzierung des Start-ups aus eigenen Mitteln“, erklärt Gründer Gessert.
Max Festge, Gründer und Geschäftsführer des Start-ups BiteBox – Office Survival Food, glaubt, dass viele Projekte daran scheitern, dass nicht genügend Kapital zur Verfügung steht, um ein marktreifes Produkt oder Geschäftsmodell zu entwickeln oder nicht ausreichend Kunden gewonnen werden konnten, um in kurzer Zeit schon signifikante Umsätze zu erzielen. „Jeder Gründer kann ein Lied davon singen, dass unerwartete Kosten entstehen und man doch länger braucht als gedacht, um ein marktfähiges Produkt oder ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Man benötigt also einen langen Atem. Dazu kommt eine gute Konjunktur in Deutschland, so dass viele Entwickler auch tolle Angebote von etablierten Firmen bekommen.“
Professionelles Zeitmanagement ist ein Muss
Projekt- und Zeitmanagement-Methoden wie Scrum und Kanban erfreuen sich vor allem in Software-getriebenen Start-ups großer Beliebtheit. „Bei Scrum arbeitet das Team in festen Zeitrastern von zwei bis vier Wochen – „Sprints“–, in denen der nächste Meilenstein des Produkts erreicht wird. Das erleichtert die Planung und hat den Effekt, sehr agil auf sich ändernde Anforderungen im Markt und von Kunden reagieren zu können. Dies wird durch unsere verhältnismäßig kleine Teamgröße und kurze Wege zusätzlich unterstützt, wir sind jedoch überzeugt, dass auch größere Unternehmen mit der Offenheit für neue Projektmanagement-Modelle von solchen flexiblen Systemen profitieren können“, weiß Gründer Gessert. Aber auch Apps können zur Umsetzung von Projekten hilfreich sein. Dropbox, Wunderlist, Slack, Trello, Pipedrive und WhatsApp sind nur einige, die von Start-ups gern zur Kommunikation oder Aufgabenverteilung genutzt werden. Auch die gute alte To-Do-Liste ist noch wesentlicher Bestandteil vieler Organisationsstrukturen. „Ein Freund hat mir das Modell ‘1 big thing‘ nahegelegt. Jeden Tag versuche ich mir eine Aufgabe rauszupicken, die erledigt den größten Effekt nach sich zieht. Erst wenn diese Aufgabe realisiert ist, kommen andere To-Do’s an die Reihe“, sagt Schmuckdesignerin Johanna Waschmann, Gründerin von Alma Frieda jgjugj und hat früher als Produktmanagerin bei Beiersdorf gearbeitet.
Weiteres Hilfsmittel: Das Kanban-System ist ein etabliertes System, mit dem sich viele Teams organisieren. Es ist ein Pull-System, bei dem sich die Mitarbeiter ihre Aufgaben selbst ziehen und selbst entscheiden dürfen, welche der Aufgaben aus dem Backlog sie als nächstes bearbeiten. Dieses hohe Maß an Selbstbestimmung motiviere Teamitglieder, so Gessert. So werden Angelegenheiten nicht einfach zugewiesen, sondern jeder einzelne übernimmt aktiv ausstehende Aufgaben.
Welche Tipps und Tricks befolgen Gründer um Abläufe perfekt zu gestalten? Festge antwortet: „Ich denke gerne in Projekten, die wir innerhalb von drei Monaten auf die Straße bringen. Für mich ist der Wille, neue Sachen auszuprobieren, entscheidend und natürlich auch die Mentalität, dass wir Dinge testen, auch wenn sie nicht jedem im Team zu 100 Prozent gefallen. Wenn wir zu lange warten und rumdoktern, dann sterben wir in Schönheit. Machen und ab und zu mal hinfallen ist für mich im Zweifel der bessere Weg.“
Viele Start-ups zelebrieren „Kreativ-Tage“. So treffen sich Mitgründer zum Beispiel alle sechs Monate abseits der Firma für einen ganzen Tag und besprechen und hinterfragen wichtige Themen. Wo wollen sie hin? Welche Ziele und Prioritäten setzen sie? So lassen sich grobe Stolperfallen aus dem Weg räumen.
Drei Stolperfallen im Projektmanagement
Confirmation Bias
Der Confirmation Bias oder Bestätigungsfehler sorgt dafür, dass wir Informationen immer so auswählen, dass sie in unser Weltbild passen. Unsere Wahrnehmung idealisiert dabei Argumente, die uns in unserer Meinung bestätigen – und blendet Gegenargumente aus. So bleiben vorgefertigte Meinungen hartnäckig in unseren Köpfen verankert. Gefährlich wird der Confirmation Bias etwa dann, wenn wir für eine eigentlich mangelhafte technische Lösung brennen. Dann kann es eine Weile dauern, bis wir die Warnsignale wahrnehmen – und unser Sichtfeld durch andere Meinungen erweitern. Helfen kann das Modell der Thinking Hats: Dabei setzen in einer Gruppendiskussion die Teammitglieder allle unterschiedliche „Hüte“ auf und schlüpfen damit in unterschiedliche Rollen– und diskutieren so eine Idee aus unterschiedlichen Perspektiven.
Group-Think-Phänomen
Groupthink ist ein Denkmodus, der häufig in Teamarbeiten auftritt. Dabei finden die einzelnen Teammitglieder unbewusst die Harmonie der Gruppe wichtiger als die realistische Einschätzung der Situation. Ohne Ideen angemessen kritisch zu bewerten, einigt sich die Gruppe auf eine Konsensidee. Soziales Verhalten, das die Idee der Gruppe fördert, wird belohnt. Querdenken wird bestraft, um Konfliktsituationen zu vermeiden. Das mögliche Resultat: Eine Gruppe von klugen Menschen trifft eine dumme Entscheidung.
Sunk Cost Trap
Investitionen beurteilen wir fast immer rückwärtsgerichtet: Je mehr Geld und Arbeit wir schon in eine Entscheidung investiert haben, desto mehr tendieren wir dazu, an ihr festzuhalten – auch wenn es vielleicht die falsche Entscheidung war. Wir achten gar nicht mehr auf den aktuellen Status und die zukünftige Entwicklung. Stattdessen denken wir nur an all das Geld und den Aufwand, den wir schon in das Projekt investiert haben – und halten daran fest. Viel zu spät gestehen wir uns dann ein, dass die Kampagne vielleicht gar nicht so gut ankommt wie erhofft oder dass die ursprüngliche Idee gar nicht so brillant war. Spätestens dann sollte man nicht mehr auf das Durchhalten setzen.