Von Gastautor Bastian Scherbeck, Managing Director We Are Social Germany
Trend 1: The Internet of Social Things
Dass wir unser Haus, unsere Wohnung, unser Bad und unser Bett mit einem Fremden teilen würden, war vor einigen Jahren noch unvorstellbar. AirBnB hat das verändert und ist jetzt bereits Millionen wert. Die Plattform hat es uns ermöglicht, Objekte, die wir früher unser alleiniges Eigentum nannten, mit anderen Community-Mitgliedern zu teilen. The Internet of Social Things ist ein Trend, der zeigt, dass uns das Teilen mit anderen glücklich macht. Hier werden bisher ungenutzte Ressourcen lokalisiert, neue und alte Muster herangezogen und somit neue Branchen, Ökonomien und nicht zuletzt ein neues (Konsum-) Verhalten geschaffen. Autos, Fahrräder, Regenschirme – nichts ist sicher.
Trend 2: Wearable Social
Wer die sogenannten Wearables bis jetzt als Unfug abgetan hat, der wird sich über diese Prognose wundern: 19 Mrd. US $ Umsatz bis 2018 sollen die vernetzen Accessoires generieren. Zwar hat es bis jetzt, dank mangelnder Funktionalität und unhandlicher Bedienung, noch keines dieser Geräte geschafft, ein Massenprodukt zu werden, dennoch sprechen alle Entwicklungen für eine neue Generation, die die jetzigen Geräte in den Schatten stellen wird. Insbesondere Optionen für die Steuerung der Kommunikation werden den Markt in Schwung bringen. Spracherkennungssoftware und „künstliche Intelligenz“ entwickeln sich rasant und erste Unternehmen versuchen, körperliche Reaktionen in Aktionen umzusetzen, wie etwa die App PPLKPR. Sie zeichnet die Reaktionen auf Menschen auf und ordnet diese entsprechend ein. Sobald das erste Produkt massenhaft abgesetzt wird, wird sich das erste soziale VR Netzwerk entwickeln.
Trend 3: Social VR
Im Bereich Virtual Reality besteht schon jetzt ein hoher Konkurrenzdruck: Mehrere Unternehmen arbeiten an konsumentengerechten Geräten, bereits dieses Quartal soll die erste Auflage von Oculus Rift auf den Markt kommen. Was das Ganze mit Social Media zu tun hat, zeigt unter anderem Facebook. Das soziale Netzwerk hat im letzten Jahr hohe Investitionen getätigt, nicht nur durch die Akquisition von Oculus Rift, sondern auch in der Entwicklung eines eigenen 360 Grad Video-Formats und der allgemeinen Ausrichtung der Plattform auf Bewegtbild-Inhalte. Für Unternehmen bedeutet das vor allem eines: Nachdem in den sozialen Netzwerken statische Inhalte langsam durch dynamische ersetzt werden, sind VR Reality-Inhalte der nächste (technisch) logische Schritt. Es sei keinem geraten, sich jetzt schon mit voller Kraft in die Entwicklung von VR Kampagnen zu stürzen. Dennoch sollte sichergestellt werden, dass man sowohl kreative als auch operative Ressourcen hat, um dynamische Inhalte zu produzieren.
Trend 4: Voyeurism 2.0
Big Brother und Dschungel Camp war gestern. Das, was heute auf der medialen Agenda vieler junger Menschen steht, ist das Reality TV der nächsten Generation. Vlogging (als tägliche Berichterstattung via Youtube), Snapchat Snaps und Livestreams sind die neuen Einschaltquoten-Schlager. Social Media Stars wie beispielsweise Dagi Bee und Sami Slimani erreichen damit bis zu vier Millionen Views pro Video, während andere sich lieber auf bestimmte Nischen und Themenbereiche fokussieren und damit vielleicht eine kleinere, aber weitaus homogenere Zielgruppe ansprechen. Auch hier zeigt sich eine Entwicklung weg von statischen Inhalten hin zu dynamischen. Der Erfolg von Snapchat und Livestreaming (in Facebook oder über eigene Apps wie Periscope) stellt einen weiteren neuen, relevanten Faktor dar: Menschen lieben diese radikale Transparenz und pure Authentizität. Marken werden lernen müssen, damit umzugehen.
Trend 5: Big Social Data
Big Data ist wahrscheinlich das Buzzword des letzten Jahrzehnts und hat sich bis dato vor allem darin bewährt, Kundendaten zu analysieren und daraus Muster abzuleiten. Im Zuge dieser Entwicklung ist es Unternehmen bereits möglich, nicht erst Muster erstellen zu müssen, sondern auf Trends und Entwicklungen in ihrer Entstehungsphase einzugehen. So nutzt die Food Standards Agency verschlüsselte Twitterdaten, um Krisengebiete von Magen-Darm-Viren frühzeitig zu erkennen und medizinische Einrichtungen entsprechend auf ansteigende Krankenstände hinzuweisen. Ebenso kann Big Social Data auch zu immer kürzeren Produktlebenszyklen und zu hochpersonalisierten Angeboten führen.
Trend 6: Conscious Community
Heutzutage bilden sich online oft Gruppierungen, die spezifische Interessen teilen und sogenannte Communitys formieren. Auf diese Weise entstehen Seiten und Unternehmen wie madeinafreeworld.com und slaveryfootprint.org, die sich mit der Beschaffung und Produktion von Gütern aus Dritte-Welt-Ländern beschäftigen. Durch sie haben bereits über 1,3 Millionen Menschen Briefe an Unternehmen versandt, um auf intransparente Zulieferketten aufmerksam zu machen. Was sich häufig als interessenspezifischen Austausch zeigt, kann für Unternehmen dennoch schnell zur Herausforderung werden: Oft sind diese Communitys ein effektiver Treiber, wenn sich Unternehmen in der Öffentlichkeit Fehltritte erlauben oder intransparent handeln.
Trend 7: Anti-Social
Eine nicht endende Informationsflut über verschiedenste Kanäle, sei es beruflich oder privat, führt dazu, dass die Zeit, in der wir offline sind, zu einem Luxusgut geworden ist. Abhilfe schafft der australische Anbieter von Pasta-Saucen Dolmio mit dem Dolmio Pepper Hacker. Kaum dreht man diese Pfeffermühle, werden alle WLAN-Verbindungen in der näheren Umgebung abgeschaltet.
Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass viele Nutzer zwar nicht offline, aber anonym bleiben wollen, zum Beispiel über die neue, kostenlose App Jodel können Nutzer Nachrichten verschicken, die jede Person aus der Community im Umkreis von zehn Kilometern sehen kann. Das Besondere an Jodel: Alle sind anonym. Freunde oder Follower gibt es nicht. Es zählt nur, wer in der Nähe ist.
Trend 8: Social Status Seekers
Die “Always-On” Gesellschaft bringt noch ein ganz spezifisches Phänomen mit sich: eigene Social Media Promis oder solche, die es gerne wären. Wie geht das? Privatpersonen teilen über die verschiedensten Netzwerke alles von sich und der Markt bietet ihnen Tools, um diese Inhalte zu professionalisieren. Facetune hat sich längst als Selfie-Photoshop-App etabliert und verhilft nicht mehr nur Stars zu makelloser Haut. Die Lily Drone filmt motivierte Vlogger, Actionsportler oder Otto-Normalverbraucher auf jedem Schritt und Apps wie Periscope, Snapchat und Beme machen es möglich, das eigene Leben in Echtzeit zu teilen. So entstehen im Netz plötzlich Berühmtheiten, die inzwischen durch gezieltes Marketing und intelligent angepasste Inhalte provoziert werden.
Trend 9: Community Commerce
Online Communitys bilden sich zwar zu bestimmten Themen, doch nicht immer geht es dabei um rein idealistische Anliegen. So scheint es vollkommen offensichtlich, dass sich aus solchen virtuellen Communitys auch neue (Nischen-)Märkte entwickeln. Im Zentrum dieser Ambitionen stehen zumeist soziales Engagement und ein möglichst positiver gesellschaftlicher Effekt. Neben dem bereits erwähnten Projekt “Made In A Free World” gibt es zum Beispiel auch Hands-Up, eine Crowdfunding Seite für Obdachlose und ihre Projekte. In den USA entstehen zudem sogenannte Coops, die sich für die unterschiedlichsten Bereiche einsetzen. Unter anderem ermöglichen sie es, Menschen frische und gesunde Lebensmittel zu günstigen Preisen zur Verfügung zu stellen.
Trend 10: (Inc)ubators
Seit einigen Jahren zeichnet sich der Trend ab, dass große Unternehmen in Start-ups investieren, um daraus frische, neue Ideen und kreativen Output zu generieren. Dieses Engagement zeigt sich nicht nur finanziell, sondern beinhaltet gleichzeitig auch die Bereitstellung von Ressourcen. Dennoch sind der Effekt und Mehrwert fraglich. Auch wenn die Verlockung groß ist und einige Big Player erfolgreich damit sind, sollte man hier nicht überhastet große Investitionen tätigen. Um dennoch eine dynamische Entwicklung zu fördern, können Unternehmen ihren Mitarbeitern Freiräume gewähren. So können sie eigene Projekte und Interessengebiete verfolgen, die wieder auf den Job einzahlen.
Trend 11: Social Currency
Seit Jahren arbeiten Messenger Apps, Social Networks und Smartphone Hersteller gleichzeitig daran, dass über die eigenen Kanäle effektiv und sicher finanzielle Transaktionen stattfinden können. Diese Entwicklung bahnte sich bereits 2015 unter anderem mit der Einführung von Snapcash bei Snapchat an. Mit einem Snap können hier, soweit die Kreditkartendaten beider User verfügbar sind, Geldbeträge per Chat versendet werden. Geldtransfer über soziale Netzwerke ist bis dato noch nicht ausgereift: Gerade bei finanziellen Themen wird Datenschutz bekanntlich groß geschrieben. Dieses Thema gab es aber auch, als Paypal den Markt erobert hat. Inzwischen nutzen über 170 Millionen Menschen weltweit die Plattform. Insbesondere Unternehmen, deren Zielgruppe eher jung ist, sollten sich schon jetzt darüber Gedanken machen, ob und wie sie Mobile und Social Payments in ihre Kaufoptionen integrieren können.
Zum Autor: Bastian Scherbeck ist Geschäftsführer bei We Are Social Deutschland. Als Managing Director leitet er den deutschen Standort der global vertretenen Agentur We Are Social. Sein Team berät Kunden wie adidas, Beats By Dre, Cisco, HSE24, Lenovo, Liebherr, Metro, Mondelez und Playmobil in strategischen wie kreativen Fragen.