So bringen Sie ChatGPT Ihre Markensprache bei

Auch das noch: Durch cleveres Prompt Engineering kann generative KI eine Brand Language erlernen. Wie das geht – und wo die Grenzen liegen.
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Sarah Neven ist UX Writerin bei der Digitalagentur Appsfactory. (© Appsfactory, Montage: Olaf Heß)

An alle Menschen, die beruflich auf irgendeine Weise Text für eine Marke produzieren und diesen Artikel lesen: Please don’t hate me! Doch der Alptraum ist wahr und jetzt ist es nicht länger ein Geheimnis: ChatGPT könnte auf seine gewohnt schnelle und fleißige Art theoretisch auch diesen Job übernehmen.  

Stellen wir uns vor, jemand, der UX Writer*innen für überflüssig und sowieso für zu teuer hält, macht sich selbst ans Werk, indem er ChatGPT eine Fehlermeldung für seine App generieren lässt. Dafür gibt er einen Prompt ein, etwa so: “Schreibe eine Fehlermeldung für eine App, die aussagt, dass der Nutzer beim Login einen falschen Benutzernamen oder ein falsches Passwort eingegeben hat. Die Fehlermeldung soll höchstens 100 Zeichen lang sein.” Er bekommt einen Vorschlag zurück: “Ungültige Anmeldedaten. Bitte überprüfen Sie Benutzername und Passwort.” Nicht übel, findet er, aber Moment mal! Wir haben doch eine Markensprache! Und jetzt?  

Meine Tipps

Erster Tipp: Schnell die Guidelines zur Brand Language raussuchen und ChatGPT damit beauftragen, die für eine Fehlermeldung relevanten Richtlinien zusammenzufassen. In Stichpunkten, bitte. Schließlich kann die KI diese Stichpunkte anschließend besser weiterverarbeiten. Dabei kommt vielleicht so etwas heraus wie: 

– “Sprich wie ein humorvoller bester Freund” 
– “Vermeide technische Begriffe” 
– “Benutze positive Sprache statt negativer Sprache” 

Zweiter Tipp: Das volle Potenzial des Tools ausnutzen und mit die Temperatur-Einstellung, über die sich das Zufälligkeits-Level in der Entscheidungsfindung steuern lässt, für kreativere Wortwahl sorgen. Ein Beispiel: 

Prompt: “Schreibe einen Satz über Katzen. Setze die Temperatur auf 0,2.” 

Output: “Katzen sind liebenswerte Haustiere, die gerne kuscheln und die Ruhe genießen.” 

Und jetzt mit höherer Temperatur: 

Prompt: “Schreibe einen Satz über Katzen. Setze die Temperatur auf 0,9.” 

Output: “Katzen sind nicht nur flauschige Wesen, sondern auch Meister im Jonglieren mit ihren Spielzeugen, als würden sie in der Zirkusmanege auftreten.” 

Der Unterschied wird sofort klar. Standardmäßig liegt die Temperatur-Einstellung von ChatGPT übrigens bei 0,7, die Skala geht von 0 bis 1.  

Schließlich entsteht für die Fehlermeldung also folgender Prompt:  

“Schreibe eine Fehlermeldung für eine App, die aussagt, dass der Nutzer beim Login einen falschen Benutzernamen oder ein falsches Passwort eingegeben hat. Die Fehlermeldung soll höchstens 100 Zeichen lang sein. Setze die Temperatur auf 0,8.” 

Halte dich an die folgenden Richtlinien: 
 
– “Sprich wie ein humorvoller bester Freund” 
– “Vermeide technische Begriffe” 
– “Benutze positive Sprache statt negativer Sprache” 

Nach mehrfachem Betätigen des Regenerate-Buttons schlägt ChatGPT vor: “Huch! Benutzername oder Passwort falsch. Kein Stress, wir kriegen das hin!” Perfekt, ein Meisterwerk von einer Fehlermeldung, passend zur Markensprache. Fall gelöst, ganz ohne UX Writer*in, innerhalb von zehn Minuten.  

Was ein*e UX Writer*in weiß, ChatGPT aber nicht: Eine Fehlermeldung sollte in erster Linie klar und praktisch sein. Die generierte Fehlermeldung passt zwar zur Markensprache, ist aber zu wenig serviceorientiert. Denn ein Lösungsvorschlag, zum Beispiel eine Aufforderung, es noch einmal zu probieren, gehört zu einer guten Fehlermeldung dazu.  

Während man dieses Problem noch über Prompt Engineering lösen könnte, gibt es einen weiteren Unterschied, der sich momentan noch nicht beseitigen lässt. Ein*e UX Writer*in kennt sich im Produkt aus und weiß, dass konsistente Formulierungen unumgänglich sind, um Vertrauen zu schaffen. Wenn hier von einem “Benutzernamen” die Rede ist, da aber von einem “Usernamen”, schafft das nicht nur Misstrauen, sondern auch Verwirrung. 

Texte, die von ChatGPT generiert werden, sind heute also noch keine Selbstläufer. Sie können aber als solide Grundlage dienen. Zum Beispiel für UX Writer*innen, die damit das tun, was sie am besten können – den Nutzer*innen eines Produkts über Sprache die bestmögliche Erfahrung bieten. ChatGPT “könnte theoretisch” auch diesen Job übernehmen, stand weiter oben. Wird es aber nicht. Noch nicht.