Verknüpfung von Onlineshop und Filiale

In einer Kundenbefragung hat die Unternehmensberatung PwC herausgefunden, dass die Wünsche der Konsumenten und deren Wahrnehmung durch die Händler signifikant voneinander divergieren. Gerd Bovensiepen, Leiter Handel & Konsumgüter bei PWC im Interview
Gerd Bovensiepen vermisst Innovationsleidenschaft im deutschen Händlerwesen

Herr Bovensiepen, Sie haben im Rahmen Ihrer Studie „Modern Retail“ Kunden befragt, was Ihnen im eCommerce wichtig ist. Gab es überraschende Erkenntnisse?

Gerd Bovensiepen: Wir haben Konsumenten vor allem befragt, was ihnen beim Einkauf im Ladengeschäft oder auch in Verbindung mit dem Internet wichtig ist – und diese Erwartungen mit den Ansichten und Investitionsschwerpunkten von 100 Handelsunternehmen gespiegelt. Überraschend ist, dass viele Händler gar nicht genau wissen, was sie attraktiv für Kunden macht, oder noch nicht in diesen Bereichen ausreichend investiert haben. Insbesondere unterschätzen sie das Internet: 77 Prozent der befragten Konsumenten vergleichen online die Preise vor einem Kauf. Nur 39 Prozent der befragten Händler beobachten dieses Verhalten bei ihren Kunden.

Die einfache Verknüpfung von Onlinestore und Ladengeschäft ist einer der wichtigsten Kundenwünsche gemäß PWC-Studie (Cyberportshop)

Ist Same Day tatsächlich das wichtigste Innovationsfeld, oder wollen die User doch Mobile Payment?

Bovensiepen: Die sofortige Warenverfügbarkeit ist tatsächlich für 56 Prozent der Befragten sehr wichtig und damit kaum weniger wichtig als das Preis-Leistungsverhältnis. Hierbei können Händler natürlich punkten. Moderne Bezahlverfahren finden 53 Prozent der Konsumenten attraktiv. Allerdings würden beachtliche 81 Prozent gerne online sehen können, ob ein Produkt im nächstgelegenen Geschäft verfügbar ist. Das geht allerdings aber gerade mal bei vier von zehn Händlern. Die Verknüpfung von Internetauftritt oder Onlineshop mit den Filialen ist also das wichtigste Innovationsfeld.

Eine qualitative Studie, die nach Innovationen fragt ist methodisch nicht ganz einfach. Wie stellen Sie sicher, dass die Nutzer wissen, um was es in der Frage geht? Neigen die Befragten dazu, Innovationen generell als positiv zu bewerten, oder sind sie skeptisch?

Bovensiepen: Wir haben repräsentativ 1.000 Konsumenten nach ihrem tatsächlichen Einkaufsverhalten befragt. Also, was sie wo kaufen und worauf sie dabei achten. Danach erst haben wir gefragt, welche zusätzlichen Angebote oder Services und technologische Neuerungen sie beim Einkauf attraktiv finden – und was sie bereit wären, dafür zu zahlen! Hier zeigt sich also durchaus, dass nicht alle Ideen die Gunst der Mehrheit treffen. Aber 57 Prozent der Befragten würden zum Beispiel dafür zahlen, wenn der Händler ihnen die eingekauften Produkte nach Hause liefert.

In England sagten befragte Käufer, dass Aldi und Lidl so schön einfach sind und so wenig Gimmicks machen im Vergleich zu Tesco. Tendiert der Handel derzeit dazu, dem Kunden zu viel zumuten zu wollen?

Bovensiepen: Es kommt darauf an, welchen Mehrwert Innovationen für die Konsumenten schaffen. In Deutschland sehen wir, dass eher pragmatische Zusatzangebote den Nerv der Verbraucher treffen. Hierzu zählt eben, dass man im Internet nachsehen kann, ob Produkte im Laden um die Ecke erhältlich sind, diese bestenfalls sogar bestellen und dann abholen kann. Auch kleinere Annehmlichkeiten wie WLAN im Geschäft findet die Mehrheit attraktiv – und bleibt dann bestenfalls länger im Laden und kauft mehr ein. Ebenfalls ganz pragmatisch: 64 Prozent unserer Befragten kommen immer wieder gerne in denselben Laden, wenn es dort ausreichend kostenlose Parkmöglichkeiten gibt.

Vergessen Unternehmen über die Innovationsleidenschaft nicht gelegentlich ihr Kerngeschäft und verlieren den Kunden aus den Augen? 

Bovensiepen: Innovationsleidenschaft sehen wir im Handel eher selten. Eher im Gegenteil: Der Handel unterschätzt, dass nur noch die Hälfte der Einkäufe ausschließlich im Ladengeschäft erfolgt. Die Menschen kaufen mittlerweile viele Produkte im Internet oder suchen sie zumindest dort. Viele Händler sind hier nicht präsent genug und laufen Gefahr, Kunden an reine Online- oder Multi-Channel-Händler zu verlieren. Im stationären Geschäft selbst hingegen erkennen die Händler, dass sie ihre Kunden mit modernen und ansprechenden Läden, zusätzlichen Services und Events begeistern können. Dafür müssen die Kunden aber auch erst mal den Weg in den Laden finden.

Der Innovationsdruck in Unternehmen kommt oft aus dem Marketing. Ist der Druck an manchen Stellen zu groß, so dass die Prozesse überfordert sind, oder ist das richtig, um den Wandel voran zu treiben?

Bovensiepen: Das Marketing kann bestenfalls gut einschätzen, was Konsumenten in die Geschäfte oder auch den Onlineshop lockt, und wie man sie am besten von der Suche bis zum Einkauf begleiten und an den Händler binden kann. Im nächsten Schritt müssen die Händler aber gut abwägen, ob eine Innovation nur „nice-to-have“ ist oder tatsächlich eine zusätzlichen Nutzen oder gar eine Mehrzahlungsbereitschaft bietet, die die Kosten rechtfertigt. Eine Verzahnung der Website oder auch des Onlineshops mit dem Filialnetz und seinen Beständen beispielsweise ist keine triviale Investitionsentscheidung, dürfte aber vielen Händlern die Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Die Studie „Modern Retail – Innovative Handelskonzepte im Fokus“ von PwC wird im gleichnamigen Strategieforum beim Deutschen Handelskongress in Berlin am 19. November veröffentlicht und ist danach auf der Seite www.pwc.de/modern-retail kostenfrei erhältlich. Die Absatzwirtschaft und der Veranstalter ManagementForum verlosen zwei Tickets für Kongress und Messe. Schicken Sie einfach eine eMail an fuhrmann@managementforum.com mit dem Betreff „#DHK2014“, dem offiziellen Hashtag. Einsendeschluss ist Mittwoch, der 12. November.