Die cloudbasierte Plattform, SAP Exchange Media, soll nahtlos in alle Marketing-, CRM- und ERP-Systeme integriert werden können. Der Software-Konzern aus dem baden-württembergischen Walldorf wirbt mit kürzeren Buchungszeiten, da alle Daten in Echtzeit verarbeitet würden. Präzisere Werbemöglichkeiten sollen die Konversionsraten erhöhen, gleichzeitig gehöre mit der Plattform Ad-Fraud der Vergangenheit an, weil werbungtreibende Unternehmen direkt mit Publishern verbinden würden und so Drittanbieter und Mittler aus dem System rausfielen.
Die Idee hatten vor SAP auch andere
SAP springt damit auf einen lukrativen Trend auf, bereits ein Drittel des digitalen Werbeinventars werden hierzulande programmatisch gehandelt, schätzt die Fokusgruppe Programmatic Advertising im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Es ist die erste Hochrechnung für den Gesamtmarkt und bezieht auch Google und Facebook mit ein.
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Doch der programmatische Handel ist auch äußerst komplex. Zwischen Publishern und Werbetreibenden stehen Sell-Side- und Demand-Side-Plattformen, die wiederum mit Media-Agenturen und Drittanbietern kommunizieren. Die zunehmende Komplexität eröffnet Kritikern zufolge Tür und Tor für Ad-Fraud, Publisher befürchten nicht nur Preisverfall sondern auch einen Kontrollverlust über ihr Inventar. Hinzu kommt: 60 Prozent der Werbeausgaben verschwinden schon heute in den Taschen von Mediaagenturen und Adtech-Spezialisten.
SAP will die Branche neu ordnen und ermöglicht nun den direkten programmatischen Handel zwischen Publishern und Werbetreibenden. „Mein Ziel ist es, die digitale Werbung mit innovativer Technologie und zukunftsweisenden Algorithmen auf der Basis meiner bisherigen Erfahrungen neu zu definieren“, lautet etwa der Profilspruch von Gründer und Chef Wolfgang Faisst auf der Unternehmenswebsite. Erste Pilotkampagnen sollen bereits laufen, unter anderem mit Beiersdorf (Nivea) und Deutsche Post DHL Group.
Wirklich neu ist der Vorstoß des Walldorfer Konzerns aber nicht. Unternehmen und Agenturen können ihr Inventar längst über so genannte Ad Exchange-Anbieter freigeben. Allerdings verkompliziert die Aufgabe den ohnehin komplexen Mediahandel nur zusätzlich, der Handel wird durch immer mehr Teilnehmer bestimmt und damit undurchsichtiger.
Komplettlösungen statt Fragmentierung
Unternehmen arbeiten daher zunehmend an eigenen Komplettlösungen und integrieren Ad-Tech-Performance in ihre Angebote. IBM arbeitet daran, zuletzt verkündete auch Adobe den Einzug von Ad-Tech-Performance in seine Marketing-Cloud. Das Kalkül: Wer seine Inhalte mit Tools des Unternehmens kreiert, kann sie auch gleich darüber vertreiben.
Die Rechnung von SAP klingt ähnlich. 80 Prozent der 2000 wichtigsten globalen Marken arbeiten mit einer Software des Unternehmens, 98 Prozent der wertvollsten Marken nutzen die Services des Walldorfer Unternehmens, bei 70 Prozent aller weltweit getätigten Transaktionen ist SAP irgendwie mit im Spiel, schreibt Horizont-Chefredakteur Volker Schütz. Die Kunden sind also schon da, warum nicht ihr Leben vereinfachen, indem man ihnen die Möglichkeit gibt, noch mehr selbst zu steuern, statt jeden Klick an Agenturen auszulagern. Ginge der Plan auf, kämen laut Autor damit vor allem Media-Agenturen in Bredouille, weil Komplettanbieter wie SAP ihnen die Daseins-Berechtigung entzöge. Werbetreibende und Publisher wiederum könnten mehr Kontrolle über ihre Daten gewinnen.