Frau Belletti, alle reden von der Energiewende. Sie aber warnen davor, dass Unternehmen ihren Solarstrom oft nicht loswerden. Weshalb?
Weil die Netze noch nicht so weit ausgebaut sind, wie es zur Energiewende erforderlich wäre. Das ist kein rein deutsches, sondern ein europäisches Problem. Die Kapazität ist in vielen Regionen zu gering, um den zusätzlichen Strom aufzunehmen, den Unternehmen einspeisen möchten.
Haben Unternehmen keinen Anspruch darauf, ihren Strom verkaufen zu können?
Sie meinen die Einspeisevergütung auf Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Nein, so einfach ist das nicht. Wer eine PV-Anlage installieren und Strom abgeben will, muss zunächst beim Netzbetreiber einen Anschluss beantragen. Der prüft dann, ob das Netz den zusätzlichen Strom überhaupt verkraften kann. Wenn nicht, kann er die Genehmigung an die Auflage knüpfen, die Leistung der Anlage zu drosseln.
Wo ist das Problem?
Technisch lässt sich eine Drosselung relativ unkompliziert über Wechselrichter erreichen. Allerdings ist die Anlage dann weniger rentabel. In Ulm hatten wir letztes Jahr ein Projekt in der Vorprüfung, bei dem vier Megawatt auf dem Dach möglich waren, vom Netzbetreiber allerdings nur ein Megawatt freigegeben wurde.
Sind das Einzelfälle, oder muss jedes Unternehmen mit solchen Schwierigkeiten rechnen?
Ich glaube nicht, dass es eine Statistik dazu gibt. Wir erleben in unserer Beratungspraxis aber immer wieder, dass Anlagen heruntergeregelt werden, wenn das Netz überlastet ist. Bislang betraf das vor allem Freiflächenprojekte…
…also Windräder oder große Solaranlagen auf Wiesen oder Äckern…
… nun aber sehen wir solche Einschränkungen zunehmend auch bei Dachprojekten mit einer Leistung ab etwa 500 Kilowatt. Das ist eine Größenordnung, die gewerbliche PV-Anlagen auf Dächern von Lagerhallen oder Supermärkten durchaus erreichen. Und auch wenn es regional Unterschiede geben mag – grundsätzlich betrifft das Problem überlasteter Kapazitäten ganz Deutschland, Tendenz steigend. Die Anlagen gehen schneller ans Netz als dieses ausgebaut werden kann.
Welche Unternehmen sind denn beim Thema Solarstrom besonders motiviert?
Im Wesentlichen drei Gruppen: Unternehmen, die über die erforderlichen Dachflächen verfügt und sich eine neue Einnahmequelle erschließen wollen, etwa aus der Immobilien- und Logistikbranche. Industriebetriebe mit einem hohen Eigenbedarf an Energie. Und schließlich Unternehmen, für die ESG der Motor ist, darunter insbesondere viele Mittelständler.
Was raten Sie einem Unternehmen, das trotz möglicher Schwierigkeiten nicht auf den Netzausbau warten, sondern schon jetzt Solarstrom erzeugen möchten?
Ein Weg ist, die Größe der Anlage auf den Eigenverbrauch abzustellen. Wer einen Fuhrpark mit vielen E-Autos oder große Kühlanlagen betreibt, für den lohnt sich die Produktion von Solarstrom für den eigenen Bedarf schnell. Für Unternehmen, deren Stromverbrauch stark variiert oder die mit Blick auf die Zukunft eine größere Anlage installieren wollen, kann ein Batteriespeicher eine Lösung sein. Das ist zwar eine größere Investition, aber die Preise sind im Sinkflug. Alternativ lassen sich Speicherkapazitäten auch mieten, immer mehr Dienstleister bieten das an. Ein weiterer Weg ist der Bau eines Umspannwerks, das den Zugang zu einer höheren Netzebene ermöglicht, in der es noch freie Kapazitäten gibt.
Moment mal: Ein Umspannwerk bauen, um eine PV-Anlage betreiben zu können? Sie scherzen.
Keineswegs. Umspannwerke gibt es sogar schlüsselfertig. Das rentiert sich natürlich nur bei großen Projekten, etwa bei Anlagen auf Freiflächen. Ich will damit vor allem sagen: Es ist wichtig, die Energiewende voranzutreiben, und bei allen Schwierigkeiten: Es gibt immer eine Lösung. Mein Traum wäre, dass Unternehmen überschüssigen Strom unkompliziert an andere liefern dürfen, die keine Möglichkeit haben, PV-Anlagen zu installieren, weil beispielsweise die Statik des Gebäudes keine zusätzliche Belastung erlaubt.
Eine gute Woche noch, liebe Leser*innen, und behalten Sie die Zukunft im Blick!