Wie motivieren wir die Menschen zu mehr Nachhaltigkeit? Gar nicht! 

Unsere beiden Kolumnist*innen Jule und Lukas Bosch verabschieden sich von den Leser*innen. Zuvor aber noch ihre wichtigste Botschaft.
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Jule und Lukas Bosch beraten Unternehmen zu Transformation und Nachhaltigkeit. (© Abbi Wensyel, Montage: Olaf Heß)

Sie haben unsere bisherigen Kolumnen für die absatzwirtschaft nicht gelesen? Macht nichts! Denn weil dies hier nach wundervollen drei Jahren unser letzter Beitrag unter der Überschrift “Aktivismus” ist – ab jetzt dürfen sich an dieser Stelle andere Autor*innen mit ihren Perspektiven zu Wort melden – schreiben wir die wichtigste Botschaft aller unserer bisherigen Kolumnen einfach nochmal auf. Ein echter Serviceartikel, sozusagen!  

Wie wahrscheinlich den meisten von Ihnen, die sich mit der Sache beschäftigen, geht auch uns das Schneckentempo dieser sogenannten grünen Transformation gehörig auf den Zeiger. Die Fakten sind doch alle da. Die Wirtschaftlichkeit “grüner” Produkte, Technologien und Geschäftsmodelle ist inzwischen sogar in konservativen Kreisen angelangt. Trotzdem streitet sich die Öffentlichkeit auf Panels, in Zeitungen und in Podcasts weiterhin über die gleichen Dinge. Jan Hegenberg hat deshalb das wunderbare Buch “Klima Bullshit Bingo” geschrieben. Wer also noch ein Geburtstagsgeschenk für den Schwiegeronkel mit FDP-Mitgliedschaft braucht – go for it! (Und nein, eine andere Parteizugehörigkeit hilft leider auch nicht immer.)  

Frage nach der Motivation hemmt die Transformation 

Eine weitere wichtige Frage, die nicht im besagten Buch, aber trotzdem häufig –insbesondere auch unter Vertreter*innen der grünen Bubble selbst – besprochen wird, ist die aus dem Titel dieser Kolumne: Wie motivieren wir die Menschen zu mehr Nachhaltigkeit? Auf den ersten Blick scheint sie logisch und wichtig. Aber nur auf den ersten. Auf den zweiten Blick ist sie ein Indiz für eine grundlegende Ursache des oben bemängelten Schneckentempos der Transformation … Warum? 

Über Motivation wurden insbesondere im Business-Kontext Tausende von Sachbüchern geschrieben. Manager*innen auf der ganzen Welt fragen sich nämlich scheinbar schon lange genau das: Wie motiviere ich meine Mitarbeitenden? Im Business-Kontext hat sich allerdings inzwischen eine logische Antwort herauskristallisiert: Gar nicht! Wirklich gute Mitarbeitende sind aus sich selbst heraus motiviert. Das Einzige, was Führungskräfte tun müssen, damit ihre Leute die Leistung bringen, die sie bringen können, ist, aufzuhören, sie ständig zu demotivieren, beispielsweise mit schlechter Führung und ineffizienten Konzernstrukturen. Hattest du vielleicht gerade erst ein Motivationstraining für dein Team gebucht? Sag es ab! 

Auch für die grüne Transformation brauchen wir gar nicht erst in die Kataloge von Trainingsanbietern zu schauen. Denn wenn wir aufhören würden, die Menschen zu demotivieren, wären wir schon einen großen Schritt weiter!  

Nachhaltigkeit ist weniger individuell als suggeriert wird 

Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie möchten gerne häufiger mit dem Rad zur Arbeit fahren. Doch um das in einer mittelgroßen Autostadt auch tun zu können, müssten Sie sich aufgrund der schlecht ausgebauten Radinfrastruktur mehrmals täglich in lebensgefährliche Situationen bringen. Es wird suggeriert, Radfahren sei eine persönliche Entscheidung und wer nachhaltiger leben wolle, müsse doch gern das Opfer von ein bisschen mehr Anstrengung erbringen. Dabei ist der Trade Off gar nicht Radfahren statt Komfort, sondern Radfahren statt Sicherheit!  

Ganz ähnlich verhält es sich mit nachhaltigen Wärmelösungen für das eigene Zuhause, für die man sich nur wirklich selbst entscheiden kann, wenn man Besitzer einer Immobilie ist. Oder noch perfider: Food Labels. Man kann noch so sehr auf alle möglichen Siegel beim Einkaufen achten, am Ende kann man dennoch nicht darauf vertrauen, weil die Standards nicht wirklich durchgesetzt werden und die Herstellerfirmen nicht konsequent genug darauf achten.  

Trotzdem wird ständig so getan, als sei Nachhaltigkeit etwas Individuelles. Eine Entscheidung, die jederzeit zu treffen ist, zwar sehr viel Aufwand erfordert, aber mit der richtigen Einstellung bekäme man das schon hin. Es wird so getan, als sei etwas möglich, was eigentlich unmöglich ist – wie sicheres Radfahren in deutschen Städten.  

Motivation muss ausgelebt werden dürfen 

Und so bewegen wir uns sowohl in privaten Gesprächen als auch auf politischer Bühne in einem Sumpf aus erstrebenswerten, aber nicht erfolgenden Verhaltensänderungen. Und wundern uns, dass so langsam nichts mehr vorangeht und die Menschen resignieren. Wir müssen damit aufhören, den Leuten einzureden, sie sollten irgendwas mehr oder weniger machen, was in der aktuellen unperfekten Welt einfach nicht cool ist. Und stattdessen daran arbeiten – egal ob als Mitarbeitende*r in Unternehmen oder als Politiker*in – dass diese Welt so wird, wie sie sein könnte, sodass diejenigen, die motiviert sind, ihre Motivation auch ausleben können!  

Daher lasst uns die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Verhalten durch bessere Produkte, Dienstleistungen, Gesetze, Infrastruktur und so weiter verbessern! Denn Nachhaltigkeit ist kein Nice-to-have und auch kein Charity-Projekt, bei dem jeder “etwas beitragen” kann. Sie ist der stärkste Treiber für Innovation in der Wirtschaft. Und in dieser einen Sache sind sich doch hoffentlich endlich alle einig: Zu Innovation muss man das Ingenieurs-Land Deutschland sicher nicht erst motivieren. Innovation ist doch Teil unserer DNA! 

Jule und Lukas Bosch beraten Unternehmen zu den Themen Transformation und Nachhaltigkeit. Ihr gemeinsames Motto lautet: "Unternehmen statt Unterlassen – denn Zukunft wird gemacht."