Eins wollte Eliza Manolagas gleich zu Anfang klarstellen: „Change ist nicht getan, wenn das Senior Management ihn begriffen hat. Für die Belegschaft beginnt die Reise dann überhaupt erst.“ Die langjährige Kommunikatorin und Managerin der ING Deutschland weiß, wovon sie spricht – sie hat die digitale Transformation der Direktbank maßgeblich mitgestaltet. Heute arbeitet sie als Agile Consultant und sitzt im Aufsichtsrat der Direktbank. Der Rat, den sie denen gibt, die Change-Prozesse gestalten: „Es reicht nicht, von oben herab Botschaften zu verkünden. Es muss auch Raum für Dialog und Skepsis geben.“
Um die Rolle des Marketings bei Transformationsprozessen ging es beim Handelsblatt Media Summit auf der Kölner Messe Dmexco, moderiert von Christa Catharina Müller, Editor-in-Chief der absatzwirtschaft. Neben Manolagas auf dem Podium: Virginie Briand, Director Creative Consulting der Beratung Deloitte Digital, Andrea Euenheim, Chief People Officer der Omnichannel-Kommunikationsplattform Message Bird, und Annika Sinnecker, Senior Director Field Marketing der Darmstädter Software AG. Ein All-Female-Panel also – immer noch eine Rarität in der Welt des Managements. Beim Publikum kam das offenbar gut an, das Auditorium war dicht besetzt, mit hohem Frauenanteil.
Innovation erfolgt in Deutschland erst spät
Sie habe nach Rückkehr aus den USA, wo sie mehrere Jahre für Amazon gearbeitet hatte, überrascht festgestellt, was für ein großes Thema Transformation in Deutschland sei, berichtete HR-Spezialistin Euenheim. Aber: „Deutsche neigen eher dazu, Risiken zu minimieren, als Chancen zu ergreifen.“ Das führe dazu, dass lange an bestehenden Produkten festgehalten, Innovation oft erst spät erfolge. Dabei ist es wichtig, Veränderung rechtzeitig anzustoßen und nicht erst, wenn das Kerngeschäft schon leidet, da waren sich alle einig. „Die Suche nach Neuem beginnen, wenn das Alte noch gesund ist“, brachte es Beraterin Briand auf den Punkt.
Wichtigste Voraussetzung, damit Change gelingt: Die Belegschaft mitnehmen. „Die Leute dürfen nicht das Gefühl haben, überwältigt zu werden“, mahnte Marketerin Sinnecker. Die Implementierung von Neuerungen könne nur erfolgreich sein, wenn die Führungsetage Respekt und Verständnis auch für traditionelle Strukturen zeige – Mitarbeiter*innen fühlten sich und ihren Beitrag zur Vergangenheit sonst schnell entwertet. Hilfreich seien Instrumente wie Workshops und regelmäßige Alignments, Mitarbeiter*innen könnten Teilprojekte in ihren Bereichen selbst bearbeiten und so zur Transformation beitragen. Sinnecker: „Es kommt also auf die Strukturen an.“
„Schau, welche Energiequellen du hast und wie du deinen Akku auflädst. Change ist ein Marathon.“
Virginie Briand, Director Creative Consulting, Deloitte Digital
Aber zugleich auf Kommunikation. „70 Prozent der Transformationsprozesse scheitern am Kommunikationsmangel“, wusste Briand. Ziele erläutern, für die Umsetzung werben, Einwände entkräften – aus Sicht der Mitarbeiter*innen ist es oft selbst dann noch nicht genug, wenn Führungskräfte den Eindruck haben, alles schon x-mal erklärt zu haben. Das hat seinen Grund, wie Manolagas darlegte: Es ist einfacher, Veränderung zu gestalten, als verändert zu werden. Wobei auch der Job von Change Manager*innen nicht ohne ist. „Schau, welche Energiequellen du hast und wie du deinen Akku auflädst“, empfahl Briand. „Change ist ein Marathon.“
Mitarbeitende und Kund*innen mitnehmen
Welche Fähigkeiten müssen diejenigen mitbringen, die Transformation gestalten? Führungskräfte müssten in der Lage sein, die Stärken ihrer Mitarbeiter*innen zu sehen und sie einzubinden, meinte Sinnecker. „People are Key“ – ohne Mitstreiter*innen kann kein Change gelingen. Euenheim warb dafür, auch bei Veränderungsprozessen die Kund*innen und deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. „Es braucht Leute, die verstehen, welchen Impact das Unternehmen und ihre eigene Arbeit darauf hat.“
Corona-Pandemie, Klimawandel, die Folgen des Krieges in der Ukraine – die Disruptionen, mit denen sich Unternehmen derzeit konfrontiert sehen, sind vielfältig. Es sei ein Unterschied, ob der Anstoß für Transformation von innen komme oder von außen, meinte Manolagas: „In der Pandemie beispielsweise haben alle Mitarbeiter*innen eingesehen, dass sich das Unternehmen anpassen muss.“ Künftig werden es nach Ansicht der Panelistinnen nicht zuletzt Nachhaltigkeitsanforderungen sein, die Transformationsprozesse prägen. „Der Weg zur Sustainable Company beginnt gerade erst“, fand Briand.
Last not least: Auch der Umgang mit Fehlschlägen will bedacht sein. Ideal wäre ein offener Umgang mit ihnen, sagte Euenheim, „sonst werden die Leute misstrauisch“ – schließlich wissen sie sehr genau, dass in der Praxis nicht alles so gut funktioniert wie in der Theorie. Dem schloss sich Moderatorin Müller an: „Ich hätte große Lust, einmal ein Heft zu ‚Marketing Failures‘ zu machen.“ Wer nicht weiß, wie man Fehler macht, hat schließlich keine Chance, aus ihnen zu lernen.