Herr Klug, die ITyX-Gruppe bietet Kundenservice-Lösungen für Unternehmen und Organisationen an, die einen hohen Anteil schrift- oder internet-basierter Anfragen verarbeiten. Ihr Unternehmen arbeitet folglich mit künstlicher Intelligenz, man könnte auch von der „unsichtbaren Hand der Prozesse“ sprechen. Kommen Sie also sozusagen von der dunklen Seite der Macht?
ANDREAS KLUG: Bei uns geht es ausschließlich um eine friedliche Nutzung. Wir bei der ITyX-Gruppe glauben, dass wir mit Algorithmen eine neue Basis für die Service-Ökonomie schaffen. Wir sind in der Lage, Muster aus Texten zu erkennen. Wir erkennen sowohl den Sinn als auch die Besonderheiten innerhalb von unstrukturierten Daten, und damit können Geschäftsprozesse weitestgehend automatisiert abgewickelt werden. Ein Text kann übrigens künftig auch eine Sprache sein, wenn das gesprochene Wort transkribiert wird.
Wie lässt sich mit Hilfe von automatisierten Geschäftsprozessen der Zeitaufwand für Kunden reduzieren?
KLUG: Heute betrachtet man Serviceangelegenheiten zwischen dem Konsumenten und dem Unternehmen so, dass der Kunde irgendwo auf einen Knopf drückt, das ist der Startpunkt. Sein Anliegen oder seine Problemschilderung durchläuft dann irgendeine Form von Bearbeitung im Unternehmen. Am Ende kommt ein „Ja“, „Nein“, „Vielleicht“ oder „Hier ist die Lösung“ heraus. Das sehe ich kritisch, weil ich überzeugt bin, dass dieser Prozess in Zukunft in ganz viele kleine Schritte unterteilt werden kann. Und die Abwicklung dieser Schritte in Echtzeit ermöglicht die Einbindung des Kunden.
Wie hilft ITyX, diese Probleme zu lösen?
KLUG: Ich erläutere das am Beispiel von Haufe Lexware, einem E-Business-Spezialisten, der mit einer intelligenten Posteingang-Software von ITyX arbeitet. Die Idee des Projektes geht darauf zurück, dass die Kunden der Finanzsoftware Lexware regelmäßig Rückfragen haben, außerdem sind ihre Erwartungen an das Thema Multichannel sehr hoch. Aus Sicht des Haufe Customer Service lohnt es sich nicht, für jeden Touchpoint eine eigene Softwarelösung zu betreiben. Die Informationen müssen zusammenlaufen, vor allem aus Effizienzgründen. In eine moderne Software sollten auch die externen Ressourcen eingebunden und optimiert sein. Mit unseren Lösungen haben wir die Haufe Gruppe in die Cloud geschoben.
Die Cloud ist wichtig, weil das Unternehmen Haufe heute schon die Möglichkeiten schaffen will, mit dem Kunden künftig über zwei Wege zu kommunizieren: Erstens über sein Smartphone, was eine nahe Echtzeitkommunikation bedeutet; zweitens ist geplant, alle digitalen Produkte von Haufe, die auf den Arbeitsplätzen der mittelständischen Unternehmen oder der privaten Endkunden laufen, mit den Prozessen zu verbinden. Die wesentlichen Informationen innerhalb von Geschäftsvorfällen, die das Gegenüber in der Service-Organisation benötigt, liegen dann bereits bei der Kontaktaufnahme vor.
Was haben Lexware und der Kunde davon?
KLUG: Zum Erfolg dieses Projektes kann ich sagen, dass es bereits innerhalb von zwölf Monaten einen Return on Investment erzielt hat. Wir haben jetzt tatsächlich eine Plattform dafür geschaffen, dass der Haufe Verlag seine Service-Prozesse über eine zentrale digitale Plattform gestalten kann.
Der Kunde hat außerdem die Option, live in die Prozesse mit eingebunden zu werden. Vor allem muss entschieden werden, in welchem Moment welcher Mensch an welcher Stelle sein soll, um die roten Teile in der Wertschöpfung mit dem richtigen Fingerspitzengefühl in den Dialog mit dem Kunden einzubringen.
Was verstehen Sie unter „roten Teilen der Wertschöpfung“?
Das Phänomen der dualen Wertschöpfung ist in der Organisationstheorie begründet. Wir unterscheiden zwischen roten und blauen Prozessen. Blaue Prozesse sind beschreibbar, sie können erklärt werden, sodass Menschen sie erledigen können. Rote Prozesse sind sogenannte talentorientierte Prozesse, die das besondere Fingerspitzengefühl einer Person benutzen. Wir bei ITyX beschäftigen uns sehr stark mit den roten Anteilen. Wir glauben, dass ein wesentlicher Teil der talentbasierten Wertschöpfung auch automatisiert werden kann, indem wir einfach beobachten, was Talente mit Informationen tun und wie sie mit Nachrichten umgehen. Dies versuchen wir zu technisieren.
Können Sie einen konkreten Vorgang eines Haufe-Kunden mit der neuen Plattform beschreiben?
KLUG: Bisher war es so, dass E-Mails, SAP-Orders, Faxe oder Dokumente in der Haufe-Gruppe in einer zentralen Poststelle angenommen und gescannt wurden. Diese Bilder wurden Mitarbeitern vorgelegt und anhand der Bilder der Dokumente haben Mitarbeiter entschieden, wer oder welche Abteilung diesen Vorgang zu bearbeiten hatte. Für eine E-Mail wurde dabei ein anderes System verwendet als für ein Dokument, einen Anruf oder eine SAP-Order. Dieser komplette Serviceprozess ist strategisch aufgerissen und optimiert worden.
Heute läuft es so: Der physische Posteingang wird über einen Outsourcing-Dienstleister mit einer intelligenten Texterkennung bearbeitet. Faxe, Dokumente, Orders und E-Mails werden dort gelesen und anhand der aus den Inhalten generierten Informationen wird eine Klassifikation durchgeführt. Das heißt, wir wissen genau, um welches Dokument mit welchem Inhalt es sich handelt, beispielsweise eine Beschwerde oder eine Order. Die für den Verarbeitungsprozess relevanten Daten versuchen wir zu extrahieren.
Mit anderen Worten: Wenn ein Kunde eine E-Mail schreibt mit einer Frage zum Produkt oder einer Beschwerde, dann werden wir versuchen, in diesem Vorgang alle blauen Anteile automatisch zu verarbeiten. Blaue Anteile sind der Name des Absenders, die CRM-Daten, die von ihm gekauften Produkte uns so weiter. Diese Informationen stehen dem Mitarbeiter im Moment der Bearbeitung zur Verfügung. Alle erklärbaren, bisher händisch gelaufenen Vorgänge sind in diesem Prozess somit automatisiert, damit sich der Mitarbeiter und seine Wertschöpfung so schnell wie möglich in den Serviceprozess einbringen kann. In einigen Unternehmen lassen sich auf diese Weise bis zu 90 Prozent der Arbeit einsparen. Das erhöht die Beschleunigung, der Kunde bekommt wesentlich schneller als zuvor eine Reaktion seitens des Unternehmens. Ich denke, in zwei Stunden eine Reaktion zu erhalten, ist das neue „Normal“, 24 Stunden sind nicht mehr normal.
Und wie schnell ist eine Beschwerde via Facebook auf dem Bildschirm des Mitarbeiters, der sich um diese Themen kümmert?
KLUG: Es hängt davon ab, welche Priorität der Vorgang hat. Bei Beschwerden gelten Service-Level, die meines Wissens unter 30 Minuten liegen. Innerhalb dieser Zeitspanne muss sich ein Mitarbeiter diesem Ticket angenommen haben. Geht es um normale papierbasierte Vorgänge, kommen sie an die Reihe, wenn es die Auslastungssituation zulässt. Ich halte jedoch einen Aspekt für besonders wichtig: Diese Vorgänge in der Kundenkommunikation werden erstmals überhaupt messbar gemacht.
Das Unternehmen erkennt, wegen welcher Probleme die Kunden den Anbieter überhaupt kontaktieren. Für viele Unternehmen ist es neu, zu wissen, welche Aufwendungen intern entstehen und wie schnell sie in der Lage sind, mit Kundenproblemen umzugehen. Dies gilt gerade für die schriftbasierten Kanäle. Für den Rest dieser Dekade, so sehe ich es, werden die Unternehmen permanent den Wünschen und Vorstellungen der Kunden sowie den technologischen Entwicklungen auf dem Markt hinterherlaufen.
Wie sehen Sie die Zukunft von Smarter Service?
KLUG: Wir bei ITyX glauben, dass die Abwicklung von Serviceprozessen in der Zukunft nur in der Cloud stattfinden kann, weil die Cloud die Schicht ist, die die datenführenden Systeme innerhalb des Unternehmens mit den Kommunikationssystemen außerhalb des Unternehmens, also auf der Konsumentenseite, verbindet.
Es wird eine Welt von Serviceprozessen geben, die für den Endkunden komplett transparent sind, die seine bestehenden Anwendungen, die er auf seinem Smartphone hat, mit in den Serviceprozess einbezieht, und die dazu führt, dass wir tatsächlich eine vernetzte Ökonomie haben. Das betrifft Geräte des Konsumenten, die für einen Sachverhalt notwendig sind, genauso wie Geräte, auf die das Unternehmen Zugriff hat, weil sie mit einem Serviceprozess in Verbindung stehen.
Meiner Überzeugung nach wird das Internet der Dinge das nächste Big Thing in der Service-Ökonomie sein, die Verbindung von Menschen, Geräten und Touchpoints in einer große Wolke, wo Serviceprozesse abgewickelt werden. Das ist für mich die Zukunft.
Das Gespräch führte Bernhard Steimel.
ITyX ist ein inhabergeführtes Software-Unternehmen, dessen Lösungen für den Betrieb im zentralen Kundenservice mittlerer bis großer Organisationen konzipiert sind, die einen hohen Anteil schrift- oder internet-basierter Anfragen verarbeiten. Ursprünglich für die Contact-Center-Branche gedacht, werden ITyX-Lösungen zunehmend auch in zentralen IT-Vorhaben für den Betrieb unternehmens-kritischer Systeme verwendet.