Frau Pohl, von welchem Job haben Sie als kleines Mädchen geträumt?
Da gab es einiges. Tierärztin gehörte auf jeden Fall dazu. Vor dem Abi wollte ich allerdings Philosophie studieren, weil ich es eine Zeit lang ziemlich cool fand, mich möglichst intellektuell auszudrücken.
Seit fast 15 Jahren sind Sie nun allerdings in der Werbung, seit zwei Jahren CEO von Wunderman Thompson Deutschland. Wie konnte das passieren?
Statt für Philosophie habe ich mich letztlich für Markt- und Werbepsychologie entschieden, weil die realen Berufschancen hier einfach deutlich besser waren. Finanziert habe ich mir das Studium bei wob in Viernheim. Dort habe ich später auch die erste Strategieabteilung aufgebaut.
Mit dem Chefsessel bei Wunderman Thompson haben Sie erstmals einen CEO-Posten übernommen. Was hat Sie anfangs am meisten überrascht?
Als CEO ist man die Eskalationsstufe schlechthin. Daran musste ich mich erst mal gewöhnen. Die Lösungsverantwortung, die ich jetzt habe, ist eine völlig andere. Zumal wir 2020 insgesamt fünf Firmen ineinander verschmelzen und integrieren mussten. Da mussten ziemlich viele Einzelinteressen unter einen Hut gebracht werden.
Ein Psychologiestudium kann da vermutlich nützlich sein.
In der Spitzenführung ist es wichtig, Verbündete und ein Grundverständnis für Menschen zu haben. Mein Studium hilft mir insofern, als ich Menschen und deren Motivationen gut kenne.
Drei Dinge, ohne die Ihr Job heute nicht funktionieren würde?
Ich brauche immer schon gute Sparringspartner, an denen ich mich im positivsten Sinne intellektuell bereichern kann. Ich brauche meinen Lebensgefährten, der mir privat kompletten Rückhalt gibt. Und ich brauche Menschen um mich. Alleine könnte ich nicht arbeiten.
Was steht auf Ihrer Job-To-do-Liste derzeit ganz oben?
Nach der sehr zeitintensiven Phase der Integration im vergangenen Jahr wollen wir 2021 mit der Agentur richtig durchstarten. Wir wollen zeigen, dass unser Leistungsportfolio richtig ist und dass die Kombination Daten, Technologie und Kreativität funktioniert.
Was war bislang Ihr größter beruflicher Glücksmoment?
Ich bin in der Werbung, weil ich die ständigen Hochs und Tiefs liebe, die Wechsel von Glück und Schmerz, von Sieg und Enttäuschung, die das Agentur-Business ausmachen. Müsste ich auf einem monotonen Level arbeiten, würde ich durchdrehen.
Und wer oder was nervt Sie im Job am meisten?
Mich nervt Trägheit. Kolleginnen und Kollegen, die man permanent anschieben muss, machen mich wahnsinnig.
Apropos Nerven: Im GWA-Vorstand sind Sie seit Kurzem für das neue Ressort Diversity verantwortlich. Wie weit ist die Agenturwelt in diesem Punkt?
Es fehlt in den Agenturen vor allem das Abstraktionsvermögen. Ich höre immer: „Diversität ist uns total wichtig, und bei uns ist der Frauenanteil doch schon sehr hoch.“ Das stimmt auch, aber in der Führung sitzen weiterhin Menschen aus nur einem Kultur- und einem Genderkreis. Das muss sich ändern.
Und wenn alles irgendwann nur noch nervt: Wie sieht Ihr Plan B aus?
Ich bin gerade 50 geworden, muss mir also nicht noch etwas völlig Neues aufbauen. Aber wenn Sie einen Plan B hören wollen: Mein Partner und ich träumen immer wieder mal davon, einen Fahrradladen oder ein nettes Biker-Hotel im Süden zu eröffnen, weil wir beide den Sport sehr lieben.
Wenn ich mal nicht arbeite …
vertreibe ich mir die Zeit am liebsten … mit Familie, Freunden, Wandern und Fahrradfahren.
schwärme ich anderen vor von … den ganzen Reisen, die wir bald machen werden.
mache ich mich nützlich … bei Tierschutzorganisationen.
mache ich vielleicht mal einen Podcast über … Hunde und ihre Besitzer. Wir haben Mina adoptiert aus Bulgarien und Hundeschulen sind soziologische Tiefenstudien.
Das Interview erschien zuerst im Printmagazin der absatzwirtschaft, das Sie hier abonnieren können.