Herr Dr. Reinnarth, was ist unter Integriertem Marketing Management zu verstehen?
JÖRG REINNARTH: Marketing lässt sich heutzutage in drei Bereiche untergliedern. Das klassische Marketing kümmert sich um Markenführung und Werbung (per Fernsehen, Print, Radio, etc.). Hier geht es vor allem um Neukundengewinnung und den Aufbau von Markenwelten. Direktmarketing ist der zweite Bereich. Über direkte Ansprache (per Brief, E-Mail, Telefon, Filialmitarbeiter, etc.) werden Bestandskunden durch Cross- und Upselling entwickelt. Der jüngste Bereich ist Social Media Marketing. Er ist aufgrund seiner Eigenheiten ganz anders zu managen, als die altbekannten Bereiche.
Spannend ist, dass diese drei Bereiche voneinander abhängen. Ein Mailing wirkt beim Kunden stärker, wenn gleichzeitig passende Fernsehwerbung läuft. Die Kanäle wirken somit nicht einzeln, sondern interferieren miteinander. Im Marketing ergeben sich durch die Vielfalt der Kommunikationskanäle auch mehr Möglichkeiten. Gleichzeitig steigt jedoch die Komplexität. Die Frage „Wo investiere ich mein Marketing-Budget am sinnvollsten?“ lässt sich nur beantworten, wenn man die Prozesse für alle drei Marketingbereiche im Griff hat, einfach aussteuern kann und jederzeit weiß, welche Aktivitäten zum größtmöglichen Erfolg führen.
Dies klingt aber nicht nach einem Thema, das neu ist.
REINNARTH: Tatsächlich war es schon immer die Aufgabe des CMO, das Marketing optimal auszusteuern. Allerdings steigt die Geschwindigkeit der Kommunikation beständig an. Mit E-Mail, SMS, Mobile oder Social Media sind neue Kanäle etabliert, die vom Kunden jeden Tag genutzt werden und das Verhalten entsprechend beeinflussen. Gleichzeitig steigen die Möglichkeiten, mit neuen Software-Lösungen eine kanalübergreifende Aussteuerung zu unterstützen.
Das heißt, Integriertes Marketing Management ist ein Software-Thema?
REINNARTH: Ja und Nein. IMM ist ein strategisches, organisatorisches und prozessuales Thema. Allerdings sind Komponenten wie Budgetübersichten oder Workflows letztlich Software-Themen, wenn sie von den Lösungen sinnvoll abgedeckt werden können. Solche Lösungen haben sich deutlich entwickelt und bieten effizientere Prozesse, sodass mehr Zeit auf die optimale Kundenansprache verwendet werden kann.
Können Sie einige Beispiele beschreiben, die den Vorteil von Integriertem Marketing Management verdeutlichen?
REINNARTH: Viele Unternehmen arbeiten noch mit Marketingplänen in Excel, die nach mehreren Reviewrunden für das Jahr festgeschrieben sind. Für das Reporting der Maßnahmen müssen die Mitarbeiter die relevanten Zahlen aus unterschiedlichen Systemen ziehen und aufbereiten. Das ist ein organisatorischer Großaufwand für die Mitarbeiter und der CMO bekommt nur zu gewissen Zeiten die Reports.
Mit einer Marketing Operations Lösung kann ein Gesamtmarketing-Plan erstellt werden, wo alle Änderungen und Beschlüsse transparent nachverfolgbar sind. Die Lösung ist an das ERP-System und Kampagnencontrolling angebunden, um die Kampagnen im Blick zu halten – und das tagesaktuell. Der CMO kann von der Gesamtebene in die Detailebene gehen und sieht die Performance der jeweiligen Kanäle und Maßnahmen und kann bei Bedarf Budget umverteilen. Damit hat er viel größere Transparenz auf die Maßnahmen und leichtere Steuerungsmöglichkeiten.
Für die jeweilige Bereichsleitung bietet eine Marketing Operations Lösung ein Workflow-System mit Freigabemechanismen, das Prozesse verfolgbar und Verschiebungen transparent macht. Die Arbeit der Abteilung wird deutlich beschleunigt, weil die Prozesse klar definiert sind und die Freigabe- und Benachrichtigungsmöglichkeiten für Effizienz sorgen. Der Kampagnenmanager profitiert ebenfalls. Mit Hilfe von Reporting- und Analysekomponenten kann er Kampagnen noch während der Laufzeit aussteuern. Und über Regeln lassen sich zeitnahe Kundenansprachen je Kanal definieren. Beispielsweise könnte ein Kunde bei ausreichender Affinität für bestimmte Produkte eine SMS erhalten, wenn er sich in Filialnähe befindet. Durch IMM lassen sich einfach und regelbasiert die Interaktionen mit den Kunden durchgängig managen. Eine tolle Welt!
Ehrlich gesagt, klingt es ein wenig bedenklich. Was ist mit dem Thema „gläserner Bürger“?
REINNARTH: Datenschutz ist ein wichtiges Thema, denn jeder Bürger hat ein Recht zu bestimmen, wie seine Daten genutzt werden. Und darin liegt der Vorteil. Der Kunde kann selbst festlegen, ob die Unternehmen in die Kommunikation treten dürfen oder eben nicht. Das ist ein hoher Grad von Selbstbestimmtheit. Jeder Kunde kann entscheiden, ob er die angebotenen Vorteile annehmen möchte.
Werbung und Kontaktaufnahme von Unternehmen klingt aber nicht wirklich nach Vorteil!
REINNARTH: Die wichtige Frage ist: Wie wird es vom Kunden wahrgenommen? Er kann selbst entscheiden, ob er den Serviceaspekt wahrnimmt oder sich belästigt fühlt. Die Verantwortung der Unternehmen liegt eben darin, die Informationen nicht nur nach den Gesetzen des Datenschutzes zu verwenden, sondern für den Kunden einen Nutzen zu entwickeln.
Das heißt, wir geben unsere Daten sogar freiwillig heraus, wenn wir die Kommunikation als Serviceangebot wahrnehmen?
REINNARTH: Definitiv. Und das ist der wirkliche Mehrwert des IMM. Marketing bedeutet, dass Kommunikation die Marke vertritt und das Markenbild stärkt. Jeder Markenkern repräsentiert auch den Kundenvorteil. Das „integriert“ im IMM steht dafür, die Kommunikation über die Customer Journey und alle Kanäle optimal zu gestalten. Und das natürlich immer zum Nutzen des Kunden. Ansonsten frustriert man ihn und verliert ihn entsprechend.
Themen wie Cloud, Social Media und Big Data sind in aller Munde. Wieso nicht auch Integriertes Marketing Management?
REINNARTH: IMM profitiert von diesen Themen und wird durch sie auch revolutioniert. Die Cloud spielt eine große Rolle, weil Software-Lösungen flexibler nutzbar sind und das Marketing von der IT unabhängiger wird. Der CMO benötigt tagesaktuelle Informationen und die Möglichkeit, zeitnah zu steuern. Hierfür ist die Cloud ideal.
Social Media ist ein neuer Kanal, den es auszusteuern gilt und der sich noch weiter entwickeln wird. Hier gelten andere Gesetzmäßigkeiten der Kommunikation und viele Unternehmen sind aktuell noch zurückhaltend. Aber durch IMM entstehen neue Steuerungsmöglichkeiten und die Nutzung von Social Media wird zunehmen.
Big Data ist wichtig für IMM. Sei es, um sofort zu wissen, was die Nutzer im Social Web gerade sprechen. Oder um analysieren zu können, wenn ein Kunde Verbindungsabbrüche mit seinem Telefon hat damit sich die Service-Hotline direkt melden kann. Big Data beziehungsweise High Performance Analytics ermöglicht erst, solche Ereignisse in der riesigen Datenflut zu finden.
Wohin wird sich Integriertes Marketing Management entwickeln?
REINNARTH: IMM wird das Marketing und sich selbst langsam verändern. Der Trend geht weiterhin zu mobilem Leben und Arbeiten. Wir bewegen uns nicht nur in der Cloud, sondern auch auf mobilen Endgeräten. Damit wird auch Marketing mobiler und es werden sich in naher Zukunft weitere Anwendungsfelder und Kanäle entwickeln. Seien es Location Based Services, Bezahlmöglichkeiten mit dem Smartphone oder eigene Unternehmenskanäle per App. Hinzu kommen neue Gadgets wie die Google-Brille, die einen neuen Kanal bietet, um zeitnah und ortsbezogen die Kommunikation aufzunehmen. Die Zukunft bleibt hier also spannend und mit den Technologien wachsen auch die Möglichkeiten für die Marketing-Manager der Zukunft.