Von Thorsten Garber
„Mehr Unternehmer mit solchem Mut“ wünscht sich etwa Verkaufstrainer Tobias Ain in seinem Statement von gestern Nachmittag. „Unternehmensleitungen von dem Fehlschluss“ abhalten, die Schuld nur im Außendienst zu suchen, möchte dagegen der unter dem Pseudonym „Faulpelz“ mit einigem Sarkasmus schreibende Kommentator. Ihre Empfehlungen für modernes Vertriebsmanagement geben nachfolgend Fachleute für Führung (im Vertrieb).
Zunächst aber hat das Würth-Management auf Anfrage prompt mit einem Statement reagiert, um sich zur grundsätzlichen Führungsstrategie und -kultur im Konzern zu äußern – insbesondere gegenüber dem Außendienst (wie berichtet Würth warnt Außendienst: „Geduld der Zentrale nicht überfordern“
).
Für das Management der Adolf Würth GmbH & Co. KG beziehen dazu unisono Stellung der Sprecher der Geschäftsleitung, Norbert Heckmann, und mit Martin Schäfer als stellvertretender Sprecher der Geschäftsleitung auch der für „Vertrieb Außendienst“ verantwortliche Manager: „Die Führungskultur im Unternehmen Würth ist geprägt durch den Unternehmer Reinhold Würth. Unser Antrieb ist es, Kunden nicht nur zufrieden zu stellen, sondern zu begeistern. Daher ist die Führung leistungsbezogen und darauf aus, eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit zu generieren, getreu unserer Kulturregel ,Je größer der Erfolg umso höher die Freiheitsgrade‘. Ein wichtiger Aspekt ist, dass Führungskräfte fast ausschließlich aus den eigenen Reihen rekrutiert werden, was für jeden Mitarbeiter gute Entwicklungsmöglichkeiten bietet. In jährlichen anonymisierten Mitarbeiterbefragungen wird uns eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit im Außendienst bestätigt, was auch der hervorragende Fluktuationswert von 6,3 Prozent im laufenden Jahr zeigt. Im Vergleich mit den Top-Unternehmen Deutschlands haben wir dieses Jahr an der Benchmarkstudie ,Great Place to Work‘ teilgenommen und sind auf Anhieb als bester Newcomer auf den 5. Platz in unserer Kategorie gewählt worden“.
„Weshalb soll Reinhold Würth nicht klipp und klar sagen dürfen, wo der Hammer hängt?“
Ausgezeichnete Arbeitsplätze auch für den Außendienst? Oder sind die Zielvorgaben für die Würth-Vertriebsmannschaft gar nicht zu erreichen, wie das auf unsere vorigen Beiträge einige Kommentatoren mit ihrem offensichtlichen Insiderwissen moniert haben? Liegen die Fehler am Ende gar beim Würth-Management selbst? Ist der Führungsstil altbacken? Hat sich der Inhaber in seiner Ansprache zumindest im Ton vergriffen? Mit einer Gegenfrage beantwortet Lothar Stempfle die Grundsatzfrage nach der richtigen und zeitgemäßen Unternehmensführung auch des Außendienstes: „Weshalb soll denn ein Unternehmer wie Reinhold Würth seinen Leuten nicht klipp und klar sagen dürfen, wo der Hammer hängt?“ Schempfle schult als Unternehmensentwickler in Vertrieb, Verkauf und Führung und lehrt als Dozent an der DVMA Deutsche Vertriebsmanagement Akademie.
Stempfles Statement:
„Vielleicht waren es gerade die Worte, die beispielsweise den Schwimmern bei Olympia gefehlt haben. Spitzenleute im Sport wie im Verkauf müssen mit Druck umgehen können und es muss ihnen gelingen, dann wann es gefordert ist, die volle Leistung abzurufen. Niemand muss in den Vertrieb und niemand muss bei Würth arbeiten – und derjenige der ja sagt und die Unterschrift leistet, verpflichtet sich seine gesamte Leistungskraft in den Dienst des Unternehmens zu stellen – ohne Wenn und Aber. Wer sich anders entscheidet kann gehen. Das bedeutet Freiheit und (Eigen-) Verantwortung. Die nächste Krise steht vor der Tür und es gebührt Reinhold Würth Hochachtung gezollt, dass er frühzeitig fordert, was als Unternehmensziel ausgegeben wurde. Schließlich dient es dem Ganzen. Die Irritationen der Kritiker Würths entstehen aus der Auffassung, dass die Außendienstmitarbeiter „gepampert“ gehörten, dass die Mitarbeiter der Außendienste an einer Leistungsgrenze agierten (das Gegenteil ist der Fall – nirgendwo werden die Ressourcen so verschwendet und unprofitabel gearbeitet wie in den Vertrieben – in der Produktion herrscht „Lean-Production“ im Vertrieb immer noch das Prinzip des jeder wie er will und kann).“
Einen Spagat in der Ansprache und zur Steuerung des Vertriebs, für den jedes Unternehmen (s)eine Lösung finden müsse, konstatiert Mario Kestler, Geschäftsführer der Haufe Akademie, zu der auch die „Deutsche Verkaufsleiter-Schule“ gehört: „Es gibt kein Patentrezept für (erfolgreiche) Vertriebssteuerung. Wir glauben, in Situationen, in denen es ,eng‘ wird, sind klare, eindeutige Ansagen und Vorgaben hilfreich. Die Branche, Unternehmenskultur und Führungsstil sind es dann, die die Tonalität dieser Ansagen prägen. Es gilt: Ansagen sollen aufrütteln! Es gilt aber auch: Ansagen müssen wertschätzend sein, sie sollen motivieren und die Ziele müssen erreichbar sein. Diesen Spagat gilt es für das eigenen Unternehmen, ob börsennotiert oder Familienunternehmen, zu lösen.“
Aus dem Bunker schlägt sich´s schwierig
Ob der Würth-Konzern noch der richtigen Vermarktungsstrategie folgt und ob Reinhold Würth mit seinem an die Öffentlichkeit gelangten Brief womöglich dem Ansehen der Außendienstmitarbeiter schadet, fragt sich Andreas Buhr, der sich als bekannter Redner für Themen wie Vertrieb und Führung den Beinamen „Die Umsatzmaschine“ gibt. Der Experte für „Vertriebsintelligenz“ beantwortet auf Anfrage unter dem Titel „In der Sache sicher richtig – im Ton sicher nicht!“ die konkrete und grundsätzliche Führungsfrage so:
„Einem Unternehmer wie Reinhold Würth, einem Macher und Mutigen, einem Schaffer und Strategen, macht im eigenen Betrieb sicher keiner was vor. Nach Gefühl und nach Zahlen gibt es einen Missstand. Doch ist dieser ausschließlich monokausal auf das Verhalten der Vertriebsmitarbeiter zurückzuführen? So einfach ist´s ja im Geschäft meist nicht! Vielleicht auch hat sich das Marktverhalten, hat sich der Kunde 3.0 schneller entwickelt als die (übergeordnete) Vermarktungsstrategie im eigenen Hause. Vertrieb geht heute eben anders!
Nun hat Würth die Daumen“schrauben“ für den Vertrieb angezogen. Das ist sein gutes Recht als Unternehmer, nachgerade seine Pflicht. Denn die vornehmste Aufgabe eines Unternehmens ist es, Umsatz zu machen und daraus Gewinne zu ziehen – nur so kann in menschliche Arbeitsplätze, technologische Entwicklung und auch die gesellschaftspolitischen Aufgaben von Firmen investiert werden.
Indes ist fraglich, ob die gewählte Form und der Ton der guten Sache dienlich ist. Denn dass ein solcher Brief – und es ist ja nicht der erste -, schnell außerhalb des eigenen Hauses landet, ist absehbar. Damit aber wird das Ansehen der Außendienstmitarbeiter bei Bestands- und auch potenziellen Kunden beschädigt. Jeder Vertriebler aber ist nicht nur ein Produktverkäufer, sondern gleichzeitig Botschafter von Unternehmenskultur und -leistung, von Einstellung, Performance und Gewinn nach außen. Als Golfer kann ich nur sagen: Aus dem Bunker schlägt sich´s schwierig wieder aufs Grün! Oder, um im „Schrauben-Bild“ zu bleiben: Nach ganz fest kommt ganz lose! Da packt nichts mehr fest, da hält nichts mehr stabil, da kommt keine Leistung mehr dran.
Gar keine Frage wohl, dass sich – nicht nur dort – im Vertrieb was ändern muss. Voranbringender als die alten Schrauben immer fester zu drehen, ist, frische Löcher zu bohren. Neue Haken einzuschlagen für klassische Werte wie Stolz auf die eigene Firma, die Produkte, den eigenen Job als Vertriebler. Werte wie Fleiß – denn es verkauft sich gut nach dem Gesetz der großen Zahl. Werte wie Freude an der Leistung, wie Teamerfolg. Zu motivieren, Bindung zu schaffen, die richtige Weiterbildung anzubieten. Und gleichzeitig intensiv auf strategischer Ebene nach vorne zu schauen, um zu analysieren, wie sich der Kunde 3.0, der Markt 3.0 geändert hat, um dem Vertrieb die besten Instrumente an die Hand zu geben.“
Reaktionen auf den Artikel vom 28. August unter „Würth erzeugt Krisenbewältigungsatmosphäre“