Es war ein Experiment. Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie plante die deutsche Sektion von Coca-Cola European Partners ihren ersten klimafreundlichen Jahres-Kick-off: 1.600 Vertriebsmitarbeiter*innen kamen im Januar 2020 in Berlin zusammen. Es wurde ein Lehrstück – nicht nur für den Konzern, sondern für die ganze Branche.
„Der Grundsatz hieß: Vermeiden, wiederverwerten und erst dann kompensieren“, sagt Christoph von Below, Kölner Büroleiter der Agentur Beeftea, die das Konzept entwickelt hatte. Auf eine Tribünenverkleidung wurde ebenso verzichtet wie auf einen Teppich im Sitzbereich, der Einsatz stromintensiver Hochleistungsprojektoren halbiert. Incentives belohnten alle, die mit der Bahn oder in Fahrgemeinschaften anreisten. Digitale Kommunikation ersetzte Drucksachen, es gab weniger Fleisch am Buffet. Am Ende wurden 100,3 Tonnen CO2 eingespart. Das ließ sich so genau berechnen, weil das Event schon einmal am gleichen Standort stattgefunden hatte, ohne klimafreundliches Konzept.
Grüne Events sind ein großes Thema für das Marketing. Immer mehr Unternehmen wollen damit der eigenen Strategie und Erwartungen von Kund*innen und Mitarbeiter*innen gerecht werden – schließlich strahlen Veranstaltungen nach außen und innen aus. Eine unter Umweltaspekten überzeugende Messebeteiligung sei „das ideale Medium, nachhaltige Geschäftsmodelle glaubwürdig zu kommunizieren“, heißt es in einem Praxisleitfaden des Branchenverbands AUMA.
Einfach mal ein paar Besucher weniger einladen
Wann aber ist ein Event nachhaltig? „Mindeststandards gibt es nicht, und das ist ein Problem“, sagt Stefan Lohmann. Der Live-Entertainment-Experte hat deshalb die Initiative „16 Steps“ angestoßen, die von über 20 Verbänden und Netzwerken unterstützt wird. Bis 2025 soll die Branche klimaneutral arbeiten und auch die soziale Dimension der Nachhaltigkeit berücksichtigen. Dazu gibt es viele praktische Hinweise, von der Umstellung auf grünen Strom über den Einkauf fair gehandelter Produkte bis zur Vermeidung von Einweg-Kunststoff. Die Checkliste ist abrufbar unter sustainable-event-solutions.de.
Doch Obacht vor oberflächlichen Lösungen. „Nachhaltigkeit beginnt nicht damit, dass ich vegane Wurst auf Schnittchen packe“, sagt Thorsten Kollmeier, Head of New Business beim Messebauer WUM Brand Spaces. Worauf es ankommt, ist ein kluges Konzept, auch zur Dimension des Events. „Nicht Gott und die Welt einladen, sondern den Teilnehmerkreis sinnvoll strukturieren“, empfiehlt Kollmeier. Mit Effizienz ist der Umwelt mehr gedient als mit Smoothies aus regionalem Gemüse, auch wenn Letztere nicht zwingend schlecht sind.
Eine wichtige Frage ist die nach einer Alternative zur analogen Veranstaltung. Virtuelle Events setzen in der Regel schon deshalb weniger Treibhausgase frei, weil weniger Menschen reisen. „Es kommt darauf an, welche Ziele man mit einem Event verbindet“, erklärt Jörg Zeißig, Vorstand der fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft. Wer etwa Deals aushandeln will, wird auf persönliche Begegnung kaum verzichten wollen.
Auf einer Messe, wo sich die ganze Branche trifft, kann das sogar effizient sein. Reine Info-Veranstaltungen dagegen lassen sich als Webinare gestalten, und selbst Weihnachtsfeiern können digital gelingen.
Virtuell ist nicht automatisch nachhaltig
Wobei sich auch virtuelle Events mehr oder weniger nachhaltig gestalten lassen. Zeißig empfiehlt beispielsweise, lieber bestehende Studios anzumieten, statt ein firmeneigenes Foyer zur Profibühne umzurüsten – der Transport von Mobiliar und Technik hinterlässt einen großen CO2-Fußabdruck. Auftraggeber, die auf Nummer sicher gehen wollen, sollten darauf achten, dass Eventlocations und Dienstleister nach ökologischen Standards arbeiten oder zertifiziert sind. Neben dem europäischen Umweltmanagementsystem EMAS gibt es etwa Labels wie GreenSign vom Berliner Institut InfraCert oder Sustainable Company vom fwd:-Verband. Der bietet auch die Möglichkeit, einzelne Projekte als nachhaltig zertifizieren zu lassen. Die Befürchtung, grüne Events wären automatisch teurer als andere, weisen Expert*innen zurück. Öko-Qualität bei Material und Catering hat ihren Preis, das schon – aber Verzicht schont nicht nur die Umwelt, sondern auch das Budget. Bei der Kick-off-Veranstaltung von Coca-Cola sparte das Unternehmen allein durch das Weglassen der Tribünenverkleidung rund 1350 Quadratmeter Stoff.