Herr Herms, was wissen Sie überhaupt über Ihre Markenbekanntheit?
HERMS: Für die eigene Markenbekanntheit ist immer viel zu tun: Allerdings hat ein Logistik-Dienstleister es sehr schwer, den richtigen Schlüssel zu finden. Wir hatten mitunter die Situation, dass der Markt uns falsch erkannt hat. Durch Kommunikation über PR-Arbeit ist es uns gelungen, unsere Bekanntheit zu steigern. Wir haben eine Kundenbearbeitung in Gang gesetzt, so dass auch hier mehr Bekanntheit gewährleistet ist. Früher war es so, dass „Kühne + Nagel“ nur als Seefracht-Spediteur galt. Vielleicht wurde noch davon gesprochen, dass wir auch etwas Luftfracht machen. Aber die Kenntnis, dass wir auch Kontraktlogistik anbieten, mussten wir uns erarbeiten über die vergangenen Jahre: Als Nummer 3 der Welt ist das Thema jetzt erledigt. Aber man muss immer weiter die Werbetrommel rühren; es hilft nichts. Für unseren Stamm von etwa 250.000 bis 300.000 Kunden braucht man einen erheblichen Aufwand an Werbearbeit. Das muss bei uns aber der Vertrieb gewährleisten.
Kennen Sie Werte zur Markenbekanntheit?
HERMS: Werte zur Markenbekanntheit haben wir nicht, aber Umfragen in einzelnen Ländern haben wir sehr wohl gemacht. Unsere Geschäftspartner sind eben mitunter sehr unterschiedlich. Wir sind kein Kurierdienst, der ein sehr spitzes Produkt für eine spitze Zielgruppe zu verkaufen hat. Wir bieten individuelle Lösungen für Industrie und Handel, da ist es schwer die richtige Ansprache nach dem Gießkannenprinzip zu finden. Am bekanntesten sind wir aber sicher in Deutschland und anderen europäischen Ländern wie Österreich, Schweiz, England und den Niederlanden. In China dagegen kennt kaum jemand die Marke „Kühne + Nagel“, sondern nur den chinesischen Begriff für „Schneller zuverlässiger Transporteur“.
Güter von A nach B zu transportieren klingt nicht gerade sexy. Die Branche hat Nachholbedarf in Marketing, Kommunikation und Markenführung, sagen Experten. Können Sie Ihre Produkte überhaupt emotionalisieren, oder sind Ihre BtoB-Kunden nur für rationale Argumente und Referenzen empfänglich?
HERMS: Sexy und emotional – davon kann man bei unserer Dienstleistung zunächst mal nicht sprechen. Wir müssen die Objektivität, Effizienz und das Notwendige darstellen, um zum Erfolg zu kommen. Transport und Verpackung haben in der Welt der Produktion einen wertmäßigen Anteil am Produktganzen von bis zu zehn Prozent. Das ist ein erheblicher Teil, bei dem sechs Prozent auf die Transportkosten entfallen. Hier erhebliche Ersparnisse zu finden, ist nicht ganz einfach. Wenn Sie allerdings allein das Lager und die Verteilung optimieren, und die zehn Prozent Kosten um nur ein Prozent reduzieren, dann wird es schon interessant. Das ist die beste Werbung, die Sie für sich machen können.
Kurierdienste orientieren sich aber schon an der Werbung von Konsumgüterherstellern. Werden Logistik-Konzerne wie Ihrer folgen?
HERMS: Nein, das Kuriergeschäft ist ein völlig anderes Geschäft als das unsere. Unsere Dienste sind maßgeschneidert auf jeden Kunden, auf seine Belange und Produktionsstätten. Wir beauftragen Kurierdienste, spezialisierte und weltweit tätige, die für uns den letzten Schritt der Verteilung übernehmen. Wie ein Kurierdienst oder Konsumgüterhersteller zu werben ist für uns aber nicht angebracht.
Welche Rolle spielt das Internet für Ihre Kommunikation? Und welche als Vertriebskanal?
HERMS: Das Internet ist wichtig für unsere IT-gesteuerten Produkte in allen Geschäftsbereichen. Gleichzeitig ist es ein Tool für gezielte Kundenansprache und ein generelles Informationsportal. Ansonsten überwiegt persönlicher Kontakt.
Wie haben Sie Ihren Vertrieb in den vier Geschäftsbereichen organisiert, und was zählt für Sie zum kompetenten Auftreten Ihrer Außendienstler?
HERMS: Wir differenzieren. Für unsere globalen Hauptkunden haben wir ein Team, das sich global um sie kümmert. Key Accounter also, die unsere Beziehungen zu einzelnen Großkunden pflegen. Sie bieten ihnen unser gesamtes Spektrum aus See- und Luftfracht, Kontraktlogistik und Landverkehren an. Und dann gibt es noch unsere spezialisierten Verkäufer, die nur Land, nur See, nur Luft und nur Kontraktlogistik machen. See und Luft werden zum Teil zusammen verkauft. Unser Geschäft ist sehr differenziert und lässt sich nicht einfach so zusammenlegen. Wir sprechen von „Dedicated Sales“ und „Key Account Sales“.
Wie wichtig die Aus- und Weiterbildung in der Logistik ist, zeigt die Tatsache, dass die Kühne-Stiftung in Hamburg 30 Millionen Euro für eine eigene Hochschule bereitgestellt hat. Was müssen Nachwuchsfüh-rungskräfte heute mitbringen in Ihrer Branche?
HERMS: Sie müssen die Bereitschaft mitbringen, geografisch sehr flexibel zu sein. Grundsätzlich gute Kenntnisse über die globale Logistik sind außerdem vonnöten. Sie müssen sich den Ansprüchen sehr verschiedener Kunden anpassen können. Flexibilität ist also alles. Was an der Hochschule in Hamburg passiert ist übrigens nicht nur gut für uns, sondern für die gesamte Branche.
Der Geschäftsbereichsleiter Rail & Road Logistics und der Personalchef haben Ihr Unternehmen zum Jahreswechsel verlassen. Zufall oder sind Tempo und Erfolgspflicht unter Ihrer Führung so hoch?
HERMS: Nein. Das eine war persönlich getrieben, im anderen Fall ist es so, dass Anforderungen immer mal zu hoch sein können. Unser Leiter Rail & Road war lange Zeit erfolgreich bei uns tätig, hat aber vielleicht die Schwierigkeiten beim Aufbau des Geschäftes unterschätzt, und hatte letztlich den Bedarf, sich neu zu orientieren. Und unser Personalchef wollte sich geografisch verändern. Wir haben beide Positionen unmittelbar neu besetzt. Unser heutiges Image weltweit erlaubt, dass wir immer kompetente Kräfte finden.
Was investieren Sie in die interne und externe Kommunikation, um die verschiedenen Kulturen in den vier unterschiedlichen Geschäftsfeldern und Logistik-Welten unter der Marke Kühne + Nagel zu verbinden?
HERMS: Wir haben eine Geschäftsphilosophie. Und nicht vier für jeden Geschäftszweig. Es kann nicht angehen, dass unser Kontraktlogistiker eine andere Einstellung zum Geschäft hat als unser Landverkehr-Logistiker. Alle müssen Hand in Hand arbeiten, sonst haben wir vier verschiedene Firmen unter einem Dach. Dies wäre nicht förderlich beim gemeinsamen Marktauftritt und vor allem mit Blick aufs Cross-Selling. Wir wollen schließlich durchgängige Dienstleistungen anbieten. Nur wenn der Kunde das nicht wünscht, bieten wir Einzellösungen an. Natürlich operieren wir in Profit-Centern, aber bei uns ist verstanden, dass jeder selbstverständlich das Geschäft auch für die anderen Dienstleistungen unter unserem Dach mit bewirbt. Deshalb dürfen – ich nenne es mal – interne Kommissionsverrechnungen keine Rolle spielen. Da es ein Geben und Nehmen ist, hat sich das wunderbar eingespielt. Zu den Hauptaufgaben der Geschäftsführung gehört es, die Zusammenarbeit weltweit und unter den einzelnen Geschäftsbereichen zu gewährleisten.
Auf welche Instrumente im Marketing-Mix setzen Sie bei der Kundenansprache?
HERMS: Auf die direkte Ansprache. Wir schalten geringfügig Werbung in den Fachpublikationen. Fernsehwerbung machen wir überhaupt nicht, weil diese Art der Gießkannen-Massenansprache uns überhaupt nichts bringt. Ansonsten haben wir Prospekte und ähnliche Informationen. Referenzen in den einzelnen Divisionen sind ein weiterer Pluspunkt.
Ihre Nachfolge und die von Klaus-Michael Kühne sind schon geregelt. Auch wenn die neue Führung erfahren genug ist: Wenn Sie um eine kurze Empfehlung gebeten würden, wie Kühne + Nagel auch künftig auf Kurs zu halten ist: Wie würde diese ausfallen?
HERMS: Sie müssen sicherstellen, dass unsere derzeitigen Führungsprinzipien weiterhin greifen. Das ist in einer Matrixorganisation nicht ganz einfach. Die Kooperationsbereitschaft untereinander muss gewährleistet bleiben. Das Verständnis dafür muss immer wieder aufgefrischt werden. Der Teamgeist ist entscheidend für den Nutzen unserer Organisation. (schmunzelt) Kostenmanagement bleibt ein Selbstgänger in der heutigen, wunderschönen Zeit.
Was müsste passieren, damit „Kühne + Nagel“ wieder nach Deutschland umzieht?
HERMS: (lacht) Oh, eine schwere Frage. Es hat sich doch eigentlich gut ergeben, dass wir in einem kleinen Land im Zentrum Europas gelöst vom Tagesgeschäft die weltweite Operation kontrollieren, organisieren und managen können. In Deutschland war das Management von Deutschland, Europa und der Welt schwerer zu trennen. Ausserdem waren wir zu nah am Alltagsgeschäft. Hier ist man etwas entrückt und pragmatisch organisiert, ist politisch in keiner Weise beeinträchtigt oder gefordert. Die Schweizer lassen jeden wirtschaften, wenn es zum Vorteil des Landes ist. Die Holding hier zu haben, hat sich über Jahre als gut, neutral und optimal gestaltet. Wir sind immerhin seit 1975 hier.
Was erwartet Sie selbst als Rentner ab Sommer des kommenden Jahres?
HERMS : Ich werde mich sicherlich mit dem einen oder anderen Thema beschäftigen wollen… Das Gespräch führte Thorsten Garber
Konzern „Kühne + Nagel“: Das international tätige Logistik- und Gütertransportunternehmen sitzt mit der Holding „Kühne + Nagel International AG“ im Ortsteil Schindellegi im Schweizer Kanton Schwyz, etwa eine halbe Autostunde von Zürich. Der Konzern erzielt pro Jahr mit 52 000 Mitarbeitern einen Umsatz von 21 Milliarden Schweizer Franken, also 13 Milliarden Euro (Gewinn 2007: 531 Millionen Franken oder 328 Millionen Euro). Das Leistungsangebot von „Kühne + Nagel“ umfasst mittlerweile das gesamte Logistikspektrum von der See- und Luftfracht über den europäischen Straßen- und Bahnverkehr bis zur Kontraktlogistik. Bei Letztgenannetem übernimmt KN als Dienstleister für Händler und Hersteller die Aufgaben entlang der Wertschöpfungskette wie Lagerhaltung und Verteilung. Inhaber Klaus-Michael Kühne will Manager Karl Gernandt (48) vom Zementkonzern Holcim zu seinem Nachfolger aufbauen; er steigt zum 1. Oktober als Bevollmächtigter und Holding-Chef ein. Für Klaus Herms übernimmt Mitte 2009 das KN-Eigengewächs Reinhard Lange (59) die CEO-Position.
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