Wie effizient ist Ihre visuelle Kommunikation?

Das Hauptziel von Werbemaßnahmen ist die Steigerung des Abverkaufs. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erwarten die Werbungtreibenden von Agenturen und Vermarktern den Nachweis des Return-On-Investment (ROI) ihrer Werbeausgaben. Der direkte Bezug von Werbemaßnahmen und Abverkauf ist jedoch – gerade im heutigen Media-Mix - kaum herzustellen, zu komplex und vielschichtig sind die Werbemaßnahmen, zu viele unkontrollierbare Faktoren fließen in die Abverkaufszahlen ein.

Direkt messbar ist hingegen die Werbewirkung auf die Konsumenten. Um aber relevant zu sein, muss Werbewirkung in empirischer Breite erhoben werden. „Putzfrauen“-Tests, also das Befragen von ein paar Konsumenten auf der Straße, genügen heute nicht mehr.
Auch qualitative Tests wie etwa das Befragen von Werbe- und Marketing-Experten können konzeptuell-kreative Probleme identifizieren, nicht aber die quantitative Werbewirkung auf Zielgruppen.
Allerdings birgt das Befragen von Verbrauchern Gefahren, insbesondere was die Aussagekraft in Hinblick auf die Werbewirkung anbelangt.

Vorsicht mit Befragungen

Fassen wir kurz die wichtigsten Fakten zur Bestimmung der Werbewirkung zusammen. Man unterscheidet kognitive, affektive und konative Komponenten der Werbewirkung (z.B. Lachmann, 2002). Das Werbemittel muss wahrgenommen und verstanden werden („kognitiv“), überzeugen und Interesse wecken („affektiv“), und es soll zum Kauf führen („konativ“).

In den meisten Werbewirkungsmessungen werden vornehmlich kognitive Komponenten erfasst, insbesondere die Erinnerung an das Werbemittel/-Botschaft und die Markenbekanntheit. Aus Befragungen zur Erinnerungsleistung – sogenannt gestützter (aided) und ungestützter (unaided) recall –, sowie Fragen zur Kaufbereitschaft oder zum Interesse am beworbenen Produkt lassen sich Werbewirkungsmasse definieren. Diese fassen die gemessene Werbewirkung in einem oder mehreren Index-Maßen zusammen. Der weitaus größte Teil der heutigen Werbewirkungs-Tests beruht auf diesem Ansatz.

Wir wollen uns nun der Frage zu wenden, warum dieser Ansatz nicht ausreicht, gerade in Hinblick den ROI von Werbeinvestitionen. Hierzu ist eine Studie von Barclaycard Deutschland aufschlussreich (von Keitz & Koziel, 2002). Um die optimale Vorlage für ihre neue Beilage zu bestimmen, ließ Barclaycard erst drei Design-Varianten erstellen, und führte alle drei parallel in den Markt ein (Abbildung 1) und befragte anschließend Verbraucher zu ihren Präferenzen. Resultat: keine Vorlage wurde als klarer Gewinner eingestuft, es ergab sich keine klare Präferenz der Verbraucher – auch bei einer informellen Studie mit über fünfzig Experten nicht.

In der Tat hat aber die mittlere Variante („Mit Barclaycard hat der Monat 41 Tage“) am meisten Response generiert. Der Markt antwortete also klar, während die Verbraucher- und Experten-Urteile keine klare Antwort bezüglich dem Marktgewinner ermöglichten. Dieser wurde in einer zweiten Stufe weiter optimiert und erneut in den Markt geführt. Ein Zuwachs von 24 Prozent Kreditkarten-Anträge war die Folge. Ein sehr deutlicher Anstieg des ROI. Trotzdem schnitt auch diese Variante in Verbraucher-Urteilen nicht besser ab als frühere Sieger. Die Autoren dieser Studie folgern, dass Verbraucherurteile als Maß der Werbewirkung mit Vorsicht zu bewerten sind.

Quelle: von Keitz & Koziel, 2002
Welche glauben Sie, hat im Markt am besten abgeschnitten? Welche Variante hat am meisten Kreditkarten-Anträge generiert?

Wie kann es zu dieser Diskrepanz zwischen Befragung und Response kommen? Ein ganz wesentlicher Faktor liegt in der Natur der Befragung selbst. Sie ist notwendigerweise auf bewusste, explizit abgerufene und erinnerte Informationen der Verbraucher eingeschränkt. Diese reagieren jedoch selten bewusst, wenn sie sich Werbung anschauen. Der weitaus größte Teil der Verbraucher begegnet Werbung flüchtig (sog. „low-involvment“). Auch wenn es Agenturen und Auftraggeber gerne anders hätten: Werbemaßnahmen haben nur wenige Sekunden Zeit, um zu wirken. Und sie treffen, wenn überhaupt, auf nur mäßig interessierte Betrachter.

Werbewirkung unter Zeitdruck

Lassen wir Zahlen sprechen: Anzeigen werden in etwa zwei Sekunden betrachtet, Online Werbung etwas weniger als zwei Sekunden, Plakate und Zeitschriften-Titel müssen in einer Sekunde die zentrale Werbebotschaft kommunizieren bzw. zum Kauf anregen, Direkt-Mailings, Produkt-Packungen in Regalen oder Schaufenstern ergeht es nicht anders. Auch bei TV Spots erlahmt die Aufmerksamkeit nach etwa drei Sekunden, und sogar im Web erfolgt der erste Klick schon nach wenigen Sekunden. In diesem auch „Zombie-Modus“ genannten Prozess reagieren Menschen mehrheitlich unbewusst und sehr stark reiz-basiert: die Aufmerksamkeit wird in erster Linie von Bildern und Überschriften angezogen, Fließtext wird kaum beachtet.

Dieser Zeitdruck muss bei Design und Konzeption, und vor allem bei der Messung der Werbewirkung, berücksichtigt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die menschliche Aufmerksamkeit gerade bei flüchtiger Betrachtung stark selektiv ist und viele Informationen gar nicht wahrgenommen werden, sogar wenn sie gesehen werden. Ein schönes Beispiel für diesen Effekt ist die sogenannte Blindheit für Veränderungen. In jedem Wahrnehmungspsychologie-Lehrbuch ist nachzulesen, dass Veränderungen Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dass dem nicht so sein muss, können Sie über dieses Experiment selber erfahren: wenn Sie den Link Experiment-Starten klicken, startet ein Fenster. Es zeigt ein flackerndes Bild. Fällt Ihnen auf diesem Bild etwas ungewöhnliches auf? Haben Sie die Veränderung im Bild bemerkt? Die Auflösung steht am Ende des Artikels.

Was hat all dies nun mit ROI und Werbewirkung zu tun? Werbung muss die unbewusste, stark selektive Aufmerksamkeit von Verbrauchern ansprechen, um zu wirken. Werbewirkung muss durch effizientes Führen der Aufmerksamkeit auf die umsatzrelevanten Bereiche in wenigen Sekunden erzielt werden. Dies gilt für abverkaufs-orientierte Maßnahmen aber auch für sogenannte Image-Werbung. Denn wenn das Logo auf einer Anzeige oder das Produkt bei einem Produkt Placement übersehen wird, kann es keine Wirkung erzielen. Ohne Kontakt mit dem Wahrnehmungsapparat der Verbraucher kann auch eine Image-Kampagne ihr Ziel nicht erreichen.


Die große Illusion

Alle anerkannten Modelle der Werbewirkung enthalten als zentrales Element die Aufmerksamkeit der Verbraucher – Werbung muss Aufmerksamkeit erregen, und vor allem binden und führen. Ein effizientes Werbemittel bindet die Aufmerksamkeit der Verbraucher durch eine zielgruppen-adäquate Gestaltung. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der erste „Aufschlagspunkt“ der Aufmerksamkeit den weiteren Verlauf der Wahrnehmung eines Werbemittels weitgehend bestimmt.

Die große Illusion: Die Welt, wie wir sie bewusst wahrnehmen (links) sieht anders aus, als die Welt, wie sie unser Auge sieht (rechts). Der Unterschied zwischen den beiden Bildern ist Rekonstruktionsleistung des Hirns. Diese nehmen wir jedoch nicht bewusst wahr – wir erliegen der Illusion, alles scharf zu sehen.

Entgegen unserer eigenen Introspektion und Intuition sehen wir die Umwelt keinesfalls scharf und umfassend. So sind wir beispielsweise ca. 100’000-mal täglich oder etwa 3-mal pro Sekunde kurze Zeit blind – dann nämlich, wenn unsere Augen sich bewegen. Nur wenn das Auge stationär ist, nimmt der Mensch bewusst wahr. Der Grund für die konstanten Blickbewegungen ist, dass unsere Augen selbst die Umwelt verzerrt und mehrheitlich unscharf aufnehmen (Abbildung 2).

Das Bild rechts zeigt, wie die abgebildete Straßenszene vom menschlichen Auge gesehen wird. Nur ein kleiner Bereich des Auges sieht die Umwelt scharf und hochaufgelöst. Neben diesem etwa Daumennagel-großen Bereich sieht das Auge die Umwelt verschwommen. Das ist der Grund für die angesprochenen Blickbewegungen: wir müssen den kleinen, hochaufgelösten Bereich andauernd bewegen, um ein Gesamtbild unserer Umwelt zu kriegen. Dass wir all dies nicht wahrnehmen bedeutet, dass wir einer in vielen Studien belegten „großen Illusion“ aufsitzen, alles scharf zu sehen.

Da wir also über Introspektion keinen Zugang zu diesen Vorgängen haben, genügen Verbraucher-Befragungen nicht, um die Effizienz eines Werbemittels zu bestimmen. Die entscheidenden, vorbewussten Aufmerksamkeits-Prozesse müssen in Echtzeit und wahrnehmungs-simultan gemessen werden.

Obwohl über die Bedeutung der Aufmerksamkeit für effiziente Werbung weitgehend Einigkeit besteht, wird Aufmerksamkeit selbst in den wenigsten Tests explizit erfasst. Eine der Ausnahmen ist die eingangs erwähnten Barclaycard-Studie: hier wurde die Beilagen-Vorlage mit der höchsten Response-Rate über Optimierung der Eye-Catcher erreicht. Hierfür wurde die Aufmerksamkeit von Verbrauchern beim Betrachten der Beilagenwerbung gemessen.

Quelle: von Keitz & Koziel, 2002

Die in der Abbildung rechts gezeigte Vorlage hat dabei dreimal mehr Response erzielt, als die links abgebildete. Das Produkt wurde in Gesichtnähe geführt, ebenso die Headline. Da ein Gesicht fast immer der erste Eye-Catcher ist, kann nun die Aufmerksamkeit in wenigen Schritten die Essenz der Vorlage abarbeiten: Gesicht, Headline mit Markenname, Produkt. Im Gegensatz zur Bild-Vorlage links muss die Aufmerksamkeit keine langen Wege gehen, um die drei Schlüsselreize wahrzunehmen. Damit wird wertvolle Zeit gespart und Aufmerksamkeit auch über den ersten Kontakt hinaus gebunden.

Nicht nur ist das Gesicht der Eye-Catcher; man weiß auch, dass bei Gesichtern unwillkürlich überwiegend auf den Bereich des Mundes und der Augen geschaut wird. Diese Tatsache führt bei der rechten Abbildung dazu, dass die Aufmerksamkeit stark auf das Logo gelenkt wird. Die Aufmerksamkeit funktioniert im „Zombie“- Modus sehr schematisch und kann deswegen leicht gelenkt werden. Hier wird beispielsweise das (vermutlich) angeborene Schema der Gesichterbeachtung (Augen, Mund) genutzt, um die Aufmerksamkeit auf das Logo zu lenken. Das ist der Hauptgrund für die gesteigerten Abverkaufszahlen in Folge dieser Anzeige. Also: Aufmerksamkeit sells!

War es bislang sehr aufwendig, Aufmerksamkeit auf Bildern zu erheben, gibt es heute Alternativen, die ohne Apparaturen auskommen. Die MediaAnalyzer Software & Research GmbH, Hamburg, hat ein rein software-basiertes Verfahren entwickelt, das im Feld, Labor oder Online eingesetzt werden kann. Das patentierte und wissenschaftlich validierte AttentionTracking-Verfahren misst die Aufmerksamkeit von Verbrauchern über den Mauszeiger – in Echtzeit und wahrnehmungs-simultan (Scheier & Koschel, 2002). Es liefert Aussagen zur Aufmerksamkeit, welche ein Werbemittel unter Zeitdruck erzielen kann, zu den Eye-Catchern, und welche Unterschiede es zwischen Zielgruppen gibt.

Quelle: MediaAnalyhzer Software & Research GmbH, 2002

Die Abbildung verdeutlicht die Resultate einer solchen Aufmerksamkeits-Messung. Die Bild-Vorlage wird zusammen mit den Beachtungsschwerpunkten – „ Hotspots“ – der Verbraucher gezeigt. Die zwei-farbige Grafik rechts zeigt die unterschiedlichen Hotspots von Männern und Frauen (rot=Männer, blau=Frauen).

Ebenfalls gezeigt sind quantitative Auswertungen in Form von Balkengrafiken – sie zeigen im konkreten Beispiel die unterschiedlichen Hotspots für Männer und Frauen, aufgeschlüsselt nach Titel, Überschrift, Model usw. Eine weitere Auswertung zeigt, wann diese Bereiche gesehen werden (Time-to-contact).

Werbewirkung kann also auf der Ebene der einzelnen Bereiche des Werbemittels zielgruppen-genau gemessen werden. Mit Daten aus einem Aufmerksamkeits-Test kann aber auch der Impact des Werbemittels im Kontext gemessen werden. Setzt sich die Produkt-Verpackung im Regal durch? Wie schneidet das Werbemittel im Vergleich mit der Konkurrenz ab?

Quelle: MediaAnalyzer Print-Anzeigen Studie, N=200, 2003

Um die Aufmerksamkeit großer Probandenzahlen auch für Nicht-Experten sichtbar zu machen, werden die am stärksten wirkenden Bereiche mit Hilfe von Hotspots visualisiert. Je roter der Bereich, desto stärker wurde er beachtet. Bereiche ohne Hotspot wurden nur schwach oder nicht beachtet. Diese Form der Hotspot-Analyse erleichtert die Kommunikation zwischen Agentur, Werbetreibenden und Vermarktern – der Marketingleiter sieht auf einen Blick, welche Zielgruppe welchen Bereich wann gesehen hat. Der Designer kann die Effizienz seiner Kreation belegen, der Vermarkter die Effizienz seiner Platzierung und eingesetzten Werbeträger.

Die Kombination mit qualitativen Daten – zB. Zur Markenbekanntheit und –sympathie oder zum Produktinteresse – bietet sich an. So kann geprüft werden, wie Trendorientierte oder Schnäppchenjäger ein Werbemittel betrachten, welche Bereiche ihnen ins Auge stechen, und wie stark ihre Aufmerksamkeit gebunden werden kann.

Optimierungspotenziale treten insbesondere durch den Vergleich von Designvarianten, Konkurrenzvergleichen oder Zielgruppenvergleichen zu Tage. Dabei muss nicht erst gewartet werden, bis die Kampagne fertiggestellt ist. Vielmehr kann und soll das Werbemittel frühzeitig im Design-Prozess evaluiert werden. Heute liegen Resultate auch internationaler Tests in wenigen Tagen vor. Der Aufwand lohnt sich – der ROI der Werbemaßnahme kann deutlich gesteigert werden durch das frühzeitige und wiederholte Optimieren des Layouts auf die Präferenzen und Erwartungen der Zielgruppen.


Fazit

Da in 24 Stunden 200 Verbraucher erfasst werden, können die Analysen in den Kreationsprozess eingebunden werden, die Werbewirkung iterativ optimiert werden. Der wahre Gewinn liegt in der Möglichkeit, die Effizienz der visuellen Kommunikation schnell und objektiv mit den eigenen Zielgruppen messen und optimieren zu können – und dabei die kreative Idee in eine für die Zielgruppe und Werbewirksamkeit optimale Form zu giessen. Liegen Abverkaufszahlen vor, können diese mit Resultaten einer Aufmerksamkeits- und Wirkungsanalyse verknüpft werden. Zusammen genommen ergibt sich erstmals die Möglichkeit, sich vom „Bauchgefühl“ und ausschließlich auf Befragungen basierenden Tests zu verabschieden. Stattdessen kann nun die konkrete Wahrnehmung von Werbemitteln beim Verbraucher breitflächig erhoben, und das Werbemittel – und damit den ROI der Werbeinvestition – mit diesem Wissen optimiert werden.

Auflösung des Experimentes im Text: auf dem flackernden Bild kommt und geht eine Landzunge, direkt links vom Gesicht der Frau im Boot.

Wollen Sie noch mehr über visuelle Kommunikation erfahren? Hier gibt es noch einen Klicktest für Print-Anzeigen: Zum Experiment


Autor: Dr. Christian Scheier, Psychologe mit Spezialgebiet Künstliche Intelligenz. Diplom über statistische Verfahren in der Einzelfallforschung (Zeitreihenanalyse). Promotion in Künstlicher Intelligenz (Universität Zürich). Drei Jahre Postdoctoral Fellow am California Institute of Technology (Pasadena, USA) mit Fokus auf Psychophysik, Blickmessung und Aufmerksamkeit Autor von über fünfzig wissenschaftlichen Publikationen und des Standardwerks der neuen KI („Understanding Intelligence“, MIT Press). Seit einem Jahr Geschäftsführer der MediaAnalyzer Software & Research GmbH in Hamburg. Aktuelle Forschungsprojekte mit den Universitäten Hamburg, Osnabrück und Beratertätigkeit am California Institute of Technology im Bereich Methoden, Aufmerksamkeit und Erinnerung.

Kontakt: scheier@mediaanalyzer.com
eingestellt am 20. März 2003

Literatur
Lachmann, U. (2002). Wahrnehmung und Gestaltung von Werbung. Stern Bibliotheksband.

Scheier, C. & Koschel, K. (2002). Your Customer’s Eyes. Planung & Analyse, 10/2002.

Von Keitz, B., & Koziel, A. (2002). Beilagenwerbung – Mit Kommunikations-Forschung die Effizienz erhöhen. Planung & Analyse, 3/2002