Es läuft gut – aber wie lange noch? Diese Frage stellte sich die Wiesbadener R+V Versicherung vor zwei Jahren. Das Unternehmen stand zwar äußerst solide da: Als Versicherer der Genossenschaftlichen Finanzgruppe der Volksbanken Raiffeisenbanken verzeichnete die R+V über acht Millionen Privat- und Firmenkunden. Die gebuchten Bruttobeiträge waren in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und lagen 2019 bei 16,8 Milliarden Euro.
Klar war aber auch, dass der Wettbewerbsdruck und die Kundenerwartungen steigen. Um den vertrieblichen Erfolg fortzusetzen, so die Analyse, brauchte die Marke nicht zuletzt ein schärferes Profil. Bislang war die R+V als „Versicherung mit dem PLUS“ aufgetreten, aber das Versprechen von Leistungsvorteilen befand man nun als zu wenig differenzierend. So ging es offenbar auch der Öffentlichkeit, denn die Bekanntheit der Marke lag bei erschreckenden elf Prozent.
Rückgriff auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen
Also musste ein neuer Markenauftritt her, der für mehr Sichtbarkeit, Klarheit, Kundenrelevanz, Differenzierungs- und Aktivierungskraft sorgt. Statt eine neue Vision zu konzipieren, besann sich die R+V Versicherung auf die genossenschaftliche Leitidee, die ohnehin in ihrer DNA verankert liegt, aber kaum nach außen kommuniziert wurde. „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“, so lautet ein berühmtes Zitat von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, einem der Begründer der genossenschaftlichen Bewegung.
Im Februar 2020 wurde die rundum erneuerte Marke vorgestellt – mit neuem Logo, neuem Corporate Design und vor allem einer unmissverständlichen Botschaft: gegen den Egoismus, für die Gemeinschaft. Der neue Marken-Claim lautet entsprechend „Du bist nicht allein“. „Wir setzen uns für das Mit- und Füreinander ein“, betont Marketingchefin Anja Stolz. „Und das leben wir tagtäglich in unseren Handlungen und Leistungen und stellen es jetzt noch viel klarer und selbstbewusster nach außen.“
„Seit wann ist Egoismus cool?“
Um den Relaunch schnell bekannt zu machen, startete eine von der Agentur Serviceplan konzipierte Kampagne, die auf der gesamten Mediaklaviatur spielte. Vor allem der TV-Spot erregte viel öffentliche Aufmerksamkeit: Emotionale Bilder greifen Ängste und Sorgen der Menschen auf, dazu werden Fragen gestellt, die die Fundamente gesellschaftlichen Zusammenlebens berühren: „Seit wann ist Egoismus cool? Heißt Geschäftsethik etwa, sich nicht erwischen zu lassen? Sind eigentlich nur noch Selbstdarsteller an der Macht? Bin ich der Einzige, der das nicht normal findet?“
Aber sollte ein Unternehmen, das ja selbst nicht nur als altruistischen Motiven betrieben wird, mit einer so deutlichen ethischen Haltung auftreten? Auf jeden Fall, sagen die R+V-Verantwortlichen – natürlich unter einer Bedingung: Es darf nicht nur um eine Kampagne oder ein neues Design gehen, sondern um eine Haltung für das ganze Unternehmen. „Diese Haltung leben wir von innen nach außen“, erklärt Norman Böhm, Leiter Produkt- & Kundenmanagement. Daher müssen nicht zuletzt die Produkte und Leistungen darauf abgestimmt werden. Die R+V verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf die die Mitglieder-Plus-Versicherungen. Wer Mitglied einer Genossenschaftsbank ist und sie abschließt, bekommt bis zu 10 Prozent seiner Versicherungsbeiträge zurückerstattet, wenn die Gemeinschaft der Versicherten insgesamt einen guten Schadenverlauf hatte.
Marke wurde deutlich gestärkt
Laut R+V Versicherung hat der Relaunch der Marke einen deutlichen Schub gegeben: Die Resonanz von Kunden, der eigenen Belegschaft und nicht zuletzt der Medien sei überwältigend gewesen. Anderthalb Jahre später zeige sich auch ein nachhaltiger Marketing-Erfolg: Die Marke R+V Versicherung verzeichne Verbesserungen in allen relevanten Dimensionen, das Image sei deutlich stärker und klarer.
Die R+V Versicherung ist für den Marken-Award 2021 nominiert, der am 24. August als Live-Stream-Event stattfinden wird. Die Marke tritt in der Kategorie „Bester Marken-Relaunch“ gegen RWE an. Der Beitrag über die R+V Versicherung ist das sechste von insgesamt zehn Finalisten-Portraits, die in den laufenden Wochen auf absatzwirtschaft.de vorgestellt werden.